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der Mensch nur durch seine Gesinnung verunreinigen könne und dafs Dinge, wie die erwähnten,,,gleichgültig" seien. Indes sei zur Ehre unserer Philosophen gesagt, dass sie diese theoretisch gebilligten Anstöfsigkeiten keineswegs praktisch werden liefsen. So wissen wir z. B. von Zenon, dass ihn gerade sein Schicklichkeitsgefühl aus der Schule des Krates trieb und dafs er später wegen seiner hochachtbaren sittlichen Führung bei allen Hellenen in gröfstem Ansehen stand. Und selbst Lukianos, dieser unerschöpfliche Feind aller philosophischen Thorheiten, läfst zwischen den Zeilen lesen, dass unter den gleichzeitigen Philosophen die Stoiker wegen ihrer relativ würdigsten Haltung vom Volke am meisten geachtet waren. Die theoretischen Schroff heiten eines Zenon und Chrysippos wurden zudem später auch innerhalb der Schule selbst bekämpft und aufgegeben. So empfiehlt z. B. Seneca *) eindringlichst, dass sich der Philosoph nicht in Äusserlichkeiten, sondern nur durch sein Inneres von der Welt unterscheiden solle, und wenn wir die beiden ersten Bücher Ciceros,,Über die Pflichten" lesen, in denen im allgemeinen der Standpunkt des berühmten Stoikers Panätios wiedergegeben wird, so dürfen wir gestehen, dafs auch wir ohne Gefahr für unser heutiges Kulturleben so ziemlich alles unterschreiben könnten.

So entschieden aber die Stoa auf dem Gebiete der Pflichten des einzelnen dem Kynismus zuneigte,

*) 5. Brief.

so wenig mochte sie dessen schroffe Zurückhaltung gegenüber der Gemeinschaft in ihrem vollen Umfange teilen; denn alles ist, wie Chrysippos lehrt, der Menschen und Götter wegen geschaffen, die Menschen selbst aber der Gemeinschaft und Geselligkeit wegen. Innerhalb des Gemeinschaftslebens steht ihnen aber die Freundschaft am höchsten. Alle Weisen auf der ganzen Welt sind von Natur unter sich befreundet und alle Schlechten sind sich fremd und feind. Nur die Weisen besitzen die Fähigkeit wahrer Zuneigung; sie allein besitzen auch jene unwiderstehliche Liebenswürdigkeit, durch die man verwandte Seelen an sich fesselt. Das alle umschlingende Band ist so innig, dass das tugendhafte Handeln jedes Weisen immer zugleich allen zu gute kommt; wenn irgendwo in der Welt, sagt ein bekanntes Paradoxon, ein Weiser auch nur den Finger auf vernünftige Art bewegt, so haben alle Weisen auf der ganzen Welt Nutzen davon!

Was sodann die Pflichten gegen das Gemeinwesen betrifft, so galt der Grundsatz Zenons:*) „der Weise wird an die Staatsgeschäfte herantreten, sofern ihn nichts verhindert". Da nun die Schwächen der damals bestehenden Staatsformen Abhaltungsgründe genug boten, so sahen sich gerade die älteren Stoiker zu einem Eingreifen in die öffentlichen Angelegenheiten nur wenig ermutigt. Sie hielten überdies auch deshalb zurück, weil sie für ihre Freiheit und Unabhängigkeit fürchteten und weil der Kosmopolitismus

Seneca, von der Musse 30.

ihr höherer Standpunkt und die ganze Welt ihr Vaterland war. Ihr Ideal war eine aus Monarchie, Aristokratie und Demokratie gemischte Staatsform, für welche sie, wie der nächste Abschnitt zeigen wird, in Athen selbst, doch nur zehn Jahre lang, ein bestechendes Muster hatten. So weit dieser Zustand nicht verwirklicht war, gaben sie derjenigen Verfassung den Vorzug, die sie auf der Bahn zur Vollkommenheit begriffen glaubten. Doch wird uns aufser jener Gesandtschaftsreise des Diogenes nach Rom von einer praktischen Beteiligung der älteren Stoiker an den öffentlichen Fragen so gut wie nichts berichtet. Erst im römischen Reiche, dessen Grenzen so ausgedehnt waren, dafs sich die Begriffe des Welt- und Staatsbürgertums so ziemlich deckten, sehen wir einen Cato sich bis zum Selbstmord in die Staatsgeschäfte verwickeln und einen Marcus Aurelius sogar das Scepter des gewaltigen Reiches führen.

Das Verhältnis des stoischen Weisen zur Gottheit, von dem zum Schlusse noch zu sprechen ist, hat einerseits den Charakter der entschiedenen Selbständigkeit, andrerseits den der schrankenlosesten Hingebung. Der Weise ist völlig frei wie der Welt und ihren Gütern so auch Zeus gegenüber. Kraft dieser Freiheit legt er sich sogar das Recht bei, aus eigener Machtvollkommenheit aus dem Leben zu scheiden, sobald die Verhältnisse es ihm rätlich erscheinen lassen. Und in der That haben hervorragende Stoiker, wie Zenon selbst, dann Kleanthes, Antipatros und der jüngere Cato ihrem Leben freiwillig ein Ende

Weygoldt, Philosophie der Stoa.

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gemacht; denn Leben und Tod gehören, wie wir wissen, nach der Auffassung der Stoa zu den gleichgültigen Dingen und die Pflichten gegen das Leben zählen nur zu den sogenannten mittleren, die also nicht unter allen Umständen erfüllt werden müssen. Andrerseits giebt es aber wieder keinen folgsameren Sohn der Gottheit als den Weisen. Er unterwirft sich rückhaltlos und mit unverwüstlichem Gleichmute den Gesetzen des Weltganzen. Und diese Unterwerfung kostet ihn kein Opfer; denn das allgemeine Gesetz ist ja zugleich das Gesetz seiner eigenen Vernunft und kann ihm somit schlechterdings nichts auflegen, was seinem eigenen Willen, seinen eigenen Wünschen widerspräche. Die fatalistische Ergebung des Weisen in den Weltlauf oder, was für die Stoa ganz dasselbe ist, in den Ratschlufs der Gottheit wird zumal von den späteren Stoikern mit allen Farben ausgemalt, deren nur eine echt religiöse Begeisterung fähig ist. Allein auch schon Kleanthes betet:

,,So führe mich, o Zeus und göttliches Geschick, ,,Wohin es mir von euch zu gehn verordnet ist. ,,Ich will euch folgen ohne Zögern; wollt' ich nicht, ,,Wär' ich ein Feigling, aber folgen müsst' ich doch.

VII. Zum Verständnisse der stoischen Ethik und Theologie.

Der Stoicismus zeichnet sich durch gewisse Eigentümlichkeiten aus, die einer besonderen Erläuterung bedürfen. Es sind dies der streng sittliche Mafsstab, der an den Menschen gelegt wird, die schroffe Selbstgenügsamkeit des Weisen, die vornehme Geringschätzung des grofsen Haufens, der Kosmopolitismus und die damit Hand in Hand gehende Abneigung gegen die Beteiligung an den Gemeinde- und Staatsangelegenheiten und endlich der ernste religiöse Zug, der uns überall entgegenweht. Durch die Gesamtheit dieser Merkmale unterscheidet sich der Stoicismus vom gleichzeitigen Skepticismus und Epikureismus; durch sie hat er sich unzählige Feinde und Spötter zugezogen, durch sie sich aber auch den ernster gestimmten Gemütern der griechischen und namentlich der römischen Welt stets aufserordentlich empfohlen. Wie erklären sich diese Eigentümlichkeiten?

Im Geiste des klassischen Griechentums lagen sie nicht.

Um zunächst die religiöse Seite zu berühren, so stellte die heitere Götterwelt, an welche das Volk in seinen besten Zeiten glaubte, weder den unabänderlich starren Willen dar, der uns im Zeus der Stoa entgegentritt, noch verlangte sie die bedingungslose, fatalistische Unterwerfung und Hingabe, die wir als oberstes Merkmal der stoischen Frömmigkeit kennen

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