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IV. Schiller's Romanzen im Gegensatz zu Göthe's Balladen .

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I.

Nordische Elfenlieder und Göthe's „Erlkönig“.

So sehr in erster Linie der einem Volke eigenthümliche Genius, das schöpferische Vermögen der Einbildungskraft das Entscheidende ist in der Art und Weise, wie der Mensch zu der ihn umgebenden Natur sich stellt und sie dichterisch wiedererzeugt: so ist doch nicht minder hervorzuheben, daß es von der Beschaffenheit der Natur gleichfalls abhängt, wie die Phantasie sich ihre Götter und Dämonen bildet. Im sonnenwarmen und sonnenhellen Klima der kleinasiatischen Küste, der griechischen Halbinsel und Inselwelt, wo die Natur freundlich dem Menschen entgegenkam, ihn zum Herausgehen aus sich aufforderte und seine Thätigkeit förderte, standen auch die Naturgötter und Naturgeister dem Menschen möglichst nahe; sie hatten sein Wesen und seine Gestalt, nur in etwas veränderten Dimensionen und mit Anbequemung an das Element, das sie bewohnten. Wie Berg und Thal, Fels und Baum, Küste und Meerbusen in scharfen Umrissen sich der äußeren Anschauung darstellten, so prägte die griechische Phantasie auch die Dämonen in scharfbestimmter Form. Da die Extreme der Jahreszeit und Witterung das Menschengemüth nicht beunruhigten, so waren die Nymphen, mochten sie nun als Oreaden Grube, Aesthet. Vorträge. I.

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auf Bergen, als Dryaden in Bäumen, als Najaden an Quellen hausen, zarte weibliche Wesen mit dem Charakter der Wohlthätigkeit und Fürsorge, in ihrem Reich zufrieden und befriedigt. Selbst die Riesen und Ungeheuer hatten noch ein ästhetisches Gepräge, das sie nicht allzuweit von menschlicher Art und Bildung entfernte. Im rauhen germanischen Norden hingegen, wo der Mensch von der Natur viel feindlicher berührt wurde, wo ein langer Winter das Gemüth auf sich selber zurückwarf und die heitere Entfaltung des Sinnes für plastische Form und Schönheit, für lichte Klarheit und Schärfe des Umrisses hinderte, da gestaltete die Phantasie unserer Altvordern auch ihre Götter und Dämonen viel starrer und eckiger und dazu viel launischer und phantastischer. Ihre Frühlings- und Herbstnebel zerflossen nicht wie zarter Duft vor der machtvoll aufsteigenden Sonne, sondern boten dem Tagesgestirn Troß; die Ufer ihrer Seen, Flüsse und Sümpfe, von feuchten dichten Wäldern umgeben, hauchten verderbliche Dünste, nicht angenehme Kühlung poseidonischer Fichtenhaine aus, wie unter griechischem Himmel. So besitzen denn auch die nordischen Elben (Elfen) die Kraft, nicht bloß dem Menschen zu nutzen und wohlzuthun, wenn sie auf guter Laune sind, sondern ihm auch zu schaden und den sicheren Tod zu bereiten, indem sie ihn gleißnerisch anlocken zu ihren Tänzen oder ihn verleiten, auf ihre Fragen zu antworten. Ihre Körpergröße schrumpft bis zur Fingerslänge und Daumensdicke zusammen, dehnt sich jedoch auch wieder in's Unbestimmte und Nebelhafte aus. Und welche Kontraste zwischen den weißen lichten Elfen, die so schön gestaltet sind, daß man die weibliche Schönheit nicht wirksamer bezeichnen zu können glaubte als mit dem Ausdruck: sie ist schön wie eine Elbenjungfrau! — und den schwarzen Elben mit dickem Kopf und Höcker, den Zwergen und Kobolden, die in finsteren Erdhöhlen und den Tannen der Berge hauften!

Die Wassergeister (Nixe) erscheinen immer einzeln, die Elben und Bergmännchen in großer Gesellschaft. Die Elben haben ihre Könige und feiern ganz nach menschlicher Weise ihre Hochzeiten mit Aufzügen, Tänzen und Gastmählern. Die, welche auf Hügeln und Grabhöhen der Vorzeit hausen, werden in Schweden Hügelvolk (Hogfolk, Höhenvolk) genannt. Sie zeigen sich in schöner Menschengestalt, und an Sommerabenden, wenn man das Ohr an den von ihnen bewohnten Hügel legt, kann man ihre lieblichen Singstimmen, die in Chören erschallen, hören. Wie der griechische Orpheus mit seiner Leyer und der indische Krischna mit seinem Flötenspiel nicht bloß Götter und Menschen, sondern auch alle Thiere bewegte, so wirkt auch der Gesang dieser nordischen Elfenjungfrauen auf die Fische im Wasser und die Vögel in der Luft. In den von W. Grimm übersetzten „altdänischen Heldenliedern, Balladen und Mährchen“ findet sich ein schönes bedeutsames Lied unter der Aufschrift „Elfenhöh", das wir zuerst mittheilen.

Elfenhöh.

Ich legte mein Haupt auf die Elfenhöh,
Meine Augen begannen zu schlafen,
Da kamen gegangen zwei Jungfraun heran,
Die wollten Rede so gern von mir haben.

(Kehrreim: Seitdem ich sie zuerst geschu!)

Die eine streichelte mir die weiße Wang,
Die andre in's Ohr thät mir flüstern:
„Du, steh' auf, schön junger Knab,
Willt du dich zum Tanze rüsten?“

„Wach auf, schön junger Knab,
Wenn du zum Tanze willt springen,
Meine Jungfraun sollen das Lieblichste,
Das dich lüstet zu hören, vorsingen.“

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