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gewesen, und die Muttersprache dem gemeinen Lauff überlassen, welche nichts desto weniger auch von den sogenannten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. Und halt' ich dafür, daß keine Sprache in der Welt sei, die (zum Erempel) von Erz und Bergwerken reichlicher rede, als die Teutsche. Dergleichen kann man von allen andern gemeinen Lebensarten und Professionen sagen, als von Jagt- und Waid - Werk, von der Schifffahrt und dergl. Wie denn alle die Europäer, so auffem großen Welt Meer fahren, die Namen der Winde und viel andre Seeworte von den Teutschen, nehm lich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnt. - Es ereignet sich aber einiger Abgang bei unserer Sprache in denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann; als bey Ausdrückung der Gemüthsbewegungen, auch der Tugenden und Laster, und vieler Beschaffenheiten, so zur Sitten-. Lehr- und Regierungskunst gehören; dann ferner bei denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkänntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer Denk-Kunst, und in der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Nahmen der Logick und Metaphysick auff die Bahn bringen; welches Alles dem

gemeinen Teutschen Mann etwas entlegen, und nicht so üblich, da hingegen der Gelehrte und Hoffmann sich des Lateins oder anderer fremden Sprachen in Dergleichen fast allein und insoweit zu viel beslissen; also daß es denen Teutschen nicht am Vermögen, sondern am Wollen gefehlet, ihre Sprache durchgehends zu erheben. Denn weil alles, was der ge= meine Mann treibet, wohl in Teutsch gegeben, so ist kein Zweiffel, daß dasjenige, so vornehmen und gelehrten Leuten mehr fürkommt, von diesen, wenn ste gewolt, auch sehr wohl, wo nicht besser, in reinem Teutsch gegeben werden können."

Karl V. sagte, er wolle Spanisch reden mit deni lieben Gott, Französisch mit den Damen, Deutsch mit seinen Pferden. Diese durch die historische Situation seiner Zeit sehr richtig begründeten Sprach, unterschiede haben heut keine Geltung mehr. Die deutsche Sprache hat sogar angefangen, mehr als je in geschichtliche Berührungen zu treten, und in dem weltliterarischen Verkehr, den Göthe prophezeiht und in Gestaltung begriffen sah, tönen uns bereits auf den wichtigsten Pläzen Europas ihre eigenthümlichen Laute zurück. Der höhere Weltverkehr, die allgemeineren Nationalbeziehungen, in die sofort die geistige Production unaufhaltsam hineingerissen wird,

müssen auch auf die Sprache ihre Rückwirkung ausüben, und namentlich die deutsche wird davon noch neue und nicht unwesentliche Anflüge zu empfangen haben. Die Pedanterieen unserer Gesellschaftssprache, die durch Entschuldigungsformeln persiflirte menschliche Gegenseitigkeit, werden in der nächsten Weltbildungsepoche von selbst ausscheiden, und wenn sich auf dieser Stadie größerer Vereinheitlichung des innern und äußern, nationellen und ideellen Menschen nicht gerade patriarchalische Elemente in den Umgang wieder einfinden, so doch gewiß frischerer Naturausbruck, und, bei allgemein gesunden und geraden Situationen, ungeheuchelte Freigebung des Inhalts an das Wort. Denn die Verrenkung der Umgangssprache entspringt nur aus der Verrenkung der ächten Situation, aus der inneren Unbefriedigung der Gegenseitigkeit, in der Ich und Du sich zu einander verhalten. Die deutsche Umgangssprache hat schon sehr verschiedene Tonarten angenommen, sie wird neue nicht von sich weisen, die aber aus dem socialen Leben von selbst heraustreten müssen. Ihre Conversationsgewandtheit mit Pferden, die Karl V. rühmte, ihre Unentbehrlichkeit im Munde der Handwerker, Schiffer und Vergleute, die Leibniz hervorhob, ferner die fromme und erbauliche Anfärbung,

mit der zu einer gewissen orthodoren Zeit in Deutschland auch der Ausdruck des täglichen Familienumgangs bezeichnet war, dann die ganz treu abgeprägte bürgerliche Conversation, wie sie aus Ifflands Stüfken noch zu uns redet, alle diese Tinten sind heut in einer pointirten Geistreichigkeit aufgegangen, die, mit ästhetischem Anwurf, am meisten unsere gesellschaftliche Mittheilung überfirnißt. Die Geistreichigkeit unsers Zeitalters, die man sich ebenso wahr als wohlfeil zum Stichblatt satirischer Aeußerungen zu nehmen pflegt, ungeachtet Jeder darin befangen, ist ohne Zweifel eine Uebergangsstufe zur Flüssigmachung des geistigen Fonds in der Nation, eine, wenn auch in ihrem Erscheinen widerwärtige, Wendung zu derjenigen Periode, wo das Esoterische sich nicht mehr dem wirklichen und populairen Leben, als einer ihm nicht ebenbürtigen Form gegenüberseßt. Die geistreiche Schminke des modischen Umgangs ist daher bei weitem nicht so kränkend, als die damit verbundenen grammatischen Formen, welche wir an uns vorübergehen ließen, abgeschmackt und vernunftwidrig uns dünkten, und doch fordern diese lezteren, so lange sie noch nicht durch das Leben selbst widerlegt sind, eine nicht in allen Fällen zu weigernde Beobachtung. Die socialen Einflüsse werden aber auf die

Gesellschaftssprache wie eine klimatische Nothwendig feit einwirken. Die französische Sprache, obwohl sie das deutsche Mißverhältniß des Umgangsausdrucks zum innern Charakter nicht kennt, zeigte sich doch neuerdings ebenfalls in denselben Bewegungen begriffen, die in einem Streiten für die unumschränkte Herrschaft des Gedankens über Wortform und grammatische Verbindung, eine eigenthümliche Sprachumwälzung zu vollbringen suchten. Die neu romantische Sprache Victor Hugo's, Alfred de Vigny's und ihrer Genossen ist als Symptom wichtig; noch merkwürdiger erscheint uns, in unserer Beziehung, die Sprache in den Romanen von George Sand, und in den Schriften von Lamennas, Lerour u. A., worin die sociale Speculation ganz neue Laute und Wendungen der Rede versucht.

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