miren, das so oft das feinere Ohr beleidigt und die ästhetische Wirkung beeinträchtigt, gründlich beseitigen. Diese Gedichte sind wie zum Deklamiren geschaffen, die Musik ist so sehr in die Rede selber übergegangen, daß sie die musikalische Begleitung nicht mehr brauchen, ja geradezu abweisen. Weil man aber die Jugend viel zu früh die Schiller'schen Romanzen lesen und hersagen läßt, früher, als ein tieferes Verständniß möglich ist, als das Pathos nicht blos im Gefühl, sondern auch im Geist einen Wiederhall findet weil in den „Flegeljahren“ wohl das kräftig ausgeprägte dramatische Leben der Handlung lebhaften Anklang findet, aber, sobald der Reiz der Neuheit vorüber ist, auch das Ernste wieder in's Komische gezogen wird: so ist es nicht zu verwundern, daß gerade durch die Schule die nachhaltige Wirkung der Schiller'schen Romanzen wieder beeinträchtigt wird, indem sie selbige zu früh überliefert oder in ungeeigneter Weise zu grammatischen und stylistischen Uebungen benutzt. Der Mißbrauch hebt aber den Gebrauch nicht auf,`und_das Rechte wird sich mehr und mehr Bahn brechen. Es würde nicht bloß für die ästhetische, sondern auch für die sittliche und nationale Bildung eine empfindliche Lücke geben, für eine tiefer gehende Geistesund Herzensbildung ein nicht wieder gut zu machender Fehler sein, wenn Schiller's Gedichte im Unterricht der deutschen Jugend keine Stelle finden würden. Das haben alle einsichtigen deutschgesinnten Erzieher und Schulmänner auch wohl erkannt und dem Dichter, der wie kein Anderer vor und nach ihm ein Lehrer und Bildner des deutschen Volkes (nicht eines Bruchtheiles vornehmer Geister) geworden ist, in den Herzen ihrer Zöglinge eine freundliche Stätte zu bereiten gestrebt, unbeirrt von dem frivolen Treiben jener negativen Kritiker, die, statt mit wahrhafter, der Eigenthümlichkeit und Größe unseres nationalsten Dichters gerecht werdender Kritik das liebevolle Eingehen in den Geist und Kern Schiller's zu fördern, auf den Wegen der blasirten Gebrüder Schlegel gewandelt sind, aber auch schnell genug das Schicksal dieser Romantiker erfahren haben. Wie alle Meisterwerke überhaupt, werden auch Schiller's Romanzen insbesondere durch ihre positive Wirkung alle negative Kritik zu Schanden machen. V. Der Taucher. 1. „Wer er wagt es, Rittersmann oder Knapp', Zu tauchen in diesen Schlund? Einen goldenen Becher werf' ich hinab, Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund. Wer mir den Becher kann wieder zeigen, Er mag ihn behalten, er sei sein eigen." 2. Der König spricht es und wirft von der Höh' Der Klippe, die schroff und steil Hinausspringt in die unendliche See, Den Becher in den Charybde Geheul. „Wer ist der Beherzte, ich frage wieder, Zu fauchen in diese Tiefe nieder?" 3. Und die Ritter, die Knappen um ihn her Vernehmen's und schweigen still, Sehen hinab in das wilde Meer, Und keiner den Becher gewinnen will. Und der König zum dritten Mal wieder fraget: ,,Ift keiner, der sich hinunter waget ?" 4. Doch Alles noch stumm bleibt wie zuvor; Und blickt in den Schlund hinab, Und ein Schrei des Entseßens wird rings gehört Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült, 9. Und stille wird's über dem Wasserschlund, Und bebend hört man von Mund зи Mund: Und hohler und hohler hört man's heulen, Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen. 10. „Und würfft du die Krone selber hinein Und sprächst: Wer mir bringet die Kron', Mich gelüftet nicht nach dem theuren Lohn. Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß, |