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II. Der Kynismus.

Wie der Umstand, dafs Christus seine Lehre nicht schriftlich niederlegte, nach seinem Tode die Auffassung eines Johannes neben der eines Marcus und Lukas möglich machte, so hat auch Sokrates nach den verschiedensten Richtungen hin angeregt und neben zuständigen auch höchst einseitige Ausleger gefunden. Von seinen Jüngern haben die einen an seine dialektische Methode, die anderen an seine Persönlichkeit und seine sittlichen Grundsätze angeknüpft und nur Platon allein hat des Meisters Standpunkt umfassend zu würdigen und zu einem grossartigen Systeme fortzubilden gewufst. Wir selbst haben uns hier nur mit derjenigen unter den sokratischen Schulen zu befassen, welche das eigentliche Bindeglied zwischen Sokrates und dem Stoicismus geworden ist, mit der kynischen.

Der Stifter der kynischen Schule ist Antisthenes, der Sohn eines Atheners und einer thrazischen Sklavin. Als nicht vollbürtiger Athener mufste er seine Vorträge im Kynosarges, einem Heiligtum des Herakles nebst einem für Nichtbürger bestimmten Übungsplatze, halten, woher auch der Name Kyniker zu rühren scheint. Sein berühmtester Schüler war Diogenes von Sinope, ein Original von der Fufssohle bis zum Scheitel, der seinerseits wieder im Thebaner Krates einen nicht unwürdigen Nachfolger erhielt. Zur Hälfte gehört auch Stilpon aus Megara hierher, der die

kynische Ethik mit den Ideen seines Landmannes Eukleides verband, sich aber nach beiden Seiten hin eine achtungswerte Selbständigkeit wahrte und durch seine Stellung als Lehrer Zenons eine grofse Bedeutung für den Stoicismus gewann.

Die Kyniker wollen die allein wahren Inhaber des sokratischen Geistes sein, zeigen sich aber weit mehr von der Persönlichkeit als von der Lehre des Meisters beeinflusst und entstellen seine Grundsätze durch Einseitigkeit und Übertreibungen bis zur Unkenntlichkeit. Er hatte verlangt, dass man bei der Erklärung einer Sache alle Eigenschaften und Beziehungen derselben beachten und das Wesentliche vom Unwesentlichen und Widersprechenden sorgfältig scheiden müsse, um endlich bei klaren Begriffen und einem gesicherten Wissen anzugelangen. Sie dagegen erklären für „,unmöglich, dass das Viele Eines sei und das Eine Vieles und gefallen sich in der Behauptung, dafs man den Menschen nicht gut nennen könne, sondern nur das Gute gut und den Menschen nur Menschen."*) Sie bestreiten also, dass sich in einer Sache widersprechen lasse und heben damit, genau betrachtet, die Möglichkeit jedes wissenschaftlichen Fortschreitens auf. Ja noch mehr; sie erklären ausdrücklich alles Wissen, welches nicht unmittelbar zur Tugend hinleite, für wertlos und bedenklich und deshalb für nicht begehrenswert. Die Tugend allein sei das erlaubte Ziel unsers Strebens und unsers Nach

*) Platon im Sophisten 251.

denkens, ihr Besitz sei das höchste Gut, die echte, einzige Glückseligkeit. Sie allein gewähre die heitere und ungetrübte Seelenruhe des Weisen und lehre uns den Reichtum, die Ehre und alle derartigen Scheingüter stolz verachten. Erlangt werde diese hohe und unverlierbare Tugend nicht durch das Wissen, sondern durch unausgesetzte sittliche Übung, zu der es aber einer sokratischen Kraft und Ausdauer bedürfe. Alles, was auf dem Wege zur Tugend oder in ihrem Vollgenusse hinderlich werden könne, müsse für den Weisen völlig abgethan sein. Bedürfnislos stehe er den sogenannten Freuden und Genüssen des äusseren Lebens gegenüber. Frei gebiete er über Lust und Schmerz und alle Anwandlungen der sinnlichen Hälfte unsers Daseins. Erhaben sei er über die Rücksichten gegen die Mitmenschen und selbst gegen Freunde, über die Ehe, über das Familienleben und seine Pflichten, über die öffentliche Sitte, über das Heimatsgefühl, das patriotische Bewusstsein, sowie über alle religiösen Gebräuche und Vorurteile. Er sei sich selbst genug und die ganze Welt sei sein Vaterland.

Die Wirkungen, die solche Grundsätze auf das Leben haben mussten, werden wir am besten begreifen, wenn wir sie in einer bestimmten Persönlichkeit anschauen, und dazu eignet sich gewifs niemand mehr als der kynische Musterphilosoph Diogenes.*) Wir versetzen uns im Geiste in das alte Korinth und etwa in das

*) Vergl. besonders die Angaben bei Diogenes von Laerte.

Jahr 340 v. Chr. Da begegnet uns auf der Strafse ein hochbetagter Mann, der, wegen Falschmünzerei aus seiner Vaterstadt Sinope flüchtig, sich schon lange Zeit bald in Athen, bald hier oder in anderen Orten herumtreibt und der jetzt als eine der volkstümlichsten Figuren in ganz Griechenland gelten kann. Er ist in ein grobes Kleid gehüllt, trägt einen ungepflegten Bart, aber weder Kopf- noch Fufsbedeckung und hat sich die Abzeichen der Bettler beigelegt, einen Stab und einen Ranzen. Neugierige folgen ihm, seine Lebensweise und die Schlagfertigkeit seines Witzes bald anstaunend, bald belachend. Sein Magen kostet ihn fast gar nichts, weil er ihn gewöhnt hat, mit wenigem zufrieden zu sein und weil er nicht ansteht, dieses wenige unter Umständen bei anderen einzutreiben. Seine Bedürfnisse befriedigt er, wo sie ihn gerade behelligen; denn die Meinung der Leute gilt ihm nichts. Er stillt seinen Durst am nächsten Bache und schöpft dabei mit der Hand, seitdem ihm das Beispiel eines Kindes gezeigt hat, dass man des Bechers entbehren könne. Hungert ihn, so hält er gelegentlich auf freiem Markte sein wenig einladendes Mahl, denn er schliefst:,,Wenn es nicht unschicklich ist zu essen, so ist es auch auf dem Markte nicht unschicklich", und den Gaffern, die ihm dabei den Spottnamen,, Hund" zurufen, giebt er ruhig zurück: ,,Nein, ihr seid die Hunde, da ihr um mich herumsteht, während ich esse". Die Nacht bringt er, wenn es sein mufs, in einer Tonne oder auf freier Erde zu, und bei diesem Leben erklärt er sich für glücklicher

als selbst den Perserkönig! Er war sein Leben lang Junggeselle; denn er verachtet die Ehe als unnötigen Zwang, dem die Weibergemeinschaft weit vorzuziehen wäre. Das schöne Geschlecht findet überhaupt nur der Nachzucht wegen Gnade in seinen Augen; im übrigen möchte er alle an den Strick wünschen. Gleichwohl treibt er Aphroditens Werke, sogar mit schamlosester Öffentlichkeit. Ein Vaterland kennt er nicht, er nennt sich Weltbürger. Ja selbst der Gegensatz der Freiheit und Sklaverei berührt ihn nicht und er soll es vordem mit gröfstem Gleichmute ertragen haben, dafs Seeräuber, die ihn gefangen hatten, ihn hierher als Sklaven verkauften. Mit Antisthenes leugnet er die Vielheit der Götter. Die Tempel besucht er nur, wenn ihm der Vorplatz als Nachtquartier gefällt. Opfer will er aus Grundsatz und kann er aus Armut nicht darbringen, und es kann ihm einfallen, dafs er beim Anblick von Priestern, welche einen des Tempelraubs Verdächtigen abführen, dem versammelten Volke zuruft:,,Seht, da führen grosse Diebe einen kleinen!" Er bedauert das ganze Menschengeschlecht als thörichten Haufen, der den ärgsten Lastern ergeben sei, ohne seine Krankheit auch nur zu merken, und er pflegt z. B. die Ruhmsüchtigen kurzweg Dreimenschen zu nennen, weil dies für ihn so viel als dreifach Unglückliche bedeutet. In der Überzeugung, als Seelenarzt die Thorheiten andrer geifseln zu müssen was ihm freilich schon sein Grundsatz der völligen Selbstgenügsamkeit verbieten sollte drängt er sich jedem als lästiger SittenpreWeygoldt, Philosophie der Stoa.

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