Da tanzen die Elfen auf grünem Land, „Hör' an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir, Zwei goldene Sporen schenk ich dir, „Ein Hemd von Seide, so weiß und fein, Meine Mutter bleicht's mit Mondenschein!“ Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag, Frühmorgen ist mein Hochzeittag! „Hör' an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir, Einen Haufen Goldes schenk' ich dir.“ Einen Haufen Goldes nähm' ich wohl, Und willt, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir, Soll Seuch' und Krankheit folgen dir!" Sie thät einen Schlag ihm auf sein Herz, Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd: Sagt ihr, ich sei im Wald zur Stund', Die Braut hob auf den Scharlach roth, * Göthe hatte in diesem Gedichte bedeutenden poetischen Gehalt in sehr vollendeter Balladenform vor sich, und wie er sein „Heidenröslein" gleichfalls einem Volksliede verdankte, so brauchte er auch hier nur auf dem Gegebenen fortzubauen, um die reinste Form der Kunstpoesie zu gewinnen. Das eigentliche Motiv zu seinem Erlkönig erhielt er aber durch einen Vorfall in seiner Umgebung, so daß er auch hier von einem Erlebten, Anschaulich - Dargebotenen ausgehen fonnte. Es war im April des Jahres 1781, als ein von Jena einige Stunden entfernt wohnender Landmann, dessen Söhnchen gefährlich erkrankt war und nach Aussage der herbeigerufenen Aerzte nicht mehr geheilt werden konnte, den Entschluß faßte, mit seinem kranken Kinde nach Jena zu reiten zu einem berühmten Professor, der vielleicht noch Hülfe schaffen möchte. Er nahm den Knaben wohl eingepackt in seinen Arm und ritt in die Universitätsstadt. Aber auch der dortige Arzt erklärte das Kind für unrettbar, und der bekümmerte Vater nahm es wieder auf sein Pferd und jagte vor dem Gasthofe „zur Tanne" vorüber seinem heimathlichen Dorfe zu. Doch noch ehe er sein Haus erreichte, war der Liebling in seinem Arm schon gestorben. Einige Tage darauf kam Göthe nach Jena, wo man ihm den. traurigen Vorfall erzählte. Er ward davon so ergriffen, daß er in das einsam gelegene Gasthaus zur Tanne" sich zurückzog und im Eczimmer daselbst seinen Erlkönig dichtete. " Wie er das Ueberlieferte und Dargebotene auf originelle Weise ergriff, um es schöpferisch zu gestalten zu einer Ballade, welche in volksthümlicher Ausprägung nicht allein mit dem dänischen Vorbilde wetteifert, sondern in ergreifendem Pathos sie noch übertrifft, welche die abgerundete Form der Kunstdichtung und den lieblichsten Wohllaut der modernen Sprache mit der Naivetät und drastischen Wirkung des Volksliedes auf das glücklichste vereinigt: darin bewährte er auf das glänzendste seinen Dichtergenius. Hören wir nun das Göthe'sche Gedicht. Erlkönig. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern fäufelt der Wind. Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter führen den nächtlichen Reih'n, Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau, ,,Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Dem Vater graufet's, er reitet geschwind, " Göthe hat wie Herder in der Uebersetzung der dänischen Ballade nicht Elfenkönig", sondern Erlenkönig" gesagt. In seinem Singspiele die Fischerin" singt Dorchen diese Ballade bei den Fischerhütten unter hohen Erlen am Flusse". Da nun im Norddeutschen die Erle auch Eller heißt, und in dänischen Liedern oft das Wort " Grube, Aesthet. Vorträge. I. 2 " ellekone, d. i. Elfenweib, vorkommt, so mag dies bei Herder Anlaß zur Verwechslung mit „Erlkönig" gegeben haben. Göthe hat indeß gar nicht so übel daran gethan, dem Herder'schen Erlkönig“ zu huldigen; der philologische Irrthum hat der poetischen Wahrheit durchaus nicht geschadet. Die Erle ist ja ein Baum, der ganz besonders die feuchten sumpfigen Ufer von Fluß und See liebt, die Orte, wo die Nebel in langen Streifen sich hinziehen, und ist somit gleich der Weide ein passender Baum, um die Erscheinung der Elfen zu illustriren. Das unbestimmte geheimnißzvolle Wesen eines Geisterkönigs hat schon durch den Namen „Erlkönig“, durch den Hinweis auf die Residenz im Erlengebüsch, eine bestimmtere Fassung gewonnen, und daß Göthe uns den Elfenkönig, und nicht wie in der dänischen Ballade Erlkönigs Tochter als Hauptperson aus dem Reich der Naturgeister vorführt, ist auch sehr angemessen. Den Sinn des jungen Mannes zu umstricken mußte natürlich eine Elfenjungfrau geeigneter sein, die Phantasie des Kindes hingegen mußte von der Erscheinung des Elfenkönigs in all' seiner Pracht und mysteriösen Herrlichkeit mehr ergriffen werden, und wir finden es sehr natürlich), daß Se. Majestät der Beherrscher des Elfenreiches auch einmal Lust bekommt, sich einen feinen Prinzen aus der Menschenwelt zu holen. Göthe war überdies hier ganz in Uebereinstimmung mit dem Volksglauben, nach welchem es ein Lieblingsgeschäft der Elfen ist (be= sonders in Irland und auch hier und da in Deutschland), Kinder umzutauschen und zu rauben, weshalb auch die Wöchnerinnen sorgfältig bewacht werden mußten und vierzehn Tage lang (so lange dauerte die Macht der Elfen über sie) nicht allein gelassen wurden. Sein guter poetischer Takt bewahrte den Dichter ferner davor, irgend anzudeuten, daß das Kind schon krank war und in bedenklicher Fieberhize phantasirte. Denn mit dieser Andeutung wären wir auf die nackte Wirklichkeit verwiesen, aus dem Gebiet der frei |