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diger auf. Seine nie versagende Gabe des Witzes läfst ihn dabei keine Gegenrede fürchten, sein Gleichmut keine Schläge. Selbst das kann ihn nicht aufser Fassung bringen, dafs man ihm kurzweg den Rücken kehrt; denn er hat sich nicht umsonst im Zwiegespräche mit einer Säule geübt, keine Antwort zu erhalten. Musik, Geometrie, Astronomie und was in diese Gebiete schlägt, verachtet er; gleichwohl ist er gelehrt genug, um lesenswerte Bücher zu schreiben. Seine treffenden, witzigen Antworten sind in ganz Griechenland berühmt und er besitzt die Kunst des Vortrags und der Überredung in dem Mafse, dafs selbst Männer wie Phokion und Stilpon seine Vorträge besuchten und dafs Krates ein nicht unbedeutendes Vermögen hingegeben haben soll, um ihm gleich zu werden.

Eines Tages drängte sich Diogenes ins Theater in dem Augenblick, als nach beendigter Vorstellung alles herausströmte. Gefragt, warum er das thue, erwiderte er, so pflege er es im Leben immer zu halten. Das ist bezeichnend für ihn selbst und die ganze Richtung. Die Kyniker sind absichtliche Querköpfe, die den gewohnten Lauf der Dinge umkehren, um aufzufallen und zum Nachdenken zu zwingen. Natürlich hatte dies seine zwei Seiten. Ihre bedürfnislose Genügsamkeit, ihr Kampf gegen die Weltlust, ihre Offenheit, ihr aufgeklärter, religiöser Sinn, ihr Weltbürgertum, ihr Betonen der Rechte des Individuums gegenüber der Gemeinschaft, das alles war bis zu einem gewissen Grade berechtigt und schön. Allein ihr würdeloses Auftreten, ihre Schamlosigkeit, ihr

Hochmut, der selbst aus ihren Nachlässigkeiten hervorschaute, ihr Hohn auf so vieles, was durch Sitte und Herkommen geheiligt war und worauf das Wohl und der Halt des Ganzen beruhte, kurz die masslose Art, wie sich hier der einzelne der Allgemeinheit gegenüberstellte, das alles war ein so direkter Schlag gegen das damalige Zeitbewusstsein und gegen die Menschenwürde überhaupt, dass wir es nur verstehen, nicht entschuldigen können. Das war nicht mehr der Geist des Sokrates, des mafshaltenden, geistig freien, sittlich hochstehenden, für die Wissenschaft begeisterten, für das Vaterland kämpfenden Mannes, sondern eher die Verwirklichung jenes berüchtigten Satzes des Sophisten Protagoras, dafs der Mensch, nämlich jeder einzelne, zufällige Mensch, sich als das Mass aller Dinge betrachten dürfe. Nun sollen freilich die Kyniker auch aus erzieherischen Gründen übertrieben haben, weil der grosse Haufen, der dem Lustprinzip zuneige, auf das schroffe Gegenteil hingewiesen werden müsse, um so wenigstens zu einem Mittelwege zu gelangen. Und es scheinen in der That die Griechen, weil sie diese Absicht herausfühlten und zugleich die Geradheit und den Geist eines Diogenes und anderer anerkennen mussten, die frechen Verstöfse gegen ihr Schicklichkeitsgefühl ziemlich mild beurteilt zu haben. Gleichwohl dürfte kaum fraglich sein, dafs diese kynische Pädagogik weder in sich selbst berechtigt noch überhaupt klug war. Die Geschichte wenigstens hat deutlich genug gesprochen. Von den Zeitgenossen haben nur aufserordentlich wenige Lust in sich ver

spürt, sich in den Orden der wunderlichen Heiligen einschreiben zu lassen, und als nicht lange nach Krates der edlere Gedankengehalt des Kynismus sich in das ehrbare und wissenschaftlich zugeschnittene Gewand der Stoa hüllte, hörte der Kynismus als solcher bald gänzlich auf.

Erst die Kaiserzeit, die so viele Sekten und Kulte entstehen sah, verlieh auch dem Kynismus eine gewisse Auferstehung. Aber es war nicht mehr die unverfälschte Art eines Diogenes oder Krates. Es fehlte den Söhnen die geistige Frische und jene blendende Ursprünglichkeit, wodurch die Väter sich ausgezeichnet hatten. In einem gehaltlos gewordenen

Zeitalter werden sie selbst gehaltlos und dadurch auch haltlos. Sie suchen den inneren Unwert durch Äusserlichkeiten zu ersetzen und vermögen nur schlecht zu verbergen, dass sie von jeder Art Leidenschaft, namentlich aber von der Erwerbs- und Genufssucht, so sehr beherrscht sind als ihre Umgebung. Zu den edelsten zählt jener Demonax, den uns Lukianos in einer besonderen Monographie als Mann schildert, der sich im allgemeinen an Sokrates halte, an Bedürfnislosigkeit aber Diogenes nahe komme, ohne jedoch dessen Absonderlichkeiten nachzuahmen. Auf gar

manche von den Kynikern dieser Zeit dürfte aber passen, was Lukianos, ihr geistvollster Gegner, in den,,Ausreissern" sagt: „Die ganze Stadt ist erfüllt von dieser Faulenzer bande und hauptsächlich von jenen, die sich Jünger des Diogenes, Antisthenes und Krates nennen und die sich unter das Panier des

Hundes gestellt haben, wiewohl sie die guten Eigenschaften dieses Tieres, seine Wachsamkeit, Häuslichkeit, Anhänglichkeit und Dankbarkeit keineswegs zum Gegenstande der Nachahmung machen, um so vollkommner aber in ihrem Gebelle, ihrer Gefrässigkeit, Stehlsucht, Geilheit und Schmeichelei, sowie im Schwanzwedeln gegen jeden, der etwas giebt, und in ihrer Neigung, um die Tische her zu sein, die Hundenatur darstellen".

III. Zenon und Chrysippos oder die ältere Stoa.

Im Kynismus wurden einige schöne Gedanken. durch hässliche Übertreibungen in dem Grade entehrt, dass sie hätten untergehen müssen, wenn sie nicht des lächerlichen Beiwerkes entkleidet, wissenschaftlich ergänzt und vertieft und in neuer, gefälligerer Form der Menschheit dargeboten worden wären.

Das leistete der Stoicismus.

Wie die meisten grofsen Lehrbildungen, von denen uns die Geschichte Kunde giebt, hat auch der Stoicismus im Laufe der Zeit mancherlei Umbildungen erfahren und wechselvolle Schicksale gehabt. Ich unterscheide drei Perioden desselben, eine ältere, mittlere und jüngere Stoa. Die ältere Stoa, gestiftet durch Zenon und ausgebildet durch Chrysippos, giebt der Ethik den Vorzug vor allen übrigen Wissenszweigen,

läfst aber auch die logische und physikalische Forschung zu ihrem Rechte kommen. Die Ethik selbst ist schroff und kräftig. Die mittlere Stoa neigt schon mehr zur Alleinherrschaft der Ethik, sucht letztere aber nach dem praktischen Bedürfnisse zu mildern. Hier wie auch in den erkenntnistheoretischen und naturwissenschaftlichen Fragen nimmt sie das Recht der Abweichung, ja der Kritik gegenüber der herkömmlichen Schulweisheit in Anspruch und verfällt dadurch dem Eklekticismus. Ihr Hauptvertreter ist Panätios. Die jüngere Stoa, deren Repräsentanten Seneca, Epiktetos und der Kaiser Marcus Aurelius sind, beschränkt sich völlig auf das Gebiet der sittlichen Fragen und zeichnet sich hier durch eine nachsichtige Milde aus, die der älteren, und durch. eine religiöse Sentimentalität, die der mittleren wie der älteren Periode in diesem Grade fremd war. Wir haben es in diesem Abschnitte zunächst mit den Vertretern der älteren Stoa zu thun.

Zenon war der Sohn eines Kaufmannes aus Kittion, einer der neun kyprischen Hauptstädte, die durch die Belagerung des Jahres 449 v. Chr. und durch den Tod Kimons bekannt ist. In der Frage nach seinem Geburts- und Todesjahr und den entscheidenden Wendepunkten seines Lebens gehen sowohl die. Quellen als die neueren Kritiker gänzlich auseinander. Nur wahrscheinlich ist, dafs er um 346 v. Chr. geboren wurde, 324 nach Athen kam, 304 als Lehrer auftrat und 274 als Greis von 72 Jahren starb. Die näheren Umstände, die ihn nach Athen führten und

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