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Nichts mehr dahinter erblicken. Aber seit der Aufführung eines Dramas wie „Edmund Kean“ ist Dumas' Renommée aus ihrer dunklen Verhüllung wieder leuchtend hervorgetreten, und er beurkundete damit aufs Neue sein großes dramatisches Talent.

Dieses Stück, welches sich gewiss auch die

deutsche Bühne zugeeignet hat, ist mit einer Lebendigkeit aufgefasst und ausgeführt, wie ich noch nie gesehen, da ist ein Guss, eine Neuheit in den Mitteln, die sich wie von selbst darbieten, eine Fabel, deren Verwicklungen ganz natürlich aus einander entspringen, ein Gefühl, das aus dem Herzen kommt. und zu dem Herzen spricht, kurz eine Schöpfung. Mag Dumas auch in Äußerlichkeiten des Kostümes und des Lokales sich kleine Fehler zu Schulden kommen lassen: in dem ganzen Gemälde herrscht nichtsdestoweniger eine erschütternde Wahrheit; er versetzte mich im Geiste wieder ganz zurück nach Alt-England, und den seligen Kean selber, den ich dort so oft fah, glaubte ich wieder leibhaftig vor mir zu sehen. Zu solcher Täuschung hat freilich auch der Schauspieler beigetragen, der die Rolle des Kean spielte, obgleich sein Äußeres, die imposante Gestalt von Frederic Lemaitre, so sehr verschieden war von der kleinen unterseßten Figur des seligen Kean. Dieser hatte aber dennoch Etwas in seiner Persön

lichkeit sowie auch in seinem Spiel, was ich bei Frederic Lemaitre wiederfinde. Es herrscht zwischen ihnen eine wunderbare Verwandtschaft. Kean war eine jener exceptionellen Naturen, die weniger die allgemeinen schlichten Gefühle, als vielmehr das Un- ̧ gewöhnliche, Bizarre, Außerordentliche, das sich in einer Menschenbrust begeben kann, durch überraschende Bewegung des Körpers, unbegreiflichen Ton der Stimme und noch unbegreiflicheren Blick des Auges, zur äußeren Anschauung bringen. Dasselbe ist bei Frederic Lemaitre der Fall, und Dieser ist ebenfalls einer jener fürchterlichen Farceure, bei deren Anblick Thalia vor Entsehen erbleicht und Melpomene vor Wonne lächelt. Kean war einer jener Menschen, deren Charakter allen Reibungen der Civilisation trozt, die, ich will nicht sagen aus besserem, sondern aus ganz anderem Stoffe als wir Andern bestehen, eckige Sonderlinge mit einseitiger Begabung, aber in dieser Einseitigkeit außerordentlich alles Vorhandene überragend, erfüllt von jener unbegrenzten, unergründlichen, unbewussten, teuflisch göttlichen Macht, welche wir das Dämonische nennen. Mehr oder minder findet sich dieses Dämonische bei allen großen Männern der That oder des Wortes. Kean war gar kein vielseitiger Schauspieler; er konnte zwar in vielerlei Rollen spielen, doch in

Heine's Werke. Bd. XI.

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diesen Rollen spielte er immer sich selber. Aber dadurch gab er uns immer eine erschütternde Wahrheit, und obgleich zehn Jahre seitdem verflossen sind, sehe ich ihn doch noch immer vor mir stehen als Shylock, als Othello, Richard, Macbeth, und bei manchen dunklen Stellen dieser Shakspeare'schen Stücke erschloss mir sein Spiel das volle Verständnis. Da gab's Modulationen in seiner Stimme, die ein ganzes Schreckenleben offenbarten, da gab es Lichter in seinem Auge, die einwärts alle Finsternisse einer Titanenseele beleuchteten, da gab es Plöglichkeiten in der Bewegung der Hand, des Fußes, des Kopfes, die mehr sagten als ein vierbändiger Kommentar von Franz Horn.

Siebenter Brief.

[Wie Sie wissen, lieber Lewald, ist es nicht meine Gewohnheit, das Spiel der Komödianten, oder wie man vornehm sagt: die Leistungen der Künstler, mit behaglicher Wortfülle zu besprechen. Aber Edmund Kean, dessen ich im vorigen Briefe erwähnte und auf den ich noch einmal zurückkomme, war kein gewöhnlicher Bretterheld, und ich gestehe Ihnen, in meinem englischen Tagebuch verschmähte ich es nicht, neben einer Kritik der weltwichtigsten Parlamentsredner des Tages, auch über das jedesmalige Spiel von Kean meine flüchtigen Wahrnehmungen aufzuzeichnen. Leider ist, mit so vielen meiner besten Papiere, auch dieses Buch verloren gegangen. Doch will es mich bedünken, als hätte ich Ihnen einmal in Wandsbeck Etwas über die Darstellung des Shylock von Kean daraus vorgelesen.

Der Jude von Venedig war die erste Heldenrolle, die ich ihn spielen sah. Ich sage Heldenrolle, denn er spielte ihn nicht als einen gebrochenen alten Mann, als eine Art Schewa des Hasses, wie unser Devrient that, sondern als einen Helden. So steht er noch immer in meinem Gedächtnisse, angethan mit seinem schwarzseidenen Rockelor, der ohne Ärmel ist und nur bis ans Knie reicht, so dass das blutrothe Untergewand, welches bis zu den Füßen hinabfällt, desto greller hervortritt. Ein schwarzer breiträndiger, aber zu beiden Seiten aufgekrämpter Filzhut, der hohe Kegel mit einem blutrothen Bande umwunden, bedeckt das Haupt, dessen Haare, so wie auch die des Bartes, lang und pechschwarz herabhängen und gleichsam einen wüsten Rahmen bilden zu dem gesund rothen Gesichte, worin zwei weiße, lechzende Augäpfel schauerlich beängstigend hervorlauern. In der rechten Hand hält er einen Stock, weniger als Stütze, denn als Waffe. Nur den Ellbogen seines linken Arms stüßt er darauf, und in der linken Hand ruht verrätherisch nachdenklich das schwarze Haupt mit den noch schwärzeren Gedanken, während er dem Bassanio erklärt, was unter dem bis auf heutigen Tag gültigen Ausdruck: „ein guter Mann" zu verstehen ist. Wenn er die Parabel vom Erzvater Jakob und Laban's Schafen erzählt, fühlt

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