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Fünfter Brief.

Mein Nachbar, der alte Grenadier, sigt heute nachsinnend vor seiner Hausthür; manchmal beginnt er eins seiner alten bonapartistischen Lieder, doch die Stimme versagt ihm vor innerer Bewegung; seine Augen sind roth, und allem Anschein nach hat der alte Kauz geweint.

Aber er war gestern Abend bei Franconi und hat dort die Schlacht bei Austerlitz gesehen. Um Mitternacht verließ er Paris, und die Erinnerungen beschäftigten seine Seele so übermächtig, dass er wie somnambül die ganze Nacht durchmarschierte und zu seiner eigenen Verwunderung diesen Morgen im Dorfe anlangte. Er hat mir die Fehler des Stücks auseinandergesetzt, denn er war selber bei Austerlit, wo das Wetter so kalt gewesen, dass ihm die Flinte an den Fingern festfror; bei Franconi

hingegen konnte man es vor Hitze nicht aushalten. Mit dem Pulverdampf war er sehr zufrieden, auch mit dem Geruche der Pferde; nur behauptete er, dass die Kavallerie bei Austerlit keine so gut dressierte Schimmel besessen. Ob das Manöver der Infanterie ganz richtig dargestellt worden, wusste er nicht genau zu beurtheilen, denn bei Austerlitz, wie bei jeder Schlacht, sei der Pulverdampf so stark gewesen, dass man kaum sah, was ganz in der Nähe vorging. Der Pulverdampf bei Franconi war aber, wie der Alte sagte, ganz vortrefflich, und schlug ihm so angenehm auf die Brust, dass er dadurch von seinem Husten geheilt ward. „Und der Kaiser?“ fragte ich ihn. „Der Kaiser," antwortete der Alte, „war ganz unverändert, wie er leibte und lebte, in seiner grauen Kapote mit dem dreieckigen Hütchen, und das Herz pochte mir in der Brust. Ach. der Kaiser," sette der Alte hinzu, „Gott weiß, wie ich ihn liebe, ich bin oft genug in diesem Leben für ihn ins Feuer gegangen, und sogar nach dem Tode muss ich für ihn ins Feuer gehen!"

Den letzten Zusatz sprach Ricou, so heißt der Alte, mit einem geheimnisvoll düsteren Tone, und schon mehrmals hatte ich von ihm die Äußerung vernommen, dass er einst für den Kaiser in die Hölle käme. Als ich heute ernsthaft in ihn drang,

mir diese räthselhaften Worte zu erklären, erzählte er mir folgende entsetzliche Geschichte:

Als Napoleon den Papst Pius VII. von Rom wegführen und nach dem hohen Bergschlosse von Savona bringen ließ, gehörte Ricou zu einer Kompagnie Grenadiere, die ihn dort bewachten. Anfangs gewährte man dem Papste manche Freiheiten; ungehindert konnte er zu beliebigen Stunden seine Gemächer verlassen und sich nach der Schlosskapelle begeben, wo er täglich selber Messe las. Wenn er dann durch den großen Saal schritt, wo die kaiserlichen Grenadiere Wache hielten, streckte er die Hand nach ihnen aus und gab ihnen den Segen. Aber eines Morgens erhielten die Grenadiere bestimmten Befehl, den Ausgang der päpstlichen Gemächer strenger als vorher zu bewachen und dem Papst den Durchgang im großen Saale zu versagen. Unglücklicherweise traf just Ricou das Loos, diesen Befehl auszuführen, ihn, welcher Bretagner von Geburt, also erzkatholisch war und in dem gefan- . genen Papste den Statthalter Christi verehrte. Der arme Ricou stand Schildwache vor den Gemächern des Papstes, als Dieser, wie gewöhnlich, um in der Schlosskapelle Messe zu lesen, durch den großen Saal wandern wollte. Aber Ricou trat vor ihn hin und erklärte, dass er die Konsigne erhalten, den heiligen

Vater nicht durchzulassen. Vergebens suchten einige Priester, die sich im Gefolge des Papstes befanden, ihm ins Gemüth zu reden und ihm zu bedeuten, welch einen Frevel, welche Sünde, welche Verdammnis er auf sich lade, wenn er Seine Heiligkeit, das Oberhaupt der Kirche, verhindere, Messe zu lesen.

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Aber Ricou blieb unerschütterlich, er berief sich immer auf die Unmöglichkeit, seine Konsigne zu brechen, und als der Papst dennoch weiter schreiten wollte, rief er entschlossen: „Au nom de l'Empereur!" und trieb ihn mit vorgehaltenem Bajonette zurück. Nach einigen Tagen wurde der strenge Befehl wieder aufgehoben, und der Papst durfte, wie früherhin, um Messe zu lesen, den großen Saal durchwandern. Allen Anwesenden gab er dann wieder den Segen, nur nicht dem armen Ricou, den er seitdem immer mit strengem Strafblicke ansah und dem er den Rücken kehrte, während er gegen die Übrigen die segnende Hand ausstreckte. „Und doch konnte ich nicht anders handeln," - sette der alte Invalide hinzu, als er mir diese entsetzliche Geschichte erzählte, ich konnte nicht anders handeln, ich hatte meine Konsigne, ich musste dem Kaiser gehorchen; und auf seinen Befehl Gott verzeih mir's!

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hätte ich dem lieben Gott selber das Bajonett durch den Leib gerannt."

Ich habe dem armen Schelm versichert, dass der Kaiser für alle Sünden der großen Armee verantwortlich sei, was ihm aber wenig schaden könne, da kein Teufel in der Hölle sich unterstehen würde, den Napoleon anzutasten. Der Alte gab mir gern Beifall und erzählte, wie gewöhnlich, mit geschwäßiger Begeisterung von der Herrlichkeit des Kaiserreichs, der imperialen Zeit, wo Alles so goldströmend und blühend, statt dass heut zu Tage die ganze Welt so welk und abgefärbt aussieht.

War wirklich die Zeit des Kaiserreichs in Frankreich so schön und beglückend, wie diese Bonapartisten, klein und groß, vom Invaliden Ricou bis zur Herzogin von Abrantes, uns vorzuprahlen pflegen? Ich glaube nicht. Die Äcker lagen brach, und die Menschen wurden zur Schlachtbank geführt. überall Mutterthränen und häusliche Verödung. Aber es geht diesen Bonapartisten wie dem versoffenen Bettler, der die scharfsinnige Bemerkung gemacht hatte, dass, so lange er nüchtern blieb, seine Wohnung nur eine erbärmliche Hütte, sein Weib in Lumpen gehüllt und sein Kind krank und hungrig war, dass aber, sobald er einige Gläser Branntwein getrunken, dieses ganze Elend sich plötzlich änderte, seine Hütte sich in einen Pallast verwandelte, sein Weib wie eine gepußte Prinzessin aussah, und

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