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erkannt wurden1)? Ist es nicht eine bekannte Thatsache, daß wieder in der späteren Zeit des Mittelalters die Kirchenväter den Stoff zu den Predigten hergeben mußten? Wenn ich nun im folgenden versuche, die Predigten in erster Linie ihrem Inhalte nach untereinander zu vergleichen, so ist dies wohl ein viel mühevolleres Unternehmen, als wenn man einiges Interessante aus den Predigten dieses und jenes Mannes herausgreift, ihn zu charakterisieren; aber es erscheint mir doch als der einzige Weg, auf dem man zum Ziele kommen kann. Eine jede vorhandene Predigt muß für sich beurteilt werden. So nur kann der Stoff zu einer Geschichte der Predigt gewonnen werden, über dessen Fehlen die Sachkenner klagen müssen.2) Nimmermehr darf der Einzelne denken, daß er hier mit seiner Kraft alles leisten könne. Aber wie Bescheidenes ein solcher erster Versuch auch noch zu bieten vermag, er erschließt doch eine Bahn, auf der man zielbewußt fortschreiten kann.

Wollte man unterlassen durch einzelne Peilungen die Gestalt des Meeresgrundes zu untersuchen, weil man ein vollständiges Bild von ihm doch nicht so schnell entwerfen kann, es wäre verkehrt. Jeder hat seine Messungen nur gewissenhaft vorzunehmen, den Ort genau festzustellen, auf die Richtigkeit des Maßes zu halten, dann läßt sich doch wenigstens ein an den untersuchten Stellen zutreffendes Bild entwerfen, das mit Wahrscheinlichkeit einen Schluß auf die dazwischenliegenden Orte gestattet.

Zunächst handelt es sich also um das Maß, nach welchem die einzelnen Predigten miteinander verglichen werden sollen. Bei der Geschichtsschreibung bringt gewöhnlich ein jeder seinen eignen Maßstab mit, nach dem er das Urteil fällt. Vorsichtig verschweigen die meisten

1) Denifle,,,Meister Eckeharts lateinische Schriften" im Archiv für Litteratur und Kirchengeschichte des Mittelalters II, p. 417-615. 1886. Schönbach, A. H. Über eine Grazer Handschrift lateinisch-deutscher Predigten.. Graz, 1890.

2) Bassermann, Zeitschrift für praktische Theologie 1883, II im Artikel: Zur Charakteristik des Origenes als Prediger. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I, 1887. p. 289 in der Anm. 3 zu S. 288.

ihre Norm. Nicht wenige verhüllen sie sogar unter der Versicherung, nur objektiv urteilen zu wollen und alle Tendenz von sich ferne zu halten. Kaum besser ist es, wenn andere unklar oder nichtssagend erklären, daß der oder jener Prediger an dem homiletischen Maßstab der Neuzeit gemessen, wohl nicht bestehen könne, dagegen für seine Zeit ganz Lobenswertes geleistet habe. Man erfährt aber wieder nicht, welches das hohe Maß der Neuzeit ist, an das die Alten nicht hinanreichen, noch welches die Anschauungen der Alten sind, die dem besprochenen Prediger zu einer Anerkennung verhelfen. Wollte man aber auch davon absehen und annehmen, es gäbe wirklich zwei klar auseinander gehaltene Maßstäbe für die Gegenwart und die Vergangenheit, wäre es denn wissenschaftlich berechtigt, sie anzuwenden? Denn die Bemerkung1): „Jedes Zeitalter hat seine eigene Homiletik," kann nimmermehr ein verschiedenes Maß begründen, nach welchem die einzelnen Erscheinungen der Geschichte zu beurteilen sind. Sonst wäre alle Einheit der Geschichtsbetrachtung hier aufgehoben, es sei denn, daß man die Homiletifen der verschiedenen Zeitalter zuvor dargestellt und miteinander verglichen hätte.

Andrerseits fehlt es nicht an Stimmen, die — - nicht etwa aus sich selbst überhebender Predigereitelkeit, sondern in der Erkenntnis, daß ein rechter Prediger ein Stück seines innersten Lebens mit jeder Predigt darbietet, es überhaupt als unmöglich hinstellen, ein gerechtes Urteil über die Predigt zu fällen.) Allein hierbei wird doch das Urteil über die Person des Predigers und das über die einzelne Predigtleistung zusammengeworfen. So gewiß ich z. B.

1) Kirmß im Artikel „Predigtlitteratur und Homiletik“ Protestantische Kirchenzeitung 1887, Nr. 30: p. 688. Vgl. hierzu die Warnung P. Kepplers im Artikel „Zur Passionspredigt des Mittelalters" im historischen Jahrbuch der Görresgesellschaft 1882, p. 182 Anm. 1: „Die Geschichte der Homiletik wird sich überhaupt sehr hüten müssen, die homiletischen Erzeugnisse und Erscheinungen ganz aus ihrer Zeit loszulösen und sie im Absehen von den beeinflussenden Zeitverhältnissen und Zeitbewegungen darzustellen.“

2) Theremin, die Beredsamkeit eine Tugend. Berlin ed. II. 1837 p. XXX.

bei einem dem Inhalte nach ganz richtigen Gebet dem Menschen nicht ins Herz sehen kann, ob er verkehrte Gedanken dabei hat, ob es nur ein Lippenwerk ist, so gewiß ist auch bei dem verkehrten Gebete eines Kindes die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Gott den Beter dennoch gnädig ansieht, gerade um der Einfalt, um der Schwachheit willen, damit die Bitte gesprochen ward. Auch bei einer geringeren Predigtleistung kann vor Gott ein Prediger höher stehen, als der andre, welcher lauter Musterpredigten hält. Damit wird aber der Unterschied nicht aufgehoben, den wir zwischen rechten und verkehrten Bitten, zwischen guten und schlechten Predigten zu machen haben.

Was ist nun der Maßstab, an welchem eine jede Predigt zu prüfen ist? Unter evangelischen Christen ist man darüber doch einig, daß es die Bibel sein muß. Nach dem Bekenntnis unserer Kirche sind die prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neuen Testaments die einige Regel und Richtschnur, nach welcher alle Lehren und Lehrer beurteilt werden sollen."1) Hier ist eine Kritik vom Standpunkt der Bibel aus gefordert, und gewiß kann niemand gerade Predigten gegenüber diesem Maßstabe die Berechtigung absprechen. Wer wollte leugnen, daß die Bibel nicht allen, welche in der christlichen Kirche Predigten verfaßten, mehr oder weniger bekannt gewesen ist und ihnen den Stoff dargeboten, ihnen als Vorbild und Richtschnur gedient hat? Dem Vorwurf, dies sei eine einseitige Beurteilung der geschichtlichen Entwicklung, begegne ich mit dem Hinweise darauf, daß nur der, welcher von einer Seite den Berg anschürft, die Schäße heben kann. Wer von allen Seiten her das Werk in Angriff nähme, der würde seine Kräfte zersplittern und erst viel später, wenn überhaupt zu den in der Tiefe liegenden Adern des edlen Metalles kommen. Ja, eine Objektivität giebt es meiner Überzeugung nach bei der Geschichtsschreibung überhaupt nicht. Das Höchste, was der ehrliche Mann erreichen kann, ist, daß er sich über die Grenzen seiner Objektivität selbst flar wird

1) Form. Conc. Epitome, in initio.

und den Standpunkt, den er einnimmt, für andere deutlich erkennbar macht.

Den Einwand, daß die Bibel doch verschieden ausgelegt werden könne, entkräftet am besten ein Versuch selbst. Wird es dabei ersichtlich, wie es genug Dinge giebt, über welche keine Meinungsverschiedenheit sein kann, ob sie die Bibel lehrt, oder nicht, um ein Urteil über die einzelnen Predigten abzugeben, so ist der Beweis geliefert, daß wir einen ausreichenden Maßstab an ihr haben.

Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Predigten geht nicht darin auf, daß sich in ihnen die Zustände des äußeren Lebens spiegeln. Sie sind Zeugnisse von dem religiösen Leben des Volks. Die Dogmengeschichte stellt uns die Entwicklung der Theologie vor die Augen. Die Geschichte der Predigt zeigt uns die geistliche Nahrung, welche unserem Volke einst geboten wurde, welche es begehrt und in sich aufgenommen hat. Sie zeigt uns, wie die theoretische Arbeit der Wissenschaft in die Praxis des Lebens umgesetzt worden ist.

Mit der Frage nach dem Inhalt hängt daher die nach der Sprache innig zusammen, in welcher die auf uns gekommenen Predigten gehalten worden sind.

Die Zeit liegt längst hinter uns, in der man sich mit der Aussage begnügte, daß vor Luther nur lateinisch und höchst selten einmal deutsch gepredigt worden sei. Eine emsige Arbeit gelehrter Forscher hat schon eine große Zahl von Predigten in deutscher Sprache aus dem Mittelalter bekannt gemacht. Die Aufgabe eine Geschichte der deutschen Homiletik unter Benutzung des von den Philologen zu Tage geförderten Materials“ zu schreiben, stellte den Theologen ein Leyser im Jahre 1838 in der Einleitung zu seinen deutschen Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts."1) Ihr hat sich im Jahre 18462) Carl Schmidt unterzogen in dem

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1) Quedlinburg p. IX.

2) Studien und Kritiken p. 243 – 296.

Auffate: „Über das Predigen in Landessprachen während des Mittelalters." Er benußt vorsichtig den von Leyser nachgewiesenen Stoff und stellt mit großer Sachkenntnis Vergleichungen zwischen den Vorgängen in Deutschland, Frankreich, Italien und England an. Allein, wie oft die schüchterne Äußerung eines gewissenhaften Forschers bald als unumstößliche Thatsache angesehen wird, so ist es auch hier geschehen. Die Frage Schmidts1),,ob man nicht überall und fortwährend in den Mundarten der Völker gepredigt habe," ward durch seine Darstellungen ohne weiteres als mit „Ja!" beantwortet angesehen. Während er doch viele wertvolle Nachweisungen gerade dafür bietet, daß es eine Zeit gab, in welcher die lateinische Predigt allgemein herrschte. Man überhörte ebenso eine fast gleichzeitige Erklärung eines anderen Sachverständigen. Rudolf von Raumer läßt sich in seinem Werke „die Einwirkung des Christentums auf die althochdeutsche Sprache “2) also vernehmen: „Obgleich die besseren Geistlichen den Bestimmungen der Konzile werden nachgekommen sein und gepredigt haben, so muß man zugeben, daß die Predigt unter den Mitteln, die Gemeinde zu leiten, in jenen Zeiten nur eine untergeordnete Stelle einnahm. Das wesentlichste Gebiet der Seelsorgerthätigkeit war damals ohne allen Vergleich die Beichte." Man bekommt von dieser Äußerung den Eindruck, daß ihr Verfasser einen Widerspruch zwischen den Beschlüssen der Konzile und den übrigen ge= schichtlichen Zeugnissen erkannt hat. Seit Rettberg aber in seiner Kirchengeschichte Deutschlands) eine scheinbar erdrückende Menge von Beweisen für die Predigt in der deutschen Sprache beibrachte, ist kein Einspruch gegen die Annahme erfolgt, daß es keine Zeit gab, in der es an einer deutschen Predigt gefehlt hätte. Den ersten Versuch einer Darstellung der „Geschichte der deutschen Predigt vor Luther" unternahm Marbach.4) Eine gründliche Bear

1) p. 244.

2) Stuttgart 1845, p. 254.
3) II. Bd. 1848, p. 773 f.
4) Berlin 1874.

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