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Es giebt keine zweite deutsche Dichtung, über welche so viel geschrieben wäre, als über Goethes Faust; alljährlich erscheinen neue Beiträge zur Erklärung des Werkes. Noch immer ist die litterarische Forschung bemüht, die Entstehungszeit jedes einzelnen Theils festzustellen. Daneben handelt es sich darum, die Idee des Ganzen philosophisch zu erfassen und neben scheinbaren oder wirklich vorhandenen Widersprüchen den innern Zusammenhang nachzuweisen. Endlich fordert der Gegenstand selbst vielfache Erläuterung und die wird erheblich erschwert, weil der Dichter zahlreiche Anspielungen auf Personen und Verhältnisse seiner Zeit eingestreut hat. Die Entstehungszeit des ganzen Gedichts beträgt sechzig Jahre; innerhalb deren hat sich Goethes Weltanschauung vielfach geändert; auch der oberflächliche Leser empfindet, wie verschieden der Stil des ersten und des zweiten Theils ist. Daß man es nicht mit einem Drama im gewöhnlichen Sinne des Wortz zu thun hat, liegt auf der Hand. Es fehlt alle bühnengerechte Oekonomie und die strenge Folgerichtigkeit der Handlung. Ueberall wird das Wollen und Vollbringen der Menschen durch übernatürliche Mächte mitbedingt. Der weltumfassende Grundgedanke des Werks zwang Goethe, manches nur symbolisch anzudeuten. So muß der Leser überall vieles innerlich ergänzen, um für die sittliche Verantwortlichkeit des Helden den richtigen Maßstab zu gewinnen und die tiefsten Absichten des Dichters richtig zu würdigen.

Den Charakter einer Aufeinanderfolge locker zusammenhängender Scenen zeigte die erste Gestalt, in welcher Goethes Schriften 1790 im VII. Bande den Faust brachten, noch ganz deutlich. Er wurde darin als ein Fragment bezeichnet und reichte nur bis zu Gretchens Worten: „Nachbarin, euer Fläschchen." Aber auch von dem jezt Vorangehenden fehlte vieles. Von den beiden Monologen Fausts las man nur den ersten mit der Erscheinung des Erdgeistes und dem Gespräch mit Wagner bis zu dessen Worten: „um so gelehrt

mit euch mich zu besprechen.“ Es fehlte die Erwähnung des nahen Ostertags, das zweite Selbstgespräch, welches zum Selbstmordversuch führt; der Ostergesang, der darauf folgende Spaziergang, die Erscheinung des Pudels, die Scene im Studirzimmer, das erste Auftreten des Mephistopheles mit dem Geisterchor und dem Abschlusse des Contracts. Mit den Worten: „und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist", schloß sich das weitere Gespräch zwischen Faust und Mephistopheles an. Dieser selbst erschien als ein Abgesandter des Erdgeistes und hielt Faust vom Selbstmord ab, worauf dann auch spätere Stellen (z. B. „Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles" u. s. w.) hindeuten. Daneben bezeichnete er sich selbst aber auch als Teufel. Nun kam das Gespräch mit dem Schüler, Auerbachs Keller, die Hexenküche, welcher später nur noch einige Verse zugesezt wurden, die Gretchenscenen bis zu der Stelle, wo jezt der Monolog in Wald und Höhle eingefügt ist. Dieser, sowie das folgende Gespräch zwischen Faust und Mephistopheles folgte erst nach der Scene am Brunnen (Gretchen und Lieschen). Daran schloß sich nur noch Gretchens Monolog: „ach neige, du Schmerzenreiche" und die Scene im Dom, nur daß in dieser die Anspielung auf den Tod Valentins („auf deiner Schwelle wessen Blut?") fehlte.

Von den 1790 veröffentlichten Scenen war das Meiste bereits viel früher gedichtet, aber auch von den späteren Partien des ersten Theils muß Manches damals schon fertig gewesen sein. Doch legte es der Dichter zurück, weil die dazwischen erforderlichen Verknüpfungen fehlten. Erst im Jahre 1808 erschien der ganze erste Theil nebst der Zueignung und den beiden Vorspielen, wie wir ihn jezt lesen.

Die ersten Anfänge des Faust lassen sich im Jahre 1773 nach* weisen. Unter Goethes Bekannten in Wezlar war es bekannt, daß er an dem Stücke arbeite. Als er den Göz an Gotter geschickt hatte, erwiderte ihm dieser in einer gereimten Epistel:

schick mir dafür den Doctor Faust,

sobald dein Kopf ihn ausgebraust.

....

Im folgenden Jahre schreibt Boie aus Frankfurt, nachdem er Goethe besucht hat: „er hat mir viel vorlesen müssen . . . . sein Doctor Faust ist fast fertig und scheint mir das Größte und Eigenthümlichste von Allem." Auch F. Jacobi lernte damals schon die Handschrift des Dramas kennen. Nach dem Erscheinen des

Fragments schrieb er 1791: „ich kannte beinahe schon alles." Im nächsten Frühling las Goethe dem durchreisenden Klopstock neue Scenen aus dem Stücke vor und ein Brief an Auguste Stolberg aus dem September 1775 läßt keinen Zweifel, daß er damals mit Auerbachs Keller beschäftigt war. Allmählich hatte sich die Kunde von der neuen Dichtung verbreitet; man wußte in Berlin davon, Lessing und Wieland hatten davon gehört. H. L. Wagner schrieb im Jahre 1776 seine Kindesmörderin und Goethe erklärt selbst im 14. Buche von „Dichtung und Wahrheit“, daß Wagner dazu das Sujet des Faust, namentlich die Katastrophe mit Gretchen benußt habe; W. kannte also nicht nur den Inhalt des Fragments, sondern wußte auch, wie Goethe Gretchen enden lassen wollte. — In Weimar las der Dichter den Faust öfter vor. Den König in Thule druckte Seckendorf 1782 in seinen Volksliedern ab.

Auf der italienischen Reise hat Goethe dann im Garten der Villa Borghese in Rom die Herenküche geschrieben. Auch der Monolog „Erhabner Geist“ wird in diese Zeit fallen; Stil und Verzbau, aber auch die darin vorkommende Erwähnung der Entwickelungstheorie aller lebenden Wesen („du führst die Reihe der Lebendigen vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen") macht das in hohem Grade wahrscheinlich.

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Das Verdienst, den Dichter zur Fortführung des Werkes angeregt zu haben, hat Schiller. Er wünschte dringend die noch nicht gedruckten Bruchstücke zu lesen, welche Goethe unter seinen Papieren liegen hatte. „Denn ich gestehe Ihnen", schreibt er am 29. November 1794 an den Freund, „daß mir das, was ich von diesem Stück gelesen, der Torso des Herkules ist. Es herrscht in diesen Scenen eine Kraft und eine Fülle des Genies, die den ersten Meister unverkennbar zeigt." Goethe aber erklärte, vom Faust jezt nichts weiter mittheilen zu können; „ich wage nicht das Packet aufzuschnüren, das ihn gefangen hält. Ich könnte nicht abschreiben ohne auszuarbeiten, und dazu fühle ich mir keinen Muth." Neun Monate später zeigte er sich bereit, etwas für die Horen herzugeben, „wenn es möglich wäre“. Das muß sich dann doch als unausführbar erwiesen haben. Erst im Juni des nächsten Jahres (1797), als ihn das Balladenstudium, wie er an Schiller schreibt, „wieder auf diesen Dunst- und Nebelweg gebracht" hatte, entschloß er sich

an den Faust zu gehen und bat den Freund ihm zu sagen, welche Forderungen er an das Ganze machen würde. Schiller entwickelte ihm nun, daß das Stück bei aller seiner dichterischen Individualität die Forderung an eine symbolische Bedeutsamkeit nicht ganz von sich weisen könne und daß die Natur des Gegenstandes dem Dichter eine philosophische Behandlung auflege. Dazu fügte er dann namentlich, es gehöre sich, daß Faust ins handelnde Leben geführt werde. Er bekannte, daß ihm vor der Auflösung schwindle. Goethe erklärte sich mit diesen Bemerkungen einverstanden, „nur daß ich mir's", schreibt er, „bei dieser barbarischen Composition bequemer mache und die höchsten Forderungen mehr zu berühren als zu erfüllen denke. So werden wohl Verstand und Vernunft wie zwei Klopffechter sich grimmig herumschlagen, um abends zu= sammen freundschaftlich auszuruhen. Ich werde sorgen, daß die Theile anmuthig und unterhaltend sind und etwas denken lassen“ u. s. w.

Bald traten andere Arbeiten dazwischen, der Faust wurde abermals bei Seite gelegt. Erst im December kündigte Goethe wieder an, er werde demnächst an seinen Faust gehen, um diesen Tragelaphen loszuwerden. Er schrieb das vorräthige „höchst confuse" Manuscript ab und legte die Theile nach den Nummern eines ausführlichen Schemas in abgesonderten Lagen hintereinander. Er fand dabei, daß einige in Prosa geschriebene Scenen durch ihre Natürlichkeit und Stärke im Verhältniß gegen das andere ganz unerträglich seien. Ich suche sie deswegen gegenwärtig in Reime zu bringen, da dann die Idee wie durch einen Flor durchscheint und die unmittelbare Wirkung des ungeheuren Stoffes gedämpft wird.“ Das war im Mai 1798. Im September 1800 meldet Goethe, Helena sei nun aufgetreten; nun ziehe ihn das Schöne in der Lage seiner Heldin so an, daß es ihn betrübe, wenn er es zunächst in eine Fraße verwandeln solle. Schiller erwidert: „Lassen Sie sich ja nicht durch den Gedanken stören, wenn die schönen Gestalten und Situationen kommen, daß es schade sei, sie zu verbarbarisiren. . . . Das Barbarische der Behandlung kann den höheren Gehalt nicht zerstören und das Schöne nicht aufheben.... Sie müssen in Ihrem Faust überall Ihr Faustrecht behaupten.“ Von da an zeigen gelegentliche Erwähnungen im Briefwechsel beider Männer, daß die Arbeit allmählich fortrückte. Eine Aeußerung vom 6. April 1801

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