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immer nur über die menschlichen Dinge, indem er prüfte, was gottesfürchtig sei und gottlos, was schön und hässlich, was gerecht und ungerecht, was Selbstbeherrschung und Mangel derselben, was Tapferkeit und Feigheit, was ein Gemeinwesen und ein Staatsmann."*) Und weil er der erste Philosoph war, der sein Denken diesen Fragen zuwandte, wurde er der Vater der wissenschaftlichen Ethik.

Das Eigentümliche seiner Sittenlehre besteht nun aber darin, dafs er die Tugend in die engste Beziehung zum Wissen brachte. Seine Schlufsfolgerung war etwa folgende: Es giebt kein richtiges Handeln ohne die Einsicht in die Zwecke dieses Handelns. Ist aber diese Einsicht bei einem Menschen vorhanden, so wird er gewifs auch richtig handeln. Das richtige Handeln beruht also auf der richtigen Erkenntnis, die Tugend auf dem Wissen.,,Fromm ist derjenige, welcher weifs, was den Göttern, gerecht derjenige, welcher weiss, was den Menschen gegenüber recht ist; tapfer derjenige, welcher Gefahren richtig zu behandeln weifs; besonnen und weise der, welcher das Edle und Gute zu gebrauchen und das Schlechte zu meiden versteht." **) Tugend und Wissen sind also, genau betrachtet, eines und dasselbe. Und weil das richtige Handeln in allen einzelnen Fällen seiner Bethätigung sich gleich bleibt und gleichermassen auf dem Wissen beruht, so giebt es auch nicht eine Vielheit von Tu

*) Xenophon, Denkw. I. 1.

**) Zeller, Philos. d. Griechen II. a. 120.

genden, sondern alle Tugenden sind nur eine. Als Wissen ist diese eine Tugend dann auch lehrbar. Es liegt auf der Hand, dafs diese Auffassung, welche das Sittlichgute auf ein Wissen und das Schlechte auf ein Nichtwissen zurückführt und folglich die moralische Vervollkommnung als ein durch geistige Arbeit erreichbares Ziel hinstellt, himmelweit abweicht von der Ethik des Christentums, welche unsere Fehler einer angeborenen und oft bewussten Neigung zum Bösen schuldgiebt und die Möglichkeit der Tugend entweder ganz bestreitet oder von der Beihilfe einer übernatürlichen Macht abhängig macht. Auch die wissenschaftliche Ethik unserer gereifteren Zeit wird an den Gedankenreihen ihres ersten Begründers mancherlei aussetzen müssen. Gleichwohl bleibt der hohe sittliche Idealismus unsers Philosophen ewig bewunderungswürdig und wird zumal die Forderung, dass jeder wirklichen Besserung die Belehrung vorausgehen müsse, für die Erziehung der Jugend und des ganzen Menschengeschlechtes stets ihre grosse Bedeutung be

halten.

Für Sokrates selbst war die Idee der sittlichen Vervollkommnung mittelst geistiger Klärung nicht blofs ein theoretischer Satz, sondern ein praktisches Postulat, dem sein ganzes Leben gewidmet war und für das er in den Tod ging. Wir wissen, dass er die Bildungselemente, die gerade seine Zeit und seine Vaterstadt in so reicher Fülle boten, gewissenhaft benützte und in sich aufnahm, dafs er auch einzelne Schriften der älteren Philosophen, so jedenfalls des

Anaxagoras, kannte und dafs er den Umgang mit geistig bedeutenden Männern und Frauen suchte, um dadurch weiser und besser zu werden. Und wenn er die politischen und künstlerischen Bestrebungen seiner Zeit, die in Männern wie Perikles, Pheidias, Sophokles, Euripides so würdig vertreten waren, weniger beachtet zu haben scheint, so lag die Schuld nicht in einer grundsätzlichen Abneigung, sondern in der ausgesprochen praktischen Richtung seines Denkens, welche ihn immer zunächst nach dem thatsächlichen Nutzen fragen liefs. Nützlich erschien ihm aber eine Sache nur dann, wenn sie geeignet war, den Menschen weiser, besser und damit glücklicher zu machen. Er selbst hat sich, um dieses höchsten Lebenszieles teilhaftig zu werden, namentlich um drei Eigenschaften bemüht, um Abhärtung des Leibes, Bedürfnislosigkeit und geistige Freiheit. Und diese Eigenschaften haben ihn in der That glücklich gemacht. Seine durch Abhärtung gefestigte Gesundheit bewahrte ihn vor Siechtum und Tod, als ringsum die Pest wütete, und gestattete ihm, selbst noch in reiferen Jahren sich den Mühsalen des Kriegslebens gefahrlos zu unterziehen. Seine Bedürfnislosigkeit machte ihn. zufrieden mit der aufserordentlichen Spärlichkeit der Glücksgüter, auf welche ihn seine geringe Herkunft angewiesen hatte, und erlaubte ihm, trotz dieser Dürftigkeit doch seine ganze Kraft dem höheren Berufe zu widmen, zu dem er von der Vorsehung auserlesen war. Seine geistige Freiheit endlich befähigte ihn zu besitzen und zu entbehren, zu geniessen und

zu entsagen und so die von allem Wechsel der Dinge unberührte Zufriedenheit und heitere Ruhe zu bewahren, die auf die Mit- und Nachwelt einen so tiefen Eindruck gemacht haben.

So stark aber sein Bedürfnis war, selbst weiser und besser zu werden, so lebhaft war sein Drang, auch andere weiser und besser zu machen. Er knüpfte zu diesem Zwecke auf öffentlichen Plätzen wie bei geselligen Zusammenkünften bald mit diesem, bald mit jenem ein Gespräch an. Dabei,, ging er von einfachen Thatsachen aus, leitete von dem, was ihm bereitwillig zugestanden wurde, ein zweites und ein drittes ab, dem eine gleiche Zustimmung nicht versagt werden konnte, und so bildete sich eine Kette von Sätzen, deren Schlufsglied, so überraschend es auch eintreten mochte, doch schon mit dem ersten Gliede gegeben war."*) Er selbst spielte dabei die Rolle des Suchenden, der selbst nichts weils und erst vom andern lernen will, und in gewissem Sinne war es ihm damit auch ernst, wie sein bekannter Ausspruch beweist, dafs er nichts wisse oder höchstens nur das, dafs er eben nichts wisse. Der Mitunterredner war dadurch von vornherein in die Rolle des Einsichtigen gedrängt, von dem man Mitteilung seiner tieferen Kenntnis erwarten durfte (sokratische Ironie). Allein nach einigen Fragen und Antworten zeigte sich regelmässig, dass auch er nichts wusste, d. h. nichts gründlich genug wusste und dass man erst von der wechsel

*) Curtius, Griech. Gesch. III. 104.

seitigen Erörterung, vom gemeinsamen Lernen hoffen konnte, der Sache auf den Grund zu kommen. Auf solche Weise leitete Sokrates die Zeitgenossen an, das Seichte und Haltlose des landläufigen Denkinhaltes zu durchschauen, das Scheinwissen in das wahre, begriffliche Wissen umzusetzen und so fortgesetzt an ihrer geistigen Vertiefung und sittlichen Veredlung zu arbeiten. Dafs freilich kein Beruf gefährlicher und undankbarer ist als der der Menschenprüfung und Weltverbesserung, sollte leider Sokrates selbst bitter genug erfahren.

Der Mann, der ein Muster von Seelenadel war und dessen Persönlichkeit bei seinen näheren Bekannten einen so gewaltigen und dauernden Eindruck hinterliess, wie wir es ähnlich nur bei Christus kennen, der Mann, der ein ganzes Leben opferte, um seine Mitbürger zum Nachdenken über sich und die Welt, zum geistigen und moralischen Fortschreiten, zur Frömmigkeit gegen die Götter, zur Ehrfurcht vor dem Alter, zur Achtung vor dem Gemeinwesen und seinen Gesetzen, zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Bürgerpflichten anzureizen, dieser gleiche Mann musste im siebzigsten Lebensjahre infolge von Anklagen, die teils gar nicht, teils nicht in jener Zeit berechtigt waren, als Märtyrer der Wahrheit und Menschenliebe den Giftbecher trinken.

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