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II. Qain.

1. Qains Persönlichkeit.

Obwohl Qain in der Genesis als Adams Sohn bezeichnet wird, so scheint das von ihm Erzählte doch in keinem sonderlichen Zusammenhang zur Adamsgeschichte zu stehen und letztere mit 3, 24 eigentlich abgeschlossen zu sein. Dies verhält sich auch wirklich so hinsichtlich der Haupterzählung vom weggejagten Gärtner, nicht aber der in dieselbe hineinverwobenen Stelle Gen. 3, 15, mit der bei genauerem Zusehen die Qainsage aufs innigste verknüpft ist, so daß die Behandlung der Adamsage zu ihrer Vollständigkeit die des Qainmythus durchaus erfordert.

Auch bei Qain steht mir fest, daß er ursprünglich, so gut wie Adam, ein Mondheros ist. Die Beweise dafür haben sich noch bis ins christliche Mittelalter, ja bis in den Volksglauben der Gegenwart herein erhalten. Erfahren wir doch aus Dantes göttlicher Komödie, daß man einst glaubte, im Monde den Qain mit einem Dornbusch zu sehen. Inferno 20, 124-27 heißt es nämlich:

Jetzt aber komm; schon nach dem Meeresschlauch
Jenseits Sevilla sinkt um diese Stunde

Zum andern Halbrund Qain und sein Strauch

Und gestern Nacht schon war des Mondes Runde1

1) Ma vienne omai, che già tiene il confine

D'amenduo gli emisperi, e tocca l'onda

Sotto Sibilia Caino e le spine

E già iernotte fù la luna tonda.

Die Übersetzung ist von Gildemeister.

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und Paradiso 2, 49-51:

Ihr aber wollet mir die Flecken deuten

An diesem (nämlich des Mondes) Körper, derenthalben man Von Qain fabeln hört bei vielen Leuten 1.

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Nach den Erklärern glaubt das Volk noch heutigen Tags in einigen Gegenden Italiens, daß die Flecken des Mondes das Gesicht Qains bedeuten und die lichten Stellen eine Gabel voll brennender Dornen 2. Auch griechische Sagen lassen uns erkennen, daß die Zusammengehörigkeit Qains und des Mondes heute noch im Bewußtsein des Volkes lebendig ist. Wie N. G. Politis berichtet, sind die im Monde sichtbaren Schatten nach peloponnesischen Sagen ein Baum, den der Versucher (Пgaouós d. h. der Teufel) oder nach anderen, ebenfalls peloponnesischen Sagen Qain das ganze Jahr hindurch mit seiner Axt umzuhauen sucht, damit durch seine Zerstörung auch die Erde vernichtet werde. Wenn er aber nahe am Ziel seiner Anstrengungen ist und nur noch ein Streich nötig ist, um sein höllisches Werk zu vollenden, so setzt er sich ganz müde und ermattet hin, um einen Augenblick zu rasten, oder um in die Hände zu spucken, bevor er aufs neue zuhaut, so wie es die Holzmacher machen: dann richtet sich der Baum wieder in riesiger Größe auf" - dies eben scheint der hier als Baum gedachte Mond bei seinem Wiedersichtbarwerden zu tun,und der Teufel muß seine Arbeit wieder von vorne beginnen." „Diese Sage ist," fährt Politis fort, offenbar eine Variante der Legende von dem Baume, der die Erde trägt und den die Kallikantzari, welche

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1) Ma ditemi, che son li segni bui

Di questo corpo, che laggiuso in terra
Fan di Cain favoleggiare altrui?

Vgl. dazu den brennenden Dornbusch Exod. 3, 1 ff., der indes dort - weil er nicht verbrennt, was vom Mond nicht wohl gesagt werden konnte ein Bild für die Sonne sein muß. - 3) „Der Mond in Sage und Glaube der heutigen Hellenen" im Anhang zu Roscher, Über Selene und Verwandtes S. 173. 89. 4) Man beachte dieses Schwanken der Sage zwischen Qain und dem Teufel und erinnere sich an das von mir über die Genesis des

Teufelsglaubens Bemerkte. - 5) Vgl. die zerstörenden Tiere an der Esche Yggdrasil; vielleicht gehört auch der Ausspruch Jesu Matth. 3, 10; Luk. 3, 9 ursprünglich diesem Vorstellungskreis an.

anderswo in Griechenland auch Kaides (plur.; Kaïs-Kain sing.) genannt werden, umzusägen suchen, welches Werk sie in den Zwölften (25. Dez.-6. Jan.) unterbrechen." Eine andere in Griechenland verbreitete Version der Qainsage, die Politis durch private Mitteilung erfuhr, lautet: „das, was da im Mond zu sehen ist, das ist der Qain, der verdammt ist, die Gebeine seines Bruders in einen Korb ohne Boden zu legen. Dann wird seine Qual voll sein, wenn der Korb voll ist. Wenn er nun sieht, wie die Gebeine aus dem Korb herausfallen, so brennt er. Es brennt ihn auch die Glut des Mondes und macht ihn schwarz." Der Korb ohne Boden ist natürlich der Mond selbst, der im Vollmond kaum gefüllt, sich alsbald wieder zu leeren beginnt. Das Schwarzwerden Qains aber ist gleichbedeutend mit der Verfinsterung des Mondes1.

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Die angeführten, mittelalterlichen und neuzeitlichen Volksmeinungen über Qain führen uns von selbst zum richtigen Verständnis der älteren Angaben über ihn. In der Apokalypse Mosis (§ 1) heißt er Adiaphotos, der Nichtbeleuchtete, nach anderer, wohl ursprünglicherer Lesart auch Diaphotos der Beleuchtete, beides Eigenschaften, die gleichzeitig wohl nur vom Mondwesen ausgesagt werden können. Nach Nach dem „Leben Adams und Evas" (§ 19) ist Qain bei seiner Geburt lichtvoll und läuft gleich fort, bringt - als künftiger Ackerbauer in seinen Händen einen Halm und gibt ihn seiner Mutter. Eben dieser Zug wunderbar schnelles Wachsen und Sichentwickeln der Kräfte kann eigentlich nur von der Anschauung des Mondes genommen sein und kommt, mannigfach variiert, bei allen möglichen, mythischen oder halbmythischen Persönlichkeiten vor. Der

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1) Ähnlich gibt es eine Sage bei den Indianern, wonach im Mond ein Weib sitzt, das einen Korb flicht. Mit der Vollendung desselben müßte die Welt untergehen, wenn nicht während der Verfinsterungen ein Hund mit dem Weibe kämpfen und den Korb beständig zerreißen würde (Peschel, Über den Mann im Monde a. a. O. 330). Die Sage erinnert insofern auch an die erste der beiden oben angeführten neugriechischen Qainsagen, als sie in enger Verbindung steht mit der Idee vom Weltuntergang; der Unterschied ist nur der, daß bei den Griechen dieses Ereignis mit der Mondverfinsterung, bei den Indianern mit dem Vollmond erwartet wird. Vgl. hierzu auch meine Sintflutsage ARW VI, 60 f.

neugeborene Noah richtet sich zwischen den Händen der Hebamme auf und öffnet seinen Mund, um den Herrn der Herrlichkeit zu preisen 1, Indra trinkt gleich nach seiner Geburt 30 Seen aus, treibt der Sonne Rad, tötet den Drachen usw., Apollon erlegt den Drachen Python am vierten Tag nach seiner Geburt, Herakles erwürgt in der Wiege die von Hera gegen ihn ausgesandte Schlange, Odins Sohn Wali rächt, eine Nacht alt, seinen Bruder Baldr, Buddha tut gleich nach seiner Geburt nach allen Himmelsrichtungen 7 Schritte und verheißt den Wesen Erlösung und Zoroaster lachte nach seiner Geburt 8.

2. Qain und Abel.

Was die in Gen. 4 erzählte Geschichte Qains betrifft, so ist sie aus mindestens zwei ohne Zweifel aber sind es mehr Quellen zusammengeflossen. Die eine, die wir zunächst ins Auge fassen, enthielt die Darstellung von Abels Ermordung. Sie geht jetzt von v. 2 bis vielleicht v. 12, mit Ausschluß, wie sich zeigen wird, von 5b-7; wahrscheinlich gehört aber auch schon 10-12 ursprünglich einem anderen Zusammenhang an und ist erst später in die Abelgeschichte hineingearbeitet worden.

Diese Erzählung von der Tötung Abels durch seinen Bruder Qain ist so wie sie dasteht, ein ziemlich unklarer und stark abgeblaßter Mythus. Man vermißt vor allem eine Angabe des Grundes, warum das Opfer Abels Gnade in Jahwes Augen fand, das Qains nicht. Auch ist im hebräischen Text ausgefallen, was in v. 8 Qain zu Abel sagte.

1) Ath. Hen. 106.

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) Vgl. Siecke, Indras Drachenkämpfe, Progr. 1906 S. 5 f. ') Noch überboten werden die oben angeführten Sagen durch die von den sich schon im Mutterleib balgenden Zwillingen Esau und Jaqob (Gen. 25, 22 f.), oder Akrisios und Proitos, den Söhnen des Abas, Königs von Argos (Apollodor II, 2, 1). 4) Werner Moser kommt daher in seinem Aufsatz „Die Kainsage in ihrer ursprünglichen Form" (Nord und Süd 1903) zu der Vermutung, an Stelle Jahwes sei in v. 3-8 ursprünglich die Schwester Qains und Abels gestanden, die beide zum Weibe begehrten und sich durch Geschenke geneigt zu machen suchten. Diese Annahme will mir indes wenig

Mytholog. Bibliothek 1, 2/8.

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Der Name Abel (Hebhel) wird gewöhnlich = Hauch, Nichtigkeit gedeutet. In diesem Fall müßte man fast vermuten, daß er erst nachträglich aus der Geschichte seines frühen Todes abstrahiert wäre. Doch könnte der Name auch den Windgott bezeichnen. Da gerade der Mond gern als Ursprungsstätte des Windes aufgefaßt wurde 1, so würde auch ein Windgott Abel zu dem von uns als Mondgott festgestellten Qain als Bruder wohl passen. Der Eigenname Qain wird nach dem Syrischen und Arabischen ,,Schmied" bedeuten, so daß sein Träger in die große Zahl der sonstigen göttlichen Schmiede (Twaštar, Daidalos, Hephaistos, Kaweh, Mime, Wölundr usw.) gehören würde. Doch werden wir über diese Seite Qains erst weiter unten zu reden haben. In der QainAbelsage spielt sie keine Rolle. Im Gegenteil ist der Schmied verdrängt durch den Ackerbauer: ein Zeichen, daß die Sage verhältnismäßig späteren Ursprungs ist.

Immerhin mögen Elemente eines Mondmythus in ihr stecken. Wenn Qain Ackerbauer, Abel Hirte ist, so ist daran zu erinnern, daß der Mond ebensowohl Herr der Pflanzen, wie Herr des Viehes ist, wie denn auch Adam und Noah beide Rollen in sich vereinigen. Ferner ist der Mond der erste Opferer (vgl. Manuš, Jama, Noah usw.): das Opfer, das er bringt, ist er selbst. Auch würde die spätere Angabe sich nicht schlecht in den Rahmen eines Mondmythus fügen, wonach dem Qain ein Hagel, der wie Feuer brannte, das Gesicht zerschlug, so daß er schwarz blieb, während auf den opfernden Abel ein verklärendes Licht vom Himmel fiel und ein leuchtender Schatten das Opfer wegnahm, ebenso die andere, daß Gott auf das Opfer Abels Feuer fallen ließ, auf das Qains nicht 3. Beidemal wäre das Opfer Qains wohl der sich verdunkelnde, das des Abel der wieder belichtete Mond, und Jahwe erschiene als Sonnengott. Fragen wir nach dem Werkzeug, mit dem Qain den Brudermord vollbrachte, so einleuchten. Die Art der Geschenke läßt sie doch wirklich mehr für Opfer, denn für Gaben der Liebe geeignet erscheinen. 1) Über die Herleitung des Windes von den Gestirnen s. meine Sintflutsage ARW VI, 97 ff. — 2) Apokr. gnost. Adamsschriften aus dem Arm. übers. v. Preuschen 4, 5. $) So der Kommentator Raschi 11. Jahrh. n. Chr. -z. St., s. Rahmer, Die hebräischen Traditionen in den Werken des Hieronymus 1861 S. 18.

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