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einander zu setzen, denn da draußen stürmt es wirklich zu laut, und es ist unmöglich, die Gedanken zusammen zu fassen, wenn solche Stürme in der Seele wiederhallen. Ist es doch in Paris sogar an sogenannt ruhigen Tagen sehr schwer, das eigene Gemüth von den Erscheinungen der Straße abzuwenden und Privatträumen nachzuhängen. Wenn die Kunst auch in Paris mehr als anderswo blüht, so werden wir doch in ihrem Genusse jeden Augenblick gestört durch das rohe Geräusch des Lebens; die süßesten Töne der Pasta und Malibran werden uns verleidet durch den Nothschrei der erbitterten Armuth, und das trunkene Herz, das eben Robert's Farbenlust eingeschlürft, wird schnell wieder ernüchtert durch den Anblick des öffentlichen Elends. Es gehört fast ein Goethe'scher Egoismus dazu, um hier zu einem ungetrübten Kunstgenuss zu gelangen, und wie sehr Einem gar die Kunstkritik erschwert wird, Das fühle ich eben in diesem Augenblick. Ich vermochte gestern dennoch an diesem Berichte weiter zu schreiben, nachdem ich einmal unterdessen nach den Boulevards gegangen war, wo ich einen todblassen Menschen vor Hunger und Elend niederfallen sah. Aber wenn auf einmal ein ganzes Volk niederfällt an den Boulevards von Europa dann ist es unmöglich, ruhig weiter zu schreiben. Wenn die Augen des

Kritikers von Thränen getrübt werden, ist auch sein Urtheil Wenig mehr werth.

Mit Recht klagen die Künstler in dieser Zeit der Zwietracht, der allgemeinen Befehdung. Man sagt, die Malerei bedürfe des friedlichen Ölbaums in jeder Hinsicht. Die Herzen, die ängstlich lauschen, ob nicht die Kriegstrompete erklingt, haben gewiss nicht die gehörige Aufmerksamkeit für die süße Musik. Die Oper wird mit tauben Ohren gehört, das Ballett. sogar wird nur theilnahmlos angegloßt. „Und daran ist die verdammte Julirevolution Schuld,“ feufzen die Kürstler, und sie verwünschen die Freiheit und die leidige Politik, die Alles verschlingt, so dass von ihnen gar nicht mehr die Rede ist.

Wie ich höre - aber ich fann's faum glauben

wird sogar in Berlin nicht mehr vom Theater gesprochen, und der Morning Chronicle, der gestern berichtet, dass die Reformbill im Unterhause durchgegangen sei, erzählt bei dieser Gelegenheit, dass der Doktor Raupach sich jetzt in Baden-Baden befinde und über die Zeit jammere, weil sein Kunsttalent dadurch zu Grunde gehe.

Ich bin gewiss ein großer Verehrer des Doktor Raupach, ich bin immer ins Theater gegangen, wenn die Schülerschwänke," oder die Sieben Mädchen in Uniform," oder „Das Fest der Handwerker,"

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oder sonst ein Stück von ihm gegeben wurde; aber ich kann doch nicht leugnen, dass der Untergang Warschau's mir weit mehr Kummer macht, als ich vielleicht empfinden würde, wenn der Doktor Raupach mit seinem Kunsttalente unterginge. O Warschau! Warschau! nicht für einen ganzen Wald von Raupachen hätte ich dich hingegeben !

Meine alte Prophezeiung von dem Ende der Kunstperiode, die bei der Wiege Goethe's anfing und bei seinem Sarge aufhören wird, scheint ihrer Erfüllung nahe zu sein. Die jetzige Kunst muss zu Grunde gehen, weil ihr Princip noch im abgelebten alten Regime, in der heiligen römischen Reichsvergangenheit wurzelt. Desshalb, wie alle welken überreste dieser Vergangenheit, steht sie im unerquicklichsten Widerspruch mit der Gegenwart. Dieser Widerspruch, und nicht die Zeitbewegung selbst, ist der Kunst so schädlich; im Gegentheil, diese Zeitbewegung müsste ihr sogar gedeihlich werden, wie einst in Athen und Florenz, wo eben in den wildesten Kriegs- und Parteistürmen die Kunst ihre herrlichsten Blüthen entfaltete. Freilich, jene griechischen und florentinischen Künstler führten kein egoistisch isoliertes Kunstleben, die müßig dichtende Seele. hermetisch verschlossen gegen die großen Schmerzen und Freuden der Zeit; im Gegentheil, ihre Werke

waren nur das träumende Spiegelbild ihrer Zeit, und sie selbst waren ganze Männer, deren Persön lichkeit eben so gewaltig wie ihre bildende Kraft; Phidias und Michel Angelo waren Männer aus einem Stück, wie ihre Bildwerke, und wie diese zu ihren griechischen und katholischen Tempeln passten, so standen jene Künstler in heiliger Harmonie mit ihrer Umgebung; sie trennten nicht ihre Kunst von der Politik des Tages, sie arbeiteten nicht mit füm-. merlicher Privatbegeisterung, die sich leicht in jeden beliebigen Stoff hineinlügt; Aeschylus hat die Perser mit derselben Wahrheit gedichtet, womit er zu Marathon gegen sie gefochten, und Dante schrieb seine Komödie nicht als stehender Kommissionsdichter, sondern als flüchtiger Guelfe, und in Verbannung und Kriegsnoth klagte er nicht über den Untergang seines Talentes, sondern über den Untergang der Freiheit.

Indessen, die neue Zeit wird auch eine neue Kunst gebären, die mit ihr selbst in begeistertem Einklang sein wird, die nicht aus der verblichenen Vergangenheit ihre Symbolik zu borgen braucht, und die sogar eine neue Technik, die von der seitherigen verschieden, hervorbringen muss. Bis dahin möge, mit Farben und Klängen, die selbsttrunkenste Subjektivität, die weltentzügelte Individualität, die

gottfreie Persönlichkeit mit all ihrer Lebenslust sich geltend machen, was doch immer ersprießlicher ist, als das todte Scheinwesen der alten Kunst.

Oder hat es überhaupt mit der Kunst und mit der Welt selbst ein trübseliges Ende? Jene überwiegende Geistigkeit, die sich jetzt in der europäischen Literatur zeigt, ist sie vielleicht ein Zeichen von nahem Absterben, wie bei Menschen, die in der Todesstunde plötzlich hellsehend werden und mit verbleichenden Lippen die übersinnlichsten Geheimnisse aussprechen? Oder wird das greise Europa sich wieder verjüngen, und die dämmernde Geistigkeit seiner Künstler und Schriftsteller ist nicht das wunderbare Ahnungsvermögen der Sterbenden, sondern das schaurige Vorgefühl einer Wiedergeburt, das sinnige Wehen eines neuen Frühlings?

Die diesjährige Ausstellung hat durch manches Bild jene unheimliche Todesfurcht abgewiesen und die bessere Verheißung bekundet. Der Erzbischof von Paris erwartet alles Heil von der Cholera, von dem Tode; ich erwarte es von der Freiheit, von dem Leben. Darin unterscheidet sich unser Glauben. Ich glaube, dass Frankreich aus der Herzenstiefe seines neuen Lebens auch eine neue Kunst hervorathmen wird. Auch diese schwere Aufgabe wird von den Franzosen gelöst werden, von den Franzosen,

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