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nung, der Sprachentwickelung und der Zeitverhälts nisse beruht. Die poetische Gestaltung der Prosa als eine Entartung der Sprache zu betrachten, ist jedoch eine für die Schule wie für das Leben irrige Ansicht. Nur wenn man die mechanische Schnizarbeit Cicero's, oder Cäsar's militairische Einfachheit für die einzige Normaldarstellung anerkennt, möchte man den Stil des Tacitus als eine bloß abnorme Manier einer einzelnen Subjectivität, die in dem Verderben ihrer Zeit befangen, beurtheilen dürfen. Die tacitische Schreibart steht über dem Verderben ihrer Zeit, weil sie die Schreibart des bewußten Genius seiner Epoche ist, der zwar alle Farben der allgemeinen Zustände hineinmalt, alle ihre Stimmungen ausklingt, aber nicht Geschöpf, sondern Schöpfer seiner Gemälde ist. Der poetische Stil des Tacitus ist eine Production der .eigenthümlichen Gesinnung, die Ges sinnung macht ihn poetisch, und diese ist bei ihm die einzige Bewegerin der Sprache, die allgemeingültige Geseze aufstellt, Cicero ist die ausgebildete Norm jener Prosa, die sich rein auf dem abgegränzten Gebiet prosaischer Darstellung erhält, in der Sonderung gegen den poetischen Sprachgebrauch möglichst streng verharrend, aber wir haben schon angegeben, wie die Entwickelung der Sprache selbst, die von der

Einheit mit der Poesie anhebt, zu gewissen Perioden durch Ineinsbildung von Poesie und Prosa wiederum ein einziges und einheitliches Organ sich zurückzuerstreben scheint. Die Formen aber, die ein gewaltiger Geist seinem Standpunkt gemäß und zum Ausdruck seiner Gesinnung nothwendig findet, von einem grammatischen Canon aus als Verfall und Verderben zu bezeichnen, ist eine Schulmeisterlichkeit, wie es überhaupt eine Widersinnigkeit ist, an dem ge= schichtlichen Gang der Sprachen kritisch corrigiren, abändern, einhalten und meistern zu wollen. Die dichterische Schreibart des Tacitus besteht nicht in einzelnen poetischen Streiflichtern und Färbungen, die schon ältern Historikern vor ihm eigen waren, sie verräth sich in der ganzen Productivität des Stils, und in einer eigenthümlichen Grammatik, wodurch diejenige, die man aus Cicero zu schöpfen ge. wohnt ist, theilweise umgestoßen wird. Alle die Abweichungen des tacitischen Stils, die wechselnde Stellung der Wörter, die Cicero nach der Grammatik, Tacitus nach den Anforderungen des Gedankens, der Gemüthsstimmungen ordnet; häufige Ellipsen und Verschweigung aus dem Zusammenhang zu ergänzender Wörter, wodurch jenes straffe und plastische

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Gepräge der Darstellung; an passenden Stellen das Hervorsuchen alterthümlicher Wendungen und Wörter, und zu besonderer Bezeichnung selbst das Allerseltenste aus dem früheren Sprachschaz; dagegen auch, auf Anlaß des Sinnes, schöpferische Bildung neuer Wörter, wozu sich die grammatische Keuschheit Cicero's nie verstanden hätte; ferner die Vermischung des Activums und Passivums in einem und demsel ben Sage; öftere Auslassung der Partikeln und solcher Wörter wie posse, facere, agere; eine, wenigs stens nach Cicero, ungrammatische Folge der Zeiten hinter den Conjunctionen, die aber meist aus feinberechneten Motiven der Gesinnung erwächst; der Gebrauch des Neutrums der Adjectiva für ein Substantivum; diese Eigenthümlichkeiten alle beweisen in ihrer stegenden Schönheit nur die Grundgewalt, die der darstellende Gedanke über Sprache und Stil zu erlangen vermag. Dem verderbten Sprachgemisch seiner Zeit hat sich aber Tacitus auf seiner künstlerischen und ethischen Höhe durchaus entwunden, und wenn er auch in Wortendungen und Constructionen zuweilen gräcisirte, so zeigt er sich doch der Sprachmengerei seiner Zeit, die häufig griechische Wörter der lateinischen Rede einmischte, in aller Reinheit

des ursprünglich sich ausdrückenden Genies überlegen*).

Der tacitische Stil ist für Deutsche vielfach Myster und Lehrmeister der Schreibart geworden. Fichte bildete seine herrliche Darstellung in den Reden an die deutsche Nation durch vorangegangene Studien des Tacitus**), und vielec Treffliche unserer Geschichtschreibung, sowohl in der Behandlung als in der Auffassung, wird immer auf sein Vorbild zurückgeführt werden müssen. Einige Schriftsteller haben. ihn völlig nachgeahmt, andere, die den Geist seiner Darstellung productiv in sich aufgenommen, verdanken ihm noch mehr. Für uns wird die prägnante Periodenbildung und die productive Diction des Tacitus in eben dem Maße, in welchem sie dem Cicero fremd gegenübersteht, als ein Typus gelten können, der den Mitteln unserer Sprache und der Stufe ih rer heutigen Cultur mit der größten Verwandtschaft entspricht, ohne daß damit ein regulatives Muster aufgestellt sein mag.

Es giebt überhaupt kein bestimmt aufzustellendes

*) Vgl. Bötticher, de vita, scriptis ac stilo Taciti. (Berol. 1843.)

**) S. Fichte's Leben, herausgegeben von seinem Sohn, Thl. I. S. 538.

Muster der Schreibart, da immer nur diejenige die rechte ist, die, frei von jedem Mechanismus, aus dem inneren Leben des Gegenstandes hervorgeht. Es müßte denn die ausgebildetste Harmonie der geistigen und formellen Bestandtheile des Sazes sich in irgend einer Erscheinung so verwirklicht zeigen, wie Wilhelm von Humboldt, in seiner Abhandlung über das Entstehen der grammatischen Formen, es von der griechischen Sprache, die ihm die vollendetste erschien, als ein Ideal bezeichnete, indem er sagt: „In dem künstlichen Periodenbau dieser Sprache bildet die Stellung der grammatischen Formen gegeneinander ein eigenes Ganzes, das die Wirkung der Ideen verstärkt und in sich durch Symmetrie und Eurhythmie erfreut. Es entspringt daraus ein eigener, die Gedanken begleitender, und gleichsam leise umschwebender Reiz, ungefähr ebenso, als in einigen Bildwerken des Alterthums, außer der Anordnung der Gestalten selbst, aus den bloßen Umrissen ihrer Gruppen wohlgefällige Formen hervorgehen. In der Sprache aber ist dies nicht bloß eine flüchtige Befriedigung der Phantasie. Die Schärfe des Denfens gewinnt, wenn den logischen Verhältnissen auch die grammatischen genau entsprechen, und der Geist wird immer stärker zum formalen und mithin reinen

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