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naturgemässe Leben ist aber identisch mit dem tugendhaften. Folglich ist es nur ein andrer Ausdruck, wenn wir sagen, die Glückseligkeit beruhe auf der Tugend. Wer das eine besitzt, hat auch das andere; beide unterscheiden sich nur wie Ursache und unzertrennlich damit verbundene Folge. Da aber das tugendhafte Leben wieder mit dem vernünftigen identisch ist, so beruht die Tugend letzten Endes auf der Vernunft, dieser alleinigen Grundlage alles sittlichen Handelns. Vermöge dieser ihrer Vernunftbasis ist sie deshalb auch, einmal errungen, nach der Ansicht des Kleanthes unverlierbar, oder, wie Chrysippos meint, nur dann verlierbar, wenn der Mensch infolge von Trunk oder Schwermut um die Klarheit und Ruhe seines Denkens gekommen ist. Die Tugend ist ferner ihrem Wesen nach nur eine. Sie ist auch weder der Vergröfserung noch der Verminderung fähig; man besitzt sie entweder ganz und vollkommen oder gar nicht. Und wie es aufser der Vernunft nur Unvernunft geben kann, aber kein Mittleres, so existiert auch aufser dem Sittlichguten nur noch das Sittlichschlechte, zwischen Tugend und Laster liegt nichts in der Mitte.

Näher betrachtet bietet die Tugend wieder zwei verschiedene Seiten ihres Wesens dar. Sie ist einerseits ein Wissen, eine den Wert der Dinge richtig schätzende Erkenntnis, und insofern stimmt die Stoa mit Sokrates in der Behauptung überein, dafs sie auch lehrbar sei; man sehe dies ja daran, dass schlechte Menschen durch Belehrung gebessert werden. Andrer

seits trägt sie die unveräusserliche Tendenz zur praktischen Bethätigung in sich. Es giebt keine Tugend, die nur thatlose Einsicht wäre. Sie ist eine Erkenntnis, die ein entsprechendes Handeln zur unmittelbaren Folge hat. Mit dem Wissen geht das Wollen unzertrennlich Hand in Hand. Auf diesem Doppelcharakter der Tugend beruht dann auch ihre Einteilung in die vier Kardinaltugenden der Einsicht, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Besonnenheit und die Definition jeder dieser Tugenden. Die Einsicht ist nämlich eine richtige Kenntnis der Güter und Übel und dessen, was dazwischen liegt. Die Tapferkeit ist ein Wissen von dem, was zu ertragen oder nicht zu ertragen ist. Die Gerechtigkeit ist die Einsicht, welche jedem das Seine. nach Gebühr zuerkennt. Die Besonnenheit oder Selbstbeherrschung ein Wissen dessen, was zu wählen oder zu meiden oder keines von beiden ist. Die gegenüberstehenden vier Grundfehler sind dann der Mangel an Einsicht, die Feigheit, die Ungerechtigkeit und die Zügellosigkeit. Sie werden in gleicher Weise wie die Tugenden definiert, nur stellen sie statt des Wissens ein Nichtwissen des jedesmaligen Gegenstandes dar. Sowohl die Tugenden als die Fehler oder Laster zerfallen wieder in Unterarten, z. B. die Tapferkeit in das Ausharren, die Unverzagtheit, die Seelengröfse, den Mut, die Arbeitsliebe. Bei den Tugenden wie bei den Lastern kommt es sehr wesentlich auf unsere Gesinnung an. Nur dann haben wir eine wirklich gute That begangen, wenn es unser ernster und aufrichtiger Wille war.

Wer es mit dem Guten ernstlich meint, der wird es niemals mit dem Bösen leicht nehmen. Wir sehen deshalb auch die Stoa das Kapitel, welches den Ursprung und die Folgen des Bösen bespricht, mit besonderer Gründlichkeit behandeln. Sie führen alle Untugend auf ein Handeln nach Affekten zurück. Die Affekte beruhen aber nicht etwa auf dem Einflusse unserer sinnlichen Natur, sondern auf einer unrichtigen Schätzung des Wertes der Güter und Übel; sie sind Fehler unserer Urteilskraft, denen wir durch die bessere Vernunft widerstehen könnten, aber leider nur zu oft nachgeben. Wie Kant die Sünde aus der Willensfreiheit geboren werden läfst und den Hang zum Bösen damit erklärt, dafs der Mensch unsittliche Maximen in seinen freien Willen aufzunehmen geneigt sei, so hält auch der Stoicismus die Affekte, diese Wurzel des Lasters, für eine Angelegenheit der Vernunft und der Willensfreiheit, nämlich für falsche Vorstellungen, denen wir freiwillig nachhängen und dadurch eine sündhafte Folge geben. Da unser Triebleben aber nur entweder auf Güter oder Übel gelenkt sein kann und da diese Güter und Übel für uns entweder in der Gegenwart oder in der Zukunft liegen, so sind alle Affekte auf vier Grundaffekte zurückzuführen, auf die Lust, die Begierde, die Bekümmernis und die Furcht. Die Lust ist eine unrichtige Schätzung gegenwärtiger Güter, die Begierde eine solche von zukünftigen. Ebenso beruht die Bekümmernis auf falschen Vorstellungen über gegenwärtige Übel und die Furcht auf solchen über zukünftige. Jeden dieser

vier Grundaffekte teilte die Stoa dann wieder in viele Unterarten ein, wobei sie jedoch so äufserlich verfuhr wie bei den Unterarten der Tugenden und Laster. Die Affekte sind, wie Zeller es treffend bezeichnet, ,,Störungen der geistigen Gesundheit und, wenn sie habituell werden, förmliche Seelenkrankheiten". Wir haben ihnen gegenüber nur eine Aufgabe, nämlich die, sie ein für allemal zu verneinen und völlig ohne sie zu leben; denn der kleinste Rest, der noch bestehen bliebe, wäre immer noch ein Übel und deshalb verwerflich. Die Heilung ist aber keineswegs unmöglich; denn die Arznei liegt dort, wo auch das Übel liegt. Entschliefsen wir uns, die tausend Dinge, an denen das menschliche Herz hängt, in ihrer ganzen Wertlosigkeit zu durchschauen, so werden wir mit diesem Augenblick auch von der Leidenschaft für diese Dinge, von den Affekten, befreit sein.

Der Radikalismus der Stoa, den wir oben hinsichtlich des Besitzes der Tugend kennen gelernt haben, tritt ebenso schroff auch im Kapitel von den Affekten hervor. Wir können nur entweder gänzlich in den Affekten befangen oder gänzlich von ihnen frei sein, ein Mittleres giebt es nicht. Zenon teilt daher alle Menschen in zwei Klassen, in absolut schlechte und absolut gute. Weitaus die meisten Menschen sind den Affekten unterworfen; sie sind deshalb moralisch durch und durch schlecht, jeder Sünde hingegeben, keiner rechten Einsicht, keiner guten That fähig, kurz sinnlose,,Thoren" und geradezu Rasende, wie ein bekanntes Paradoxon den Zustand der Schlechten be

zeichnet. Wer umgekehrt sich einer richtigen Schätzung der Dinge erfreut, der ist dem Bereiche der Affekte und damit allen Fehlern und Übeln gänzlich entrückt. Die völlige Affektlosigkeit oder „Apathie" ist deshalb der oberste Vorzug und das eigentliche Kennzeichen des stoischen Weisen. Es giebt zugleich keinerlei abgeleitete Vorzüge oder Tugenden, welche dieser oberste Vorzug der Apathie nicht in sich schlösse. Die Weisen allein sind erhaben über Lust und Begierde, Kummer und Furcht, erhaben also auch über das Erbarmen, den Neid, die Mifsgunst, die Eifersucht, den Schmerz und wie die einzelnen Unterordnungen der vier Grundaffekte alle heissen mögen. Sie allein sind vollkommen frei, während die Thoren elende Sklaven sind. Sie allein sind reich, denn ,,sie sind Merkmal des wahren Reichtums zufrieden; sie begnügen sich mit dem, was sie haben, sie trachten nach nichts, sie entbehren nichts, sie empfinden keinen Mangel, sie vermissen nichts".*) Sie allein sind wahrhaft schön; sie allein Bürger, Redner, Richter, Priester, Feldherren, Könige; sie allein sind über jeden Irrtum erhaben. Ja, sie stehen, weil sie sich selbst völlig genügen und weil die Dauer des Glückes kein Mafsstab für seine Gröfse ist, an Glückseligkeit selbst der Gottheit nicht nach!,,Jupiter", sagt Seneca**) im Sinne seiner ganzen Schule,,,hat allerdings mehr, als er den Menschen gewähren konnte.

und dies ist das mit dem Ihrigen

*) Cicero, Paradoxe der Stoiker VI. 52.

**) 73. Brief.

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