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Ständen, sowie heutzutage noch in Rußland in der Regel nur mit dem Gesinde und den Leibeigenen russisch gesprochen wird. Die unteren Stände waren es aber auch, welche unsere Nationalsprache wieder zu Ehren brachten und in ihre Lebensrechte einseßten, denn aus der Mitte der deutschen Aristokratie, die so lange französisch gesprochen und sich gänzlich in die Manieren aus Ludwigs XIV. Zeit eingekleidet hatte, konnte jener neue Umschwung der deutschen Rede nicht hervorgehen, der namentlich unter Friedrich dem Großen und zu einer Epoche sich zeigte, wo die Höfe nicht mehr den alten Einfluß auf die öffentliche Meinung ausübten, und dagegen die Schriftsteller mehr als je auf diese einzuwirken begannen. *)

Man ist jedoch meistentheils viel zu ungerecht bei der Beurtheilung jenes gesellschaftlichen Gebrauchs, den man in Deutschland von der französischen Rede gemacht hat, und die beschränkten Deutscheiferer einer gewissen Zeit haben sich dabei auf dem Steckenpferd ihres kleinlichen Franzosenhasses recht heldenhaft zu tummeln gewußt. Einige Nachzügler gallop

*) S. Luden's Nemesis, 1818. Bd. 12. über das Verhältniß der deutschen Sprache zur französischen.

piren noch heut darauf herum. Es versteht sich, daß eine Nation nicht für eine civilistrte gelten könnte, welche nicht die ganze Peripherie ihrer geistigen Bedürfnisse mit ihrer Landessprache vollendet zu umschreiben vermöchte; aber es ließe sich die Frage aufwerfen, ob nicht für das moderne gesellschaftliche Leben, so wie es sich heut bei uns gebärdet, die Vermittelung einer fremden Zunge immer von vielfachem Nußen wäre? Während der Eichenwald der deuts schen Production in seinen landschaftsgemäßen Blättern und Blüthenzweigen ausschlüge und unaufhaltsam weiterwüchse, könnte man der deutschen Sprache durch Fernhaltung von den unnatürlichen Denkformen unserer Gesellschaftlichkeit eine urkräftige Aechts heit bewahren. Der gesellschaftliche Verkehr selbst kann aber durch ein fremdes Organ in dem Element, worauf er doch einmal beruht, nur erleichtert und begünstigt werden. Ich verstehe unter der Gesellschaftlichkeit etwas Anderes als die ächte menschliche Geselligkeit, und daher werde ich dem Tadel entgehen, dies sei eine misanthropische Grammatik. Die Geselligkeit ist ein Liebesmal unserer Gedanken, Gefühle und gegenseitigen Eigenthümlichkeiten; die Gesellschaftlichkeit ist eine hermetische Verschließung derselben. Wie die armen Indianer sich schämen, in

Gegenwart von Fremden ihre Muttersprache zu reden, so schämen wir uns in unsern deutschen Gesellschaften oft Deffen, was als das Beste und Schönste in uns steckt, womit wir aber alle Institutionen des Salons über den Haufen stürzen würden, wenn wir den in uns redenden Meinungen Worte geben wollten. Als Scheinbilder uns repräsentirend, würden wir oft eine Wohlthat darin finden, uns für die Chiffrirung Dessen, was wir nicht sind, einer fremden Sprache fortdauernd, bedienen zu können. In fremder Mundart fühlt man eine größere Berechtigung zur Ostentation, man übt das Sprechen, um zu sprechen, mit leichtsinnigerer Freiheit, und giebt sich mit mehr Beschäftigung den gesellschaftlichen Formen hin, die man auch in jeder andern Sprache kürzer und muthiger ausdrückt, als in der deutschen. Man würde unsern Gesellschaftsumgang dadurch noch entschiedener von dem wahren Leben abzeichnen, und ihm sein Phrasenhaftes als eine Symbolik der üb. lichen Repräsentation zugestehen, die darum auch in fremder Zunge laut wird. Wenn sich die Deutschen des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts, bis in das achtzehnte hinein, französischer Umgangssprache bedienten, so war es für die nationale Gesins nung, die dadurch in den Schatten gestellt wurde,

eine Schmach und Schande, aber man könnte zugleich behaupten, daß sie damals die geselligen Beziehungen und Umgangsphrasen nicht so naturwidrig und ges gen allen Sprachgeist ausdrückten, wie später, als die deutsche Sprache zur Gesellschaftssprache abges richtet und in die Salons gezogen wurde.

Die natürliche und humane Höflichkeitssprache der Franzosen, mit deren leichtgeschürzten Gewändern die deutsche Geselligkeit so lange ihre beste Toilette bestritten, hat auf den deutschen Geist selbst keine nachtheilige Wirksamkeit ausgeübt. Man könnte sich vielmehr wundern, daß die Höflichkeit unserer Nation, nachdem sie in den französischen Formen sich mit der Unbefangenheit und dem dreisten Selbstvertrauen der großen Welt auszudrücken gelernt, bald darauf mit ihrem landesthümlichen Organ in die gekünsteltste und geschraubteste Pedanterie des Ausdrucks zurückzusinken vermochte, und jenen timiden und bettelhaften Umgangston wieder anstimmte, in dem wir noch heut concertiren. Dabei ist unsere heutige Umgangssprache, troz aller puristischen Stahl- und Schwefelbäder, doch keinesweges frei von dem Hange, sich wieder mit ausländischen Wörtern und Wendungen zu rekrutiren, und namentlich für piquante Bezeichnungen einer gewissen geistreich vornehmen Anschauungs

weise französische Ausdrücke, die allerdings meist unübersehbar sind, in Cours zu geben. Diese Neigung tritt immer sichtbarer wieder hervor, und hat sich auch literarisch abgezeichnet. Die Werke des Fürften Pückler haben noch in einem tiefern, als dem gewöhnlichen Sinne, eine gesellschaftliche Bedeutung für unser Jahrhundert, doch spiegeln sie zugleich in ihrer naiven und liebenswürdigen Selbsthingebung eine gewisse Sprachmengerei ab, wodurch sie die heutige gäng und gäbe Ausdrucksweise unserer höheren geistreichen Zirkel entschieden charakterisiren, und um so unmittelbarer, da sie, nur mit individueller Originalität verseßt, aus diesen Elementen frischweg und ungezwungen in die Literatur übersiedelt sind. Wo eine geniale und sinnreich leichtfertige Bewegung gemacht oder ein besonders treffender Einfall markirt werden soll, ist auch sogleich nicht nur ein französtsches Bonmot zur Hand, sondern oft ganze Reihen und Säße in fremder Zunge, die mit graziösem Anstand eingestreut werden; am häufigsten in den Briefen des Verstorbenen, die unter allen Werken dieses Autors der unabsichtlichste Abdruck aller seiner Eigenheiten sind. Diese Sprache, die in Schriften von rein literarischem und künstlerischem Charakter meistentheils ein Gräuel wäre, in jenen Darstellungen

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