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Was hat dir das arme Kind gethan? sah er mich großäugig an und stotterte: „Es ist ja mein Bruder."

Auch in meinem Hause blüht heute Nichts

weniger als der ewige Frieden. Auf dem Korridor höre ich eben einen Spektakel, als fiele eine Klopstock'sche Ode die Treppe herunter. Wirth und Wirthin zanken sich, und Lettere macht ihrem armen Mann den Vorwurf, er sei ein Verschwender, er verzehre ihr Heirathsgut, und sie stürbe vor Kummer. Krank ist sie freilich, aber vor Geiz. Seder Bissen, den ihr Mann in den Mund steckt, bekömmt ihr schlecht. Und dann auch, wenn ihr Mann seine Medicin einnimmt und Etwas in den Flaschen übrig lässt, pflegt sie selber diese Reste zu verschlucken, damit kein Tropfen von der theuren Medicin verloren gehe, und davon wird sie frank. Der arme Mann, ein Schneider von Nation und seines Handwerks ein Deutscher, hat sich aufs Land zurückgezogen, um seine übrigen Tage in ländlicher Ruhe zu genießen. Diese Ruhe findet er aber gewiss nur auf dem Grabe seiner Gattin. Deshalb vielleicht hat er sich ein Haus neben dem Kirchhof gekauft, und schaut er so sehnsuchtsvoll nach den Ruhestätten der Abgeschiedenen. Sein einziges Vergnügen besteht in Tabac und Rosen, und von letteren weiß er die schönsten Gattungen zu ziehen. Er hat diesen

Morgen einige Töpfe mit Rosenstöcken in das Parterre vor meinem Fenster eingepflanzt. Sie blühen wunderschön. Aber, liebster Lewald, fragen Sie doch Ihre Frau, warum diese Rosen nicht duften? Entweder haben diese Rosen den Schnupfen, oder ich.

Achter Brief.

Ich habe im vorlegten Briefe die beiden Chorführer des französischen Dramas besprochen. Es waren jedoch nicht eben die Namen Victor Hugo und Alexandre Dumas, welche diesen Winter auf den Theatern des Boulevards am meisten florierten. Hier gab's drei Namen, die beständig im Munde des Volkes wiederklangen, obgleich sie bis jezt in der Literatur unbekannt sind. Es waren: Mallefile, Rougemont und Bouchardy. Von Ersterem hoffe ich das Beste, er besigt, so viel ich merke, große poetische Anlagen. Sie erinnern sich vielleicht seiner „Sieben Infanten von Lara," jenes Greuelstücks, das wir einst an der Porte Saint-Martin mit einander sahen. Aus diesem wüsten Mischmasch von Blut und Wuth traten manchmal wunderschöne, wahrhaft erhabene Scenen hervor, die von roman

Heine's Werke. Bd. XI.

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tischer Phantasie und dramatischem Talente zeugten. Eine andere Tagödie von Mallefile, Glenarvon," ist von noch größerer Bedeutung, da sie weniger verworren und unklar, und eine Exposition enthält, die erschütternd schön und grandios. In beiden Stücken sind die Rollen der ehebrecherischen Mutter vortrefflich besetzt durch Mademoiselle Georges, die ungeheure strahlende Fleischsonne am Theaterhimmel des Boulevards. Vor einigen Monaten gab Mallefile ein neues Stück, betitelt: „Der Alpenhirt," le Paysan des Alpes. Hier hat er sich einer größeren Einfachheit beslissen, aber auf Kosten des poetischen Gehalts. Das Stück ist schwächer als seine früheren Tragödien. Wie in diesen, werden auch hier die ehelichen Schranken pathetisch niedergerissen.

Der zweite Laureat des Boulevards, Rougemont, begründete seine Renommée durch drei Schauspiele, die in der kurzen Frist von etwa sechs Monaten hinter einander zum Vorschein kamen und des größten Beifalls genossen. Das erste hieß: „Die Herzogin von Lavaubalière," ein schwaches Machwerk, worin viel Handlung ist, die aber nicht überraschend kühn oder natürlich sich entfaltet, sondern immer mühsam durch kleinliche Berechnung herbeigeführt wird, so wie auch die Leidenschaft darin ihre Gluth nur

erheuchelt und innerlich träge und wurmkalt ist. Das zweite Stück, betitelt: „Leon“ ist schon besser, und obgleich es ebenfalls an der erwähnten Vorsäglichkeit leidet, so enthält es doch einige großartig erschütternde Scenen. Vorige Woche sah ich das dritte Stück, „Eulalie Granger," ein rein bürgerliches Drama, ganz vortrefflich, indem der Verfasser darin der Natur seines Talentes gehorcht, und die traurigen Wirrnisse heutiger Gesellschaft mit Verstandesklarheit in einem schön eingerahmten Gemälde darstellt.

Von Bouchardy, dem dritten Laureaten, ist bis jezt nur ein einziges Stück aufgeführt worden, das aber mit beispiellofem Erfolg gekrönt ward. Es heißt „Gaspardo,“ ist binnen fünf Monaten alle Tage gespielt worden, und geht es in diesem Zuge fort, so erlebt es einige hundert Vorstellungen. Ehrlich ge= sagt, der Verstand steht mir still, wenn ich den letzten Gründen dieses kolossalen Beifalls nachsinne. Das Stück ist mittelmäßig, wo nicht gar ganz schlecht. Voll Handlung, wovon aber die eine über den Kopf der anderen stolpert, so dass ein Effekt dem andern den Hals bricht. Der Gedanke, worin sich der ganze Spektakel bewegt, ist eng, und weder ein Charakter noch eine Situation kann sich natürlich entwickeln und entfalten. Dieses Aufeinander

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