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Der Sammler und die Seinigen.

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Schrecken und Tod entseßlicher als bei den Darstellungen der Niobe?" Dem tritt schroff gegenüber die Ansicht Goethes: „Von allem Entsezlichen, aufrichtig gesagt, sehe ich auch hier nicht das Mindeste. Wo wüten Schrecken und Tod? Hier sehe ich nur Figuren, mit solcher Kunst durch einander bewegt, so glücklich gegen einander gestellt oder gestreckt, daß sie, indem sie mich an ein trauriges Schicksal erinnern, mir zugleich die angenehmste Empfindung geben. Alles Charakteristische ist gemäßigt, alles natürlich Gewaltsame ist aufgehoben, und so möchte ich sagen: Das Charakteristische liegt zum Grunde, auf ihm ruhen Einfalt und Würde; das höchste Ziel der Kunst ist Schönheit und ihre lehte Wirkung Gefühl der Anmut."

Der Schlußsaß deutet die Lösung an. Goethe will durchaus nicht das Charakteristische, das Individuelle aus der Kunst verbannen, er wußte sehr wohl, daß das Schöne ohne das Charakteristische leicht abstrakt, ein leerer Schall werden kann, aber ebensowenig sollte das Charakteristische ohne das Schöne, das Individuelle allein Gegenstand der Kunst sein. Die Darstellung des Typischen, das aber nicht aufgehört hat individuell zu sein, das darzustellen ist das Ziel der Kunst; es wird erreicht durch die Schönheit. Der einseitige rigorose Charakteristiker giebt zu, daß der Bildhauer, der den Adler des Jupiter in Erz darstellen will, sich nicht mit dem Modell eines beliebigen Individuums begnügen wird, sondern daß er die in ihm lebende Idee der Gattung, den Typus darzustellen versuchen muß; aber der Gattungsbegriff ist etwas Abstraktes, das ihn und die Beschauer kalt lassen würde, „er muß zu Individuen zurückkehren, ohne in jene Beschränktheit zurückzukehren und ohne das Bedeutende, das Geisterhebende fahren zu lassen." Hier tritt die Schönheit ein und löst das Rätsel. Sie giebt dem Wissenschaftlichen erst Leben und Wärme, und indem sie das Bedeutende, Hohe mildert und himmlischen Reiz darüber ergießt, bringt sie es uns wieder näher. Ein schönes Kunstwerk hat den ganzen Kreis durchlaufen; es ist nun wieder eine Art Individuum, das wir mit Neigung umfassen, das wir uns zueignen können."

Wir haben die ganze Stelle angeführt. Sie enthält die Lösung der wichtigsten kunsttheoretischen Frage in der Dichtkunst nicht weniger als in der bildenden Kunst, die Goethe und Schiller beschäftigt hat.

Wie sehr Schiller gerade diese Kunstnovelle, die er mit Goethe durchdacht hatte, innerlich beschäftigte, läßt sich auch daraus erkennen, daß Goethe im Juni 1797 im Anschluß an die dort von ihm gegebene Scheidung und Einteilung der falschen und halben Künstler und Kunstliebhaber, mit Schiller gemeinsam eine Arbeit in poetischer Form über den Dilettantismus plante,

„eine gewaltige Sündflut“ gleich den Xenien, ein Strafgericht über die falschen Künstler und Pfuscher. Es ist aber nur bei dem Entwurf mehrerer Schemata zu dieser Arbeit geblieben, von denen sich auch eines in Schillers Nachlaß gefunden hat.

Noch mehr als Schiller war Meyer an Goethes Aufsägen beteiligt; nicht nur daß er in allen technischen und kunstwissenschaftlichen Fragen zu Rate gezogen wurde, auch die kunsttheoretischen grundlegenden Anschauungen, die wir oben entwickelt haben, waren von Goethe zugleich in seinem Namen ausgesprochen worden. In seinen Schriften: Ueber die Gegenstände der bildenden Kunst, Ueber Raffael, Ueber Laokoon, Ueber Lehranstalten zu Gunsten der bildenden Künste u. a., die mit und unter Goethes Beirat entstanden, weht derselbe Geist, dieselbe Verehrung für das Altertum; dieselbe Forderung finden wir hier bei der Darstellung des Allgemein-Menschlichen und Typisch-Symbolischen, wenn sich auch Meyer mehr mit praktischen Fragen über die Technik des Zeichnens, das Kolorit u. a., wie sie seine Stellung als Leiter der Zeichenschule ihm besonders nahe legten, befaßte. So war es denn natürlich, daß Meyer die praktische Seite der Bestrebungen, die Einwirkung auf die zeitgenössische Kunst sich besonders angelegen sein ließ. Vom Jahre 1799-1805 wurden in Weimar von Goethe und Meyer sieben Kunstausstellungen veranstaltet. Man schrieb Preisarbeiten aus, für die bezeichnender Weise meist Gegenstände aus Homer gewählt werden, weil diese die Künstler nötigen, aus ihrer Zeit und Umgebung herauszugehen und auf die einfach hohen und profund naiven Motive aufzumerken, und Bedeutung und Form im höchsten Sinne zu kultivieren." Freilich ging die moderne Kunst über diese Bestrebungen hinweg, freilich waren die Propyläen schon 1800 wieder eingegangen, aber die Kunstfreunde ließen sich dadurch nicht entmutigen. Sie sezen ihre kritische Thätigkeit in der von Schütz in Jena redigierten Allgemeinen Litteraturzeitung" und von 1803 ab in der von Goethe selbst in Jena ins Leben gerufenen Jenaischen Allgemeinen Litteraturzeitung fort, in der nun die Berichte über die Kunstausstellungen und eine große Zahl Goethischer und Meyerscher Kritiken erschienen, meistens mit W. K. F. (Weimarer Kunstfreunde) unterzeichnet.

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Bald sollte auch die Gelegenheit kommen, die Gemeinsamkeit und Einheit der Anschauung in einem größeren Werke zu offenbaren, das sich nicht bloß an die kleine Schar der Abonnenten der Propyläen, sondern an alle Verehrer und Freunde Goethes wandte. „Winckelmann und sein Jahrhundert" hat man mit Recht ein Manifest des Klassizismus“ genannt. Es war natürlich, daß die Freunde diese Kundgebung mit dem Namen des Mannes verbanden, der die Antike von neuem entdeckt hatte und ohne den die Goethische

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Winckelmann und sein Jahrhundert.

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Kunstrichtung gar nicht denkbar war. Nicht als ob Goethe in allem mit Winckelmann übereinstimmte: Hatte doch Winckelmann die moderne Kunst überhaupt verworfen und sie für unfähig gehalten, die griechische Kunst

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nachzuahmen; war es doch Winckelmann garnicht um praktische Verwertung seiner Einsicht in die antike Kunst, sondern nur um ihre Erkenntnis und Verherrlichung zu thun, während Goethes ganzes Streben dahin ging, die

moderne Kunst durch Nachahmung der Antike zu beleben und zu erneuern. Winckelmann blieb bei der Schönheit als Kunstprinzip und verwarf das Charakteristische. Goethe ging über seine Einseitigkeit hinaus, indem er die schwierige Frage der Verbindung des Schönen und des Charakteristischen beantwortete und ihm schloß sich Meyer in seiner Geschichte der Kunst durchaus an. Aber hiervon abgesehen stehen beide Freunde durchaus auf Winckelmannschem Boden, auch in manchen seiner Einseitigkeiten, wie in der Uebertragung der Geseze der Skulptur auf die Malerei oder auf die Kunst überhaupt, von der man auch Goethes Kunsttheorie nicht freisprechen kann. Kam nun dazu, daß Goethe Winckelmann von Jugend auf verehrt hatte und sich des großen Einflusses dieses Mannes immer bewußt geblieben war, so bedurfte es nur eines äußeren Anlasses, nicht eines inneren Grundes zu einem litterarischen Denkmal für den großen Mann. Dieser Anlaß war Goethes Kenntnisnahme von Briefen Winckelmanns an den Schatullier der Herzogin Anna Amalia, Berendis, die nach dessen Tode in den Besitz der Herzogin und dadurch an Goethe gekommen waren. Im August und September 1799 las Goethe die damals bekannten Briefe Winckelmanns und mehrere seiner Schriften, um sich zu einer Ausgabe der Briefe an Berendis vorzubereiten. Aber erst im Jahre 1804 kündigte er in der Litteraturzeitung das Erscheinen von „Ungedruckten Winckelmannischen Briefen“ an. In demselben Jahre veranlaßte er F. A. Wolff zu einer Beleuchtung von Winckelmanns wissenschaftlicher Thätigkeit, und er selbst faßte den Plan zu einer eigenen Biographie, deren Abfassung sich durch seine schwere Krankheit im Frühjahr 1805 verzögerte. So erschien denn in diesem Jahre bei Cotta das Werk unter dem Titel: Winckelmann und sein Jahrhundert. In Briefen und Auffäßen herausgegeben von Goethe. Der Hauptinhalt gliedert sich in die Ausgabe der Briefe an Berendis (von Goethe), den Entwurf einer Geschichte der Kunst im 18. Jahrhundert (von Meyer) und drei Skizzen zu einer Schilderung Winckelmanns, von Goethe nach der allgemein menschlichen, Meyer nach der künstlerischen, F. A. Wolf nach der wissenschaftlichen Seite. Es war das letzte Werk, dessen Vollendung Goethe Schiller angezeigt hat, wenige Wochen vor dessen Tode, am 20. April 1805.

Wenn er in diesem Briefe an Schiller die Hoffnung ausspricht, daß der Leser nichts von den Leiden spüren möge, unter denen er das Buch geschrieben habe, so kann man wohl sagen, daß kaum ein Buch auf der Welt weniger derartige Einflüsse verspüren läßt. Goethe hat es immer verstanden, die Form dem Inhalt anzupassen, die Sprache dem Gegenstande anzugleichen; hierin ist Winckelmann das Meisterstück. Man möchte glauben, Goethe habe der Sprache seines Werkes die edle Einfalt und

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Charakteristik Winckelmanns.

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stille Größe einhauchen wollen. Soll man die Klarheit der Diktion, die Reinheit, Schönheit und Fülle des Ausdrucks mehr bewundern, oder die Leidenschaftslosigkeit und Reife des Stils, der trotz aller Objektivität nicht der wohlthuenden Wärme persönlichen Anteils ermangelt, oder die wunderbare Steigerung der Sprache von den goldenen Weisheitsregeln und Sentenzen, durch die immer wärmer werdende Charakteristik bis zu der ergreifenden, an Schönheit und Herrlichkeit von Goethe nirgends sonst übertroffenen Schilderung des Hingangs"? Wie eine der geliebten antiken Statuen Winckelmanns, ein Idealbild, ein Typus und doch das Individuum, über die Wirklichkeit erhoben und doch wahr, so steht der Held überlebensgroß vor uns; nicht allmählich vor uns entwickelt, sondern wie Athene, ein strahlendes, vollendetes Bild der Schönheit und Kraft aus dem Haupte Juppiters entsprungen. Die Absicht, nur den Menschen zu schildern, nicht ein Gesamtbild Winckelmanns zu entwerfen, gab dem Autor die Möglichkeit, auf die Entwickelung, in deren Darstellung der Selbstbiograph Goethe sich später als Meister zeigte, zu verzichten und von der Höhe aus, rückwärts und vorwärts schauend, das Bild zu vollenden, die einzelnen Züge des Charakters zu vervollkommnen, die Vorzüge preisend zu erheben und die Fehler und Gebrechen aus der Anlage des Charakters und den Einflüssen der Zeit und der Umgebung zu erklären. Aeußerlich haben viele Abschnitte, in die das Werk dadurch zerfiel, etwas Zusammenhangloses, aber den inneren Zusammenhang giebt: was Winckelmann und Goethe miteinander verband und was darzustellen die Tendenz des ganzen Werkes war, die Verherrlichung der Antike, hier ausgesprochen in der Verherrlichung des antik- heidnischen Menschen, dem Goethe sich wahlverwandt fühlte. Was in den prachtvoll schwunghaften Worten zu Anfang als das antike Ideal gepriesen wird: „Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt, dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu dient alle der Aufwand von Sonnen und Planeten und Monden, von Sternen und Milchstraßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen und werdenden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt seines Daseins erfreut?" es wird am Schlusse als in Winckelmann, dem Menschen der modernen Zeit, erfüllt dargestellt: So war er denn auf der höchsten Stufe des Glücks, das er sich nur hätte wünschen dürfen, der Welt verschwunden. Ihn erwartete sein Vaterland, ihm streckten seine Freunde die

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