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durch allerlei ironische Entrechats und übertreibende Anstandsgesten ihre verpönten Gedanken zu offenbaren, und die Verschleierung erscheint alsdann noch unzüchtiger, als die Nacktheit selbst. Meiner Ansicht nach ist es für die Sittlichkeit von keinem großen Nutzen, dass die Regierung mit so vielem Waffengepränge bei dem Tanze des Volks interveniert; das Verbotene reizt eben am süßesten, und die raffinierte, nicht selten geistreiche Umgehung der Censur wirkt hier noch verderblicher, als erlaubte Brutalität. Diese Bewachung der Volkslust charakterisiert übrigens den hiesigen Zustand der Dinge und zeigt, wie weit es die Franzosen in der Freiheit gebracht haben.

Es sind aber nicht bloß die geschlechtlichen Beziehungen, die auf den Pariser Bastringuen der Gegenstand ruchloser Tänze sind. Es will mich manchmal bedünken, als tanze man dort eine Verhöhnung alles Dessen, was als das Edelste und Heiligste im Leben gilt, aber durch Schlauköpfe so oft ausgebeutet und durch Einfaltspinsel so oft lächerlich gemacht worden, dass das Volk nicht mehr, wie sonst, daran glauben kann. Ja, es verlor den Glauben an jenen Hochgedanken, wovon unsre politischen und literarischen Tartüffe so Biel singen und sagen; und gar die Großsprechereien der Ohnmacht

Heine's Werke. Bd. XI.

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verleideten ihm so sehr alle idealen Dinge, dass es nichts Anderes mehr darin sieht, als die hohle Phrase, als die sogenannte Blague, und wie diese trostlose Anschauungsweise durch Robert Macaire repräsentiert wird, so giebt sie sich doch auch kund in dem Tanz des Volks, der als eine eigentliche Pantomime des Robert-Macairethums zu betrachten ist. Wer von Legterm einen ungefähren Begriff hat, begreift jezt jene unaussprechlichen Tänze, welche, eine getanzte Perfifflage, nicht bloß die geschlechtlichen Beziehungen verspotten, sondern auch die bürgerlichen, sondern auch Alles, was gut und schön ist, sondern auch jede Art von Begeisterung, die Vaterlandsliebe, die Treue, den Glauben, die Familiengefühle, den Heroismus, die Gottheit. Ich wiederhole es, mit einer unsäglichen Trauer erfüllt mich immer der Anblick des tanzenden Volks an den öffentlichen Vergnügungsorten von Paris; und gar besonders ist Dies der Fall in den Karnevalstagen, wo der tolle Mummenschanz die dämonische Lust bis zum Ungeheuerlichen steigert. Fast ein Grauen wandelte mich an, als ich einem jener bunten Nachtfeste beiwohnte, die jezt in der Opéra comique gegeben werden, und wo, nebenbei gesagt, weit prächtiger, als auf den Bällen der großen Oper, der taumelnde Spuk sich gebärdet. Hier musiciert

Beelzebub mit vollem Orchester, und das freche Höllenfeuer der Gasbeleuchtung zerreißt Einem die Augen. Hier ist das verlorne Thal, wovon die Amme erzählt; hier tanzen die Unholden wie bei uns in der Walpurgisnacht, und Manche ist darunter, die sehr hübsch, und bei aller Verworfenheit jene Grazie, die den verteufelten Französinnen angeboren ist, nicht ganz verleugnen kann. Wenn aber gar die Galopp-Ronde erschmettert, dann erreicht der satanische Spektakel seine unsinnigste Höhe, und es ist dann, als müsse die Saaldecke plazen und die ganze Sippschaft sich plötzlich emporschwingen auf Besenstielen, Ofengabeln, Kochlöffeln „oben hinaus, nirgends an!" ein gefährlicher Moment für viele unserer Landsleute, die leider keine Herenmeister sind und nicht das Sprüchlein kennen, das man herbeten muss, um nicht von dem wüthenden Heer fortgerissen zu werden.

Rossini und Mendelssohn.

Paris, Mitte April 1842.

Als ich vorigen Sommer an einem schönen Nachmittag in Cette anlangte, sah ich, wie eben längs dem Quai, vor welchem sich das mittelländische Meer ausbreitet, die Procession vorüberzog, nnd ich werde nie diesen Anblick vergessen. Voran schritten die Brüderschaften in ihren rothen, weißen oder schwarzen Gewanden, die Büßer mit übers Haupt gezogenen Kapuzen, worin zwei Löcher, woraus die Augen gespenstisch hervorlugten; in den Händen brennende Wachskerzen oder Kreuzfahnen. Dann kamen die verschiedenen Mönchsorden. Auch eine Menge Laien, Frauen und Männer, blasse gebrochene Gestalten, die gläubig einherschwankten, mit rührend kummervollem Singfang. Ich war Dergleichen oft in meiner Kindheit am Rhein begegnet,

und ich kann nicht leugnen, dass jene Töne eine gewisse Wehmuth, eine Art Heimweh in mir weckten. Was ich aber früher noch nie gesehen und was nachbarlich spanische Sitte zu sein schien, war die Truppe von Kindern, welche die Passion darstellten. Ein kleines Bübchen, kostümiert wie man den Heiland abzubilden pflegt, die Dornenkrone auf dem Haupt, dessen schönes Goldhaar traurig lang herabwallte, feuchte gebückt einher unter der Last eines ungeheuer großen Holzkreuzes; auf der Stirn grell gemalte Blutstropfen, und Wundenmale an den Händen und nackten Füßen. Zur Seite ging ihm ein ganz schwarz gekleidetes kleines Mädchen, welches, als schmerzenreiche Mutter, mehre Schwerter mit vergoldeten Heften an der Brust trug und fast in Thränen zerfloss ein Bild tiefster Betrübnis. Andere kleine Knaben, die hinterdrein gingen, stellten die Apostel vor, darunter auch Judas, mit rothem Haar und einen Beutel in der Hand. Ein paar Bübchen waren auch als römische Lanzknechte behelmt und bewehrt und schwangen ihre Säbel. Mehre Kinder trugen Ordenshabit und Kirchenornat; kleine Kapuziner, kleine Jesuitchen, kleine Bischöfe mit Inful und Krummstab, allerliebste Nönnchen, gewiss keines über sechs Jahr' alt. Und sonderbar, es waren darunter auch einige Kinder

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