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echt deutsche Gestalt denn sein Pathos ist der Drang nach voller, ganzer Erkenntniß, nach Aneignung eines der höchsten Ideale, das es für einen Menschen geben kann.

Die Gefahr eines derartigen Strebens liegt in seiner Maßlosigkeit. Es ist dem Menschen durch die Schranken seiner Natur ein für alle Mal versagt, alle Höhen und Tiefen zugleich zu ergründen; und wenn sich der Gelehrte, um der Fülle des natürlichen Lebens theilhaftig zu werden, in die Sinnlichkeit stürzt, so kann es ihm nur zu leicht begegnen, daß diese um so größere Gewalt über ihn erlangt, je ferner er ihr früher gestanden hatte. Aber zunächst ist es doch eine Wohlthat für ihn, wenn ihn jemand aus den Höhen der Speculation ins wirkliche Leben, aus der kahlen, unerquicklichen Stubengelehrsamkeit in eine Welt irdischer Freude und gesättigter Sinnlichkeit führt. Dieß thut Mephistopheles, und er gewinnt in der That in dem Fragmente Faust unsere fast uneingeschränkte Billigung. Der scharfe, treffende Wiß, womit er alle Ueberschwänglichkeit schlägt, der gesunde Menschenverstand, welcher dem idealen Drange seine Schranke zieht und das Recht der Wirklichkeit aller hochfliegenden Speculation zum Troße vertritt, alles dieß ist für Faust im Grunde unschäzbar, und wirklich scheint der Gesandte des Erdgeistes das war ja Mephistopheles eigentlich - Faust mehr zu nüßen als ihn zu verführen. Das Verhältniß zu Gretchen, wozu er die Mittel und Wege schafft, wird für Faust die Quelle höchster Beseligung. Freilich muß er hier inne werden, „daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird“. Die von dem Gefährten angefachte Sinnlichkeit wird übermächtig in ihm; er zerstört das Glück der Geliebten und hat es zu büßen, wenn er den Becher der Freude in vollen Zügen getrunken hat. So wirkt Mephistopheles allerdings von vorn herein auch Böses; aber dieses erscheint mehr wie der unentbehrliche Schatten zu einem Lichte, welches man um keinen Preis entbehren möchte.

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So empfand der jugendliche Goethe; deßhalb dichtete er aus der alten Sage vom Faust nur denjenigen Theil, der den Helden von unfruchtbarem Speculiren erlöst und dadurch befähigt, voll und ganz der Menschheit höchste Freude zu genießen. Freilich deutet er auch an, daß dies unmöglich ist, ohne daß auch tiefes Leiden und heftiger Seelenschmerz an ihn herantritt. Als der Dichter

Mann geworden war, als er an sich selbst erfahren hatte, daß freiwillige Selbstbeschränkung zum Glücke des Menschen unentbehrlich ist, gewann ihm die Geschichte Fausts eine weitere Bedeutung. Er hatte von dem früher Gedichteten nichts zurückzunehmen. Aber jene Unersättlichkeit, die alle wirklichen Güter des Lebens glaubt verachten zu dürfen und mit ernsten Dingen freventlich spielt, um dem Egoismus Genüge zu schaffen, mußte bestimmter als eine Schuld, die Verführung zu ungezügeltem Sinnengenuß als positiv Böses dargestellt werden. Es mußte ernstlich in Frage kommen, ob nicht ein derartiger Uebergang des einen Extrems in das andere den Menschen völlig zu verderben vermag; zwar nicht in dem Sinne, wie das Volksbuch Fauft für das jenseitige Leben verloren gehen läßt, wohl aber so, daß der Sinnengenuß unwiderruflich den idealen Drang in ihm erstickt; daß mithin die edeln Seiten seiner Natur durch die flache Unbedeutendheit" des alltäglichen Lebens zu Grunde gerichtet werden. Darauf geht die Wette, welche Faust mit Mephistopheles schließt; sie herbeizuführen und gehörig zu motiviren, sind die meisten Einschaltungen in der ersten Hälfte hinzugefügt. Doch ist festzuhalten, daß der Abschluß des Vertrags schon durch die Sage gegeben war. Damit stand denn von Anfang an für den Dichter fest, daß Mephistopheles als richtiger Teufel Faust hinabzuziehen sucht.

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Wie Goethe selbst von dem Ausgange der Wette denkt, läßt er keinen Augenblick zweifelhaft. Als der vollständige erste Theil 1808 erschien, wurde er durch die beiden Vorspiele eingeleitet. Das erstere ist gleichsam eine Vorrede an das Publikum. Niemand wußte besser als der Dichter, daß sein Gedicht stückweise entstanden war. Wie sehr es ihm troßdem am Herzen lag, spricht in rührenden Tönen der voraufgeschickte Prolog aus. Goethe war sich deutlich bewußt, daß seine tiefsinnige Dichtung ein Spiegelbild seiner eigenen Jugendentwickelung war, aber wenig mit den Forderungen des großen Haufens zu thun hatte. Zugleich verkannte er nicht, daß sie auch berechtigten Ansprüchen der Bühne nicht genügen könne, daß es ihr an strenger dramatischer Einheit fehle. Die Entschuldigung lag in diesem Falle in dem weiten Abstande zwischen seinen poetischen Intentionen und den Bedürfnissen der Bühne und des Schauspielers (der lustigen Person), die dem Publikum gefallen Goethe's Werke. V. & VI.

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wollen. Dieser Gegensaß ist das Thema des ersten Vorspiels. Es ist durchweg voll humoristischer Ironie. So weit geht Goethe nicht, daß er etwa auf seinen Faust das Wort angewandt wünscht: gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken"; oder: „sucht nur die Menschen zu verwirren“ u. s. w. Allein es steht ihm gut, wenn er an solchen Stellen den Mangel dramatischer Geschlossenheit in seiner Dichtung scherzhaft übertreibt. Aber jene Aeußerungen stolzen Selbstgefühls, welche dem Dichter in den Mund gelegt find, enthalten ohne Zweifel ebenfalls Bekenntnisse, die aus Goethes vollem Herzen stammen. In Wahrheit durfte er behaupten, daß er die tiefsten Empfindungen seiner Jugend dem Werke eingehaucht habe; er hat jedes Herz zu bezwingen gewußt, hat das Einzelne zur allgemeinen Weihe gerufen“ und in herrlichen Accorden schlagen“ lassen. Auch dem, was die lustige Person und der Director fordern, hat er entsprochen; hat „frisch hineingegriffen ins volle Menschenleben", hat die „Poesie commandirt“ und es selbst an bunten Bildern für das Auge und an Decorationswirkungen nicht fehlen lassen.

Auf die eigentliche Idee des Faust geht das Vorspiel im Himmel ein. Die Situation ist der Einleitung des Buches Hiob nachgebildet. Wie dort Satan, erscheint hier Mephistopheles inmitten der himmlischen Heerschaaren als derjenige Geist, der auf der Erde sein Wesen treibt. Er ist nirgends ein Höllenfürst, deffen Herrschaft sich Gott zum Troße erhält. Als ein Geist, der „verneint“, gehört er selbst mit in den Plan der göttlichen Weltregierung. Er soll als Versucher die Menschen reizen, damit sie nicht in Schlaffheit verfallen. Er hat selbst daran Freude, wenn ihm die Verführung gelingt; aber er weiß, daß er mit allem bösen Willen schließlich das Gute schafft. Deßhalb erfüllt ihn stets eine gewisse Selbstironie; er wird zum Schalk, der sich mit dem Herrn in völlig anständigem Tone zu unterhalten weiß. Sein Gelüsten freilich treibt ihn immer von Neuem, an die unvergleichlich hohen Werke Gottes die frevelnde Hand zu legen. Das Streben des Menschengeistes nach dem Höheren ist ihm zum Theil verhaßt, zum Theil lächerlich. Je lebhafter in der Brust die Ungeduld und je größer die Sehnsucht nach der Vollkommenheit, desto eher hofft er auf den Sieg. Darauf hin macht nun der Herr die Wette mit ihm, daß es ihm bei Faust nicht gelingen werde. Denn der gute

Mensch in seinem dunkeln Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt". Irren muß er, so lange er lebt; aber weil er nicht müde wird, aufs Neue zu streben, kann er nicht verloren gehen. Es handelt sich also ausschließlich um das Erdenleben, und es ist ein scheinbarer Widerspruch im Drama, wenn Mephistopheles nachher mit Faust einen Contract macht, bei dem nur das jenseitige Leben in Betracht kommt. Es fragt sich, ob ein im Diesseits vielfach irrendes, aber doch stets weiter dringendes Streben mit dem Bekenntniß abschließen wird, es sei Alles eitel und zwecklos ge= wesen dann gewönne Mephistopheles; oder ob das Leben sich doch so weit zu höherem Werthe läutert, daß der Mensch im Bewußtsein des Erreichten schließlich inneren Frieden findet. Dieß erkennt des Herrn Weisheit, und darnach ist es nicht zweifelhaft, wie der Fortgang und der Schluß des Gedichts von vornherein beabsichtigt war. Durch mannigfache Verführung und Verirrung soll Faust allmählich erzogen werden. Die Versuche, ihn in Sinnenluft zu versenken, sollen ihn zwar tief in Schuld und Seelenschmerz stürzen; aber erst, wenn er troß allen Jrrens durch seine eigene Thätigkeit Dauerndes geschaffen hat, wird der Augenblick kommen, wo er, mit sich selbst zufrieden, getrost sterben kann. Daher können die Engel im zweiten Theile auch singen: „wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“

War in den ersten Scenen des Stücks von vornherein des Dichters Absicht, Fausts Unzufriedenheit mit seiner bisherigen Lage darzustellen, so erscheint diese durch die Erweiterungen in der zweiten Ausgabe noch gesteigert. Einen Widerspruch zwischen dem ersten und zweiten Monologe wird man freilich nicht nachweisen können; auch ist die Behauptung schief, der erste schicke sich nur für einen Jüngling, der andere für einen Mann. Denn als ge= reifter Mann ist Faust schon im ersten Entwurf dargestellt. Aber das ist richtig, daß seine Mißstimmung in dem älteren Stücke fast ausschließlich durch seinen ungestillten Wissensdurst hervorgerufen wird, während nach dem Gespräche mit Wagner (dessen Name übrigens schon aus den alten Faustbüchern stammt) noch ganz andere Quellen davon angegeben werden. Man fühlt, der Dichter spricht hier aus gereifterer Erfahrung. Es ist der Mann, welcher klagt, daß sich den herrlichsten Empfindungen immer fremder Stoff an

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dränge, daß die Noth und Sorge des Lebens den Flug des Geistes Hemme, daß die besten Gefühle in der Alltäglichkeit zu Grunde gehen müssen. Aber gerade weil hier die Unzufriedenheit sich auf alle Verhältnisse erstreckt, ist sie wohl geeignet, in Faust den Ge= danken des Selbstmordes zu wecken. Dieser würde ihn mit einem Schlage der Noth entrücken und den Schleier zerreißen, der ihm die Geheimnisse der Geisterwelt verhüllte. An der Ausführung wird er durch die Ostergefänge gehindert. Ein Rest frommer Jugenderinnerung ist es, der dem Verzweifelnden wieder zum Be= wußtsein bringt, was ihn troß Allem noch an das Leben fesselt. Bisher hat er es in der Einsamkeit seines Studirzimmers verschmäht, anspruchslos als Mensch mit andern Menschen zusammenzuleben; hieran erinnert ihn nun der fromme Gesang der Gemeinde und mittelbar, ob auch von ihm nicht so verstanden, deutet derselbe auf die Mächte hin, welche den Menschen aus aller Qual und Sorge des Lebens zu erlösen vermögen. Das ist die Kraft der Selbstüberwindung, der hoffenden Geduld, welche alle Schmerzen gern auf sich nimmt, weil sie weiß, daß wir an der Erde Brust zum Leiden da sind; es ist die Macht echter Menschenliebe, welche in fremdem Glücke das eigene sucht und vermöge solcher steten Selbstentäußerung sich aus irdischen Banden loszureißen vermag. Dieser Gedanke tritt an Faust hier in derjenigen Fassung heran, welche ihm die christliche Dogmatik gegeben hat. Den Glauben an diese hat er längst verloren, und eine sittliche Wiedergeburt, die ihm helfen könnte, läßt sich nicht durch eine momentane, ob auch noch so lebhafte Rührung ins Werk seßen. So hat denn der Ostergesang eben nur die Wirkung, daß Faust von seinem finstern Beginnen abläßt. Es treibt ihn alsbald, sich unter die Menschen zu begeben. Hier sieht er das in seiner Beschränktheit glückliche und zufriedene Volk. Alle diese frohen Menschen haben von dem, was seine Seele bewegt, keine Ahnung; aber sie wissen ihr Leben harmlos zu genießen. Eine Weile freut sich auch Faust mit den Fröhlichen. Denn es ist in ihm kräftige Empfindung und Lebensfrische, während der armselige Wagner weder das Wonnegefühl der neu erwachten Natur noch den Jubel glücklicher Menschen mit zu ge= nießen vermag. Aber in Faust regt sich bald wieder die alte Unruhe. Das Volk feiert ihn und seinen Vater als hülfreiche Aerzte. Er

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