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nöthig haben, aus dem sie sich sogar die Gefühle ih. rer Zärtlichkeit und Zuneigung wechselseitig ab, und zuschreiben, und die häufigen Auflagen, die solche Kleiderverleihanstalten des deutschen Stils erleben, beweisen den praktischen Gebrauch, der davon im Volke gemacht wird. Das Herz, sich ganz so abzuschreiben, wie er ist, besißt der Deutsche nicht, wenn er auch ein Herz dazu bestzt. In unserer Literatur haben nur wenige große Meister des Stils den Inhalt unmittelbar freigegeben an seine Form, die er von selbst sich erschafft, und die mit aller gesellschaftlichen Grazie der Darstellung auftritt, sobald fie frei und unbefangen sich selber überlaffen wird, ohne sie in gelehrte und ausstudirte Falten zu werfen. Dieser höchsten und schönsten Staffel der Bil. dung wendet sich erst in neuester Zeit das Talent des Schreibens allgemeiner zu.

Die latinisirenden Sympathieen der deutschen Prosa lassen sich vorzugsweise auf zwei Ideale zurückführen, Cicero und Tacitus, von denen der erstere der deutschen Schreibart fast nur geschadet, der andere nur genügt hat. Der Einfluß dieser beiden römischen Schriftsteller auf das Wesen des deutschen Stils nimmt in der That für uns eine litera rische Bedeutung ein. Börne hat in gewissem Sinne

sehr Recht, wenn er einmal meint, man müsse Stil übungen mit der Jugend noch gar nicht vornehmen, denn Stil sei Werk und Ausdruck des Mannes, des hervorgebildeten Charakters. Stilübungen der Schule liefern uns zuerst dem ciceronischen Schematismus in die Hände, und gewöhnen uns, eine Schreibweise zu mechanisiren, die für uns weder freier Erguß des Herzens, noch treue Abprägung unsrer eigenthümlichen Gedankenreihen sein kann. Cicero, der Talleyrand der alten Beredtsamkeit, mag von den lateinischen Grammatikern mit Recht als Muster des reinften Schullateins aufgestellt werden, mit Unrecht und zum Schaden wird er es damit zugleich als einziges Vorbild guter und kunstvoller Prosa. Diese Zungendrescherei der langen und athemlosen Perioden, die aufgeblasene Eitelkeit der Rednerbühne, das Marktgeräusch stolzirender und die Zuhörer übertäubender Säße, können, bei aller Eleganz der Wendungen, bei allem rhythmischen Prunk und Fluß, bei aller meisterhaften Berechnung des Durcheinanderschlingens und Abschließens, niemals für etwas Nachahmenswerthes, für eine allgemeine Norm, betrachtet werden. Ciceros Stil ist der Stil der Gesinnungslofigkeit, der Stil der Ostentation. Das productive Gemüth hat keinen Antheil am Ton und Wandel

seiner Säße, es ist Alles gemacht, nach einem Schema gefertigt und berechnet auf Wirkungen, die der Advocatenmoral angehören. Die landstraßenartige Regelmäßigkeit dieses Stils ist ebenso widerwärtig, als die hinundwieder in rhetorischen Figuren gesuchte Unregelmäßigkeit und Abwechselung den Eindruck ei, nes Marionettentheaters macht. Man befindet sich bei ihm wie an einer wohlbesezten Tafel, wo der Wirth durch umständliche Berechnung der Kosten, die er bei jeder uns vorgelegten Speise mit precieuser Miene anbringt, uns allen Appetit verdirbt. Ente schiedenen Haß gegen den ciceronischen Stil hat be. sonders Hippel ausgesprochen, und es wäre zu wünschen, daß sich dieser allgemeiner verbreitet hätte, anstatt daß wir nun schon als Muttermilch unserer Prosa diese eitele, weitschweifige, rhetorisch fabrizirte Schreibart einsaugen müssen, in der wir es höchstens zu einem fehlerfreien Schulmeisterstil bringen. Als den ersten Vermittler der ciceronischen Prosa mit den modernen Literaturen kann man den Boccaccio ansehn, der in seinem Decamerone, welcher ein europäisches Lesebuch wurde und sehr früh und sehr häufig auch in Deutschland Uebersezer fand, zuerst die italienische Prosa nach dem classischen Musterbild des Cicero formte, zu einer Zeit, wo es noch nir

gends in Europa eine gebildete moderne Prófa gab. Durch ihn wurde Ciceros Schreibart in einer mo dernen Production überliefert, und damit das lange bedenkliche Gesicht der von Zwischenfäßen überfüllten Periodenbildung, die unter allen neuern Sprachen der langsam und feierlich gemessenen Bewegung der italienischen, und ihren volltönenden und langaushal. tenden Wortlauten, noch am meisten eignet. In der deutschen Sprache aber hat sie den Hang zur Weitschweifigkeit bestärkt und gewissermaßen rhetorisch ausgebildet. Das lange Auslaufen der Hülfszeitwörter in unserer Schreibart, das pedantische Austönen von gewesen sein, geworden sein, gehabt haben u. dgl., womit wir uns noch immer mehr als nös thig und billig Umstände machen, verdanken wir den Rückwirkungen des Cicero, dessen große Effecte mit seinem esse videatur und andern rhythmischen Schlußfällen*) man sonst nicht genugsam preisen konnte.

Schönere und geistigere Eindrücke empfing die deutsche Prosa von dem Stil des Tacitus, welcher einen andern Pol für die Bildung unserer Schreib. art bezeichnet. Im Tacitus erzeugt und beherrscht das Gemüth die Periode, und die kurzen, schlagfer

*) Vgl. Voß, Zeitmessung der deutschen Sprache, S. 250.

tigen Reihen derselben sind abgebrochene Laute einer großen Weltanschauung, die sich auf die bestehende Wirklichkeit nicht vollständig anzuwenden, sondern nur zuckend anzudeuten wagt. Es ist das stilldüstre Flackern eines verzehrenden Feuers, verhaltener Zorn und prophetische Wehmuth, was in dem Bau dieser Säge sprüht und dunkelt, und auch grammatisch in eigenthümlichen Worten und Wendungen ausschlägt. Diese grollende Kürze, diese raschen Schlagschatten des Gedankens und der Ironie, diese vulkanischen Erzitterungen der Rede, gleichen den Symbolen einer Kassandra, die am Rande des Unterganges der alten Welt sinnend stillsteht. Dieser moralisch erhabene Stil, charakterschildernd für eine ganze Zeit, wird von Manchen, besonders von Schulmännern*), häufig als eine Stufe des Verfalls, des Sprachund Schreibverderbens angesehen, besonders deshalb, weil in ihm jene Verschmelzung von Poeste und Prosa begonnen, die wir früher aus allgemeinem Gesichtspunkt der Literatur und Sprache bezeichnet, und worin die tacitische Schreibart mit unsrer heutigen modernen auf gleichen Elementen der Gesin

*) Vgl. Manso, über das rhetorische Gepräge der römis schen Literatur, in seinen vermischten Abhandlungen und Auffäßen (Breslau 1821.) S. 44.

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