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Pierter Brief.

[... Der Herr wird Alles zum Besten lenken. Er, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt und der Regierungsrath Karl Streckfuß keinen Vers macht, Er wird das Geschick ganzer Völker nicht der Willkür der kläglichsten Kurzsichtigkeit überlassen. Ich weiß es ganz gewiss, Er, der einst die Kinder Israel mit so großer Wundermacht aus Ägypten führte, aus dem Lande der Kasten und der vergötterten Ochsen, Er wird auch den heutigen Pharaonen seine Kunststücke zeigen. Die übermüthigen Philister wird Er von Zeit zu Zeit in ihr Gebiet zurückdrängen, wie einst unter den Richtern. Und gar die neue babylonische Hure, wie wird er sie mit Fußtritten regalieren! Siehst du ihn, den Willen Gottes? Er zieht durch die Luft, wie das stumme Geheimnis eines Telegraphen, der hoch über unsern Häuptern seine Verkündigungen den Wissen

den mittheilt, während die Uneingeweihten unten im lauten Marktgetümmel leben und Nichts davon merken, dass ihre wichtigsten Interessen, Krieg und Frieden, unsichtbar über sie hin in den Lüften verhandelt werden. Sieht Einer von uns in die Höhe, und ist er ein Zeichenkundiger, der die Zeichen auf den Thürmen versteht, und warnt er die Leute vor nahendem Unheil, so nennen sie ihn einen Träumer und lachen ihn aus. Manchmal widerfährt ihm noch Schlimmeres, und die Gemahnten grollen ihm ob der bösen Kunde und steinigen ihn. Manchmal auch wird der Prophet auf die Festung gesetzt, bis die Prophezeiung eintreffe, und da kann er lange sizen. Denn der liebe Gott thut zwar immer, was er als das Beste erfunden und beschlossen, aber er übereilt sich nicht.

O, Herr! ich weiß, du bist die Weisheit und die Gerechtigkeit selbst, und was du thust, wird immer gerecht und weise sein. Aber ich bitte dich, was du thun willst, thu es ein bisschen geschwind. Du bist ewig und hast Zeit genug und kannst warten. Ich aber bin sterblich, und ich sterbe.]

*) Ich bin diesen Morgen, liebster Freund, in einer wunderlich weichen Stimmung. Der Frühling *) Hier beginnt dieser Brief in der französischen AusDer Herausgeber.

gabe.

wirkt auf mich recht sonderbar. Den Tag über bin ich betäubt, und es schlummert meine Seele. Aber des Nachts bin ich so aufgeregt, dass ich erst gegen Morgen einschlafe, und dann umschlingen mich die qualvoll entzückendsten Träume. O schmerzliches Glück, wie beängstigend drücktest du mich an dein Herz vor einigen Stunden! Mir träumte von ihr, die ich nicht lieben will und nicht lieben darf, deren Leidenschaft mich aber dennoch heimlich beseligt. Es war in ihrem Landhause, in dem kleinen, dämmerigen Gemache, wo die wilden Oleanderbäume das Balkonfenster überragen. Das Fenster war offen, und der helle Mond schien zu uns ins Zimmer herein und warf seine silbernen Streiflichter über ihre weißen Arme, die mich so liebevoll umschlossen hielten. Wir schwiegen und dachten nur an unser süßes Elend. An den Wänden bewegten sich die Schatten der Bäume, deren Blüthen immer stärker dufteten. Draußen im Garten, erst ferne, dann wieder nahe, ertönte eine Geige, lange, langsam gezogene Töne, jezt traurig, dann wieder gutmüthig heiter, manchmal wie wehmüthiges Schluchzen, mitunter auch grollend, aber immer lieblich, schön und wahr . . . „Wer ist Das?" flüsterte ich leise. Und sie antwortete: „Es ist mein Bruder, welcher die Geige spielt." Aber bald schwieg draußen die Geige, und statt

ihrer vernahmen wir einer Flöte schmelzend verhallende Töne, und die klangen so bittend, so flehend, so verblutend, und es waren so geheimnisvolle Klagelaute, dass sie Einem die Seele mit wahnsinnigem Grauen erfüllten, dass man an die schauerlichsten Dinge denken musste, an Leben ohne Liebe, an Tod ohne Auferstehung, an Thränen, die man nicht weinen kann... „Wer ist Das?" flüsterte ich leise. Und sie antwortete: „Es ist mein Mann, welcher die Flöte bläst."

Theurer Freund, schlimmer noch als das Träumen ist das Erwachen.

Wie glücklich sind doch die Franzosen! Sie träumen gar nicht. Ich habe mich genau darnach erkundigt, und dieser Umstand erklärt auch, warum sie mit so wacher Sicherheit ihr Tagesgeschäft verrichten und sich nicht auf unklare, dämmernde Ge= danken und Gefühle einlassen, in der Kunst wie im Leben. In den Tragödien unsrer großen deutschen Dichter spielt der Traum eine große Rolle, wovon französische Trauerspieldichter nicht die geringste Ahnung haben. Ahnungen haben sie überhaupt nicht. Was der Art in neueren französischen Dichtungen zum Vorschein kommt, ist weder dem Naturell des Dichters noch des Publikums angemessen, ist nur den Deutschen nachempfunden, ja am Ende vielleicht

nur armselig abgestohlen. Denn die Franzosen begehen nicht bloß Gedankenplagiate, sie entwenden uns nicht bloß poetische Figuren und Bilder, Ideen und Ansichten, sondern sie stehlen uns auch Empfindungen, Stimmungen, Seelenzustände, sie begehen Gefühlsplagiate. Dieses gewahrt man namentlich, wenn Einige von ihnen die Gemüthsfaseleien der katholisch-romantischen Schule aus der Schlegelzeit jezt nachheucheln.

Mit wenigen Ausnahmen, können alle Franzosen ihre Erziehung nicht verleugnen; sie sind mehr oder weniger Materialisten, je nachdem sie mehr oder weniger jene französische Erziehung genossen, die ein Produkt der materialistischen Philosophie ist. Daher ist ihren Dichtern die Naivetät, das Gemüth, die Erkenntnis durch Anschauungen und das Aufgehen im angeschauten Gegenstande versagt. Sie haben nur Reflexion, Passion und Sentimentalität.

Ja, ich möchte hier zu gleicher Zeit eine Andeutung aussprechen, die zur Beurtheilung mancher deutschen Autoren nüßlich wäre: Die Sentimentalität ist ein Produkt des Materialismus. Der Materialist trägt nämlich in der Seele das dämmernde Bewusstsein, dass dennoch in der Welt nicht Alles Materie

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