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§. 325. Was das Märchen sei, wurde bereits §. 323 auseinandergesetzt. Es verträgt eben so gut die Prosa-, wie die poëtische Form, und zwar vorzüglich aus dem Grunde, weil der Dichter damit eigentlich sich selbst Genüge thun will. Märchendichter ist aber das Volk oder der kindliche Mensch. Das Märchen ist eine Schöpfung der träumerisch spielenden Phantasie, hervorgegangen aus dem Bedürfnis der Phantasie nach diesem Spiel. Der einzelne Mensch, wie das Volk, ergehen sich in ihrer Kindheit in einer Welt des Traumes und schaffen sich da Gebilde, die eben nur im Reich der Träume sich finden; sie schaffen sich dieselben zu ihrer eigenen Freude, zu ihrem eigenen Schmerz; sie leben und weben in diesem ihrem selbstgeschaffenen Stoffe, unbekümmert, in welcher Form derselbe an's Tageslicht tritt, da er überhaupt nicht dazu bestimmt ist. Das Märchen ist ein Lied, das aus einer Welt zu uns herüberklingt, wo Bäume und Sterne singen, wo Thiere Menschen und Menschen Thiere werden, wo die Toten auferstehen, Kinder in Waldeseinsamkeit mit Zwergen, Riesen und wilden Thieren verkehren, kein Gegenstand ohne Seele ist. Aus dem Märchen ist die Novelle hervorgegangen, die sich des Wunderbaren begibt, und für andere, zu anderer Unterhaltung gedichtet wird. Sie erzählt eine Einzelbegebenheit aus dem Leben in derartig kunstmässiger Prosa, daß die Situationen im raschen Wechsel und mit stets steigernder Spannung dem entscheidenden Augenblick, der Katastrophe, zugeführt werden. Der Novellist zeichnet daher seine Charactere nur in genialen Umrissen, wirft nur hie und da ein Schlaglicht auf den Seelenzustand seiner Personen und überläst es der divinatorischen Kraft des Lesers, sich den Gegenstand weiter auszumalen und aus den einzelnen vom Dichter gezeichneten Kraftstrichen selbst ein Zeit- und Lebensbild zu gewinnen.

Anmerkung. Bruchstücke aus einem Roman, und zwar aus „Soll und Haben" von G. Freitag, finden sich Seite 153, 155, 212; Stücke, Novellen entnommen oder mit novellistischem Gewand, Seite 164, 169, 177, 187, 203, 210. Ein Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm finde hier seinen Platz:

Der Hund und der Sperling.

Ein Schäferhund hatte keinen guten Herrn, sondern einen, der ihn Hunger leiden ließ. Wie er's nicht länger bei ihm aushalten konnte, gieng er ganz traurig fort. Auf der Strasse begegnete ihm ein Sperling, der sprach: „Bruder Hund,

warum bist du so traurig?" Antwortete der Hund: „Ich bin hungrig und habe nichts zu fressen.“ Da sprach der Sperling: „Lieber Bruder, komm mit mir in die Stadt, so will ich dich satt machen.“ Also giengen sie zusammen in die Stadt, und, als sie vor einen Fleischerladen kamen, sprach der Sperling zum Hund: „Da bleib stehen, ich will dir ein Stück Fleisch herunter picken," setzte sich auf den Laden, schaute sich um, ob ihn auch niemand bemerkte, und pickte, zog und zerrte so lang an einem Stück, das am Rande lag, bis es herunter rutschte. Da packte es der Hund, lief in eine Ecke und fraß es auf. Sprach der Sperling: „Nun komm mit zu einem andern Laden, da will ich dir noch ein Stück herunter holen, damit du satt wirst." Als der Hund auch das zweite Stück gefressen hatte, fragte der Sperling: „Bruder Hund, bist du nun satt?" „Ja, Fleisch bin ich satt," antwortete er, „aber ich habe noch kein Brot gekriegt.“ Sprach der Sperling: „Das sollst du auch haben, komm nur mit." Da führte er ihn an einen Bäckerladen und pickte an ein paar Brötchen, bis sie herunter rollten, und, als der Hund noch mehr wollte, führte er ihn zu einem andern und holte ihm noch einmal Brot herab. Wie das verzehrt war, sprach der Sperling: „Bruder Hund, bist du nun satt?" „Ja," antwortete er, „nun wollen wir ein Bischen vor die Stadt gehen." Nun giengen sie beide hinaus auf die Landstrasse. Es war aber warmes Wetter, und, als sie ein Eckchen gegangen waren, sprach der Hund: „Ich bin müde und möchte gerne schlafen." „Ja, schlaf nur,“ antwortete der Sperling; „ich will mich derweil auf einen Zweig setzen.“ Der Hund legte sich also auf die Strasse und schlief fest ein. Während er da schlief, kam ein Fuhrmann herangefahren, der hatte einen Wagen mit drei Pferden und hatte zwei Fässer mit Wein geladen. Der Sperling aber sah, daß er nicht ausbiegen wollte, sondern in der Fahrgeleise blieb, in welcher der Hund lag; da rief er: „Fuhrmann, thu's nicht, oder ich mache dich arm." Der Fuhrmann aber brummte vor sich: „Du wirst mich nicht arm machen," knallte mit der Peitsche und trieb den Wagen über den Hund, daß ihn die Räder tot fuhren. Da rief der Sperling: „Du hast mir meinen Bruder Hund tot gefahren, das soll dich Karre und Gaul kosten." „Ja, Karre und Gaul," sagte der Fuhrmann, was könntest du mir schaden!" und fuhr weiter. Da kroch der Sperling unter das Wagentuch und pickte an dem einen Spuntloch so lange, bis er den Spunt losbrachte: da lief der ganze Wein heraus, ohne daß es der Fuhrmann merkte. Und als er einmal hinter sich blickte, sah er, daß der Wagen tröpfelte, untersuchte die Fässer und fand, daß eines leer war. „Ach, ich armer Mann!" rief er. „Noch nicht arm genug," sprach der Sperling und flog dem einen Pferd auf den Kopf und pickte ihm die Augen aus. Als der Fuhrmann das sah, zog er seine Hacke heraus und wollte den Sperling treffen: aber der Sperling flog in die Höhe, und der Fuhrmann traf seinen Gaul auf den Kopf, daß er tot hinfiel. „Ach, ich armer Mann," rief er. „Noch nicht arm genug," sprach der Sperling, und, als der Fuhrmann mit den zwei Pferden weiter fuhr, kroch der Sperling wieder unter das Tuch und pickte auch den Spunt am zweiten Faß los, daß aller Wein heraus schwankte. Als der Fuhrmann es gewahr wurde, rief er wieder: „Ach, ich armer Mann!" Aber der Sperling antwortete: „Noch nicht arm genug, zweiten Pferde auf den Kopf und pickte ihm die Augen aus. Der Fuhrmann lief herbei und holte mit seiner Hacke aus, aber der Sperling flog in die Höhe,

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setzte sich dem

da traf der Schlag das (zweite) Pferd, daß es hinfiel. „Ach, ich armer Mann!" „Noch nicht arm genug," sprach der Sperling, setzte sich auch dem dritten Pferd auf den Kopf und pickte ihm nach den Augen. Der Fuhrmann schlug in seinem Zorn, ohne umzusehn, auf den Sperling los, traf ihn aber nicht, sondern schlug auch sein drittes Pferd tot. „Ach, ich armer Mann!" rief er. ,,Noch nicht arm genug," antwortete der Sperling, „jezt will ich dich daheim arm machen," und flog fort.

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Der Fuhrmann muste den Wagen stehen lassen und gieng voll Zorn und Aerger heim. „Ach,“ sprach er zu seiner Frau, was hab ich Unglück gehabt! Der Wein ist ausgelaufen, und die Pferde sind alle drei tot." „Ach, Mann,“ antwortete sie, „was für ein böser Vogel ist ins Haus gekommen! Er hat die Vögel aus der ganzen Welt zusammengebracht, und die sind droben über unsern Waizen hergefallen und fressen ihn auf." Da stieg er hinauf, und tausend und abermal tausend Vögel sassen auf dem Boden und hatten den Waizen aufgefressen, und der Sperling saß mitten darunter. Da rief der Fuhrmann: „Ach, ich armer Mann!" „Noch nicht arm genug, antwortete der Sperling, „Fuhrmann, es kostet dir noch dein Leben," und flog hinaus.

Da hatte der Fuhrmann all' sein Gut verloren, gieng hinab in seine Stube und setzte sich hinter den Ofen und war ganz bös' und giftig. Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben." Da ergriff der Fuhrmann die Hacke und warf sie nach dem Sperling: aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei und traf den Vogel nicht. Der Sperling hüpfte durch das zerbrochene Fenster herein, setzte sich auf den Ofen und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben." Dieser, ganz toll und blind vor Wuth, schlägt den Ofen entzwei und so fort, wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeräth, Spieglein, Bänke, Tisch und zulezt die Wände seines Hauses und kann ihn nicht treffen. Endlich erwischte er ihn mit der Hand. Da sprach seine Frau: „Soll ich ihn tot schlagen?" "Nein,“ rief er, „das wäre zu gelind, der soll viel mörderlicher sterben, ich will ihn verschlingen," und nimmt ihn und verschlingt ihn auf einmal. Der Sperling aber fängt an, in seinem Leibe zu flattern, flattert wieder herauf, dem Mann in den Mund, da streckt er den Kopf heraus und ruft: „Fuhrmann, es kostet dir doch dein Leben." Der Fuhrmann reicht seiner Frau die Hacke und spricht: „Frau, schlag mir den Vogel im Munde tot." Die Frau schlägt zu, schlägt aber fehl und schlägt dem Fuhrmann gerade auf den Kopf, so daß er tot hinfällt. Der Sperling aber fliegt auf und davon.

§. 326. (Verlauf der epischen Poësie.) Das epische Gebiet der Dichtung lag geraume Zeit ganz brach, und noch bis zum heutigen Tage vermag es nicht den blühenden Zustand wieder zu gewinnen, den es, nach einzelnen Richtungen hin, im Mittelalter gehabt. Beim Beginn der neuen Zeit überwucherten Satyre und Allegorie alle übrigen epischen Dichtungsarten; dann kamen Fabeln und Schwänke an die Reihe. Moralische Erzählungen und Romane folgten später. Von eigentlich

Högelsberger, d. Sprachwissenschaft.

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poëtischem Wert sind aber nur einige epische Dichtungen von Hans Sachs (1494-1576) und Fischart (um 1550). Vor Klopstock († 1803) ist auch nicht ein nennenswerter Epiker aufgetaucht, und diesem Umstande dürfte zum Theil der ungeheure Beifall zuzuschreiben sein, der den ersten Gesängen der Messiade wurde. Wieland, Herder, Göthe, Sonnenberg, Zachariae folgten bald, jeder ein anderes Gebiet des Epos bearbeitend, und in neuester Zeit sind alle epischen Dichtungsarten, mit namhaftem Erfolg aber nur die epische Erzählung in ihren verschiedenen Abarten gepflegt worden. Zu der reinen plastischen Objectivität, welche die epischen Dichtungen Göthe's characterisirt, reicht übrigens kein einziges Dichtungswerk der ganzen deutschen Litteratur hinan, und, wenn selbst auch seine Kraft sich nicht zu dem epischen Idealstyl einer Iliade aufzuschwingen vermochte, so erklärt dieser Umstand allein schon hinlänglich, warum man, an der Dichtung eines wahren Kunstepos verzweifelnd, zu dem Surrogatkunstwerk des Roman's gegriffen und an dessen Vervollkommnung vorzugsweise gearbeitet hat. Romane, wie Gutzkow's Ritter vom Geiste," Freitag's „Soll und Haben," Hack länder's „der moderne Don Quixote" zeigen wohl auf überraschende Weise, welcher Vielseitigkeit diese Dichtung fähig ist, und wie auch in ihr der epische Ton meisterhaft getroffen werden könne; aber das Kunstepos in seiner edelsten Gestalt vermögen sie uns dennoch nicht zu ersetzen. Pyrker's Tunisias" und "Rudolph von Habsburg," Lenau's ,,Albigenser und Savonarola," Schulze's Cäcilie“ und „bezauberte Rose," Eichendorff's Julian" und noch manche andere können nur als Anfänge zum Besseren betrachtet werden.

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C. Die Dramatik.

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§. 327. Das Drama vereinigt in sich das epische und lyrische, das objective und subjective Element in einer durchaus neuen Gestalt. Wohl enthüllt es uns das Innere der Menschen, die Gemüthsstimmung, aus der ihre Handlungen hervorgehen, und steht insofern auf lyrischem Gebiet; wohl schildert es uns gleich dem epischen Gedicht die Außenwelt in ihrer Veränderung durch die That der Menschen; aber weder die Gemüthsstimmung noch die Außenwelt sind das eigentliche Lebenselement

des Drama's, sondern eben die That oder Handlung, die sich aus der Gegenwart heraus nach der Zukunft hin entwickelt. Auch es stellt eine fortlaufende Reihe von Veränderungen dar, wie das Lied und das Epos; aber im Lied ist der Dichter selbst das, diese Veränderungen tragende, Verbindungsglied, und, wenn auch sowohl im Epos als im Drama andere Personen die Träger dieser Kette sind, so stellt doch im ersteren der Dichter selbst die äußerliche Verknüpfung derselben her, während im Drama die Personen innerlich die Gliederung derselben bis zu Ende führen. Der Lyriker verweilt in seiner Innerlichkeit, der Epiker entwickelt von außen nach innen, der Dramatiker von innen nach außen. Im Lied ist der Dichter sein Sänger, im Epos besingt er andere, er berichtet von andern, im Drama hingegen tritt er ganz zurück und läst die Person sich selbst vertreten. Wenn nun gleich im Drama das lyrische und epische Element zu einem neuen, von ihnen verschiedenen, Gebilde sich durchdrungen haben, so kommen sie doch auch selbständig in demselben zur Geltung. Das Lyrische, Epische und Dramatische sind ja Dichtungsformen, und ein und dasselbe poëtische Werk kann und wird in den meisten Fällen alle drei Formen in sich einschließen. Nicht alles kann auf der Bühne dargestellt, vieles muß erzählt werden, und so wird die Form der Erzählung zur Geltung kommen müssen. Der Dichter kann aber nicht willkürlich zu derselben greifen, sondern nur dann, wenn das zu Erzählende den Fortgang der Handlung wesentlich fördert; da außerdem nicht er selbst erzählt, sondern eine Person des Drama's, die dabei ihren Character nicht verläugnen kann, so wird das Colorit der Erzählung ein anderes sein, als das im Epos. Was nun die lyrische Form anbelangt, so ist sie gewissermassen in der dramatischen latent und muß es auch bleiben. Im lyrischen Gedicht läst der Dichter sein gegenwärtiges Fühlen, Thun und Lassen und zwar für sich austönen, im dramatischen läst er andere das, was in ihrem Innern vorgeht, die Stimmung ihres Gemüthes, angeregt oder anregend, und zwar für andere ausdrücken; daher die enge Beziehung zwischen Lyrik und Drama, so daß wir behaupten können, die dramatische Form habe sich an der lyrischen großgesäugt und könne auch in ihrer Selbständigkeit diese ihre innige Beziehung zu derselben nicht verläugnen. Die Stimmungen der Personen dürfen übrigens nie in einer bestimmten lyrischen Form

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