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Es bleibt nur die Annahme, daß etwas ausgefallen ist. Es muß erzählt gewesen sein, wie zuerst die göttliche Drohung sich wirklich erfüllte und Adam in einen tiefen, todähnlichen Schlaf fiel, ähnlich wie etwa Schneewittchen nach dem Genuß des Apfels oder das von der Spindel verletzte Dornröschen. Darauf aber bewahrheitete sich auch die Prophezeiung der klugen Schlange: „Du wirst mit nichten des Todes. sterben". Nach Verfluß einer gewissen Zeit taten sich. die Augen Adams - die, damit dies geschehen konnte, doch notwendig vorher geschlossen gewesen sein mußten, wieder auf und er wurde gewahr, daß er nackt war usw. Höchst wahrscheinlich aber hat die Schlange dem Adam nicht bloß das Wiederaufwachen vorausgesagt, sondern es selber bewirkt. Wie? Das kann uns vielleicht das Märchen vom „Bauernsohn, der König ward" sagen 1. Derselbe machte die blinde. Königstochter sehend, indem er von einer wunderbaren Pappel die beiden besten Blätter abbrach, die zuerst ausschlugen und sie 24 Stunden lang der Königstochter auf die Augen legte. Dazu vergleiche man das verwandte Märchen von dem jungen Könige, der seine tote Gemahlin wieder zum Leben erweckt, indem er ihr drei grüne Blätter auf Mund und Augen legt, nachdem er vorher gesehen, wie eine Schlange eine andere von ihm getötete mit Hilfe eben jener Blätter wieder lebendig gemacht hatte. Auch nach dem Glauben der Griechen war die Schlange im Besitz des Tote belebenden Krautes. So ist denn zu vermuten, daß in der Urgestalt unsrer Sage die Schlange von eben dem Baum, der für Adam zunächst ein Baum des Todes geworden war, auch ein Blatt oder einen Zweig nahm, die Augen des Toten damit berührte und ihn so zum Leben erweckte. Dafür, daß diese Ver

1) Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer SchleswigHolstein und Lauenburg S. 427. — 2) Vorher hatte er unter den Wurzeln des Baumes zwei Edelsteine und ein goldenes Buch ausgegraben. Die Steine steckte er in seine Tasche und von Stund an wurde er so klug und weise, wie kein Mensch auf Erden noch gewesen ist und er konnte alle geheimen Schriften lesen, die in dem goldenen Buche standen. - 3) Die drei Schlangenblätter. Grimm KHM N. 16. 4) Vgl. die Glaukossage Apollod. 3, 19 und Gruppe a. a. O. 1444 A. 1. 5) Wie das Laub der Bäume des Lebens in Ez. 47, 12 und Apok. 22, 2 zur Heilung dient.

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mutung mehr ist als ein grundloser Einfall, sprechen außer der jetzigen Gestalt des Textes, die eine derartige Ergänzung geradezu fordert, noch folgende Tatsachen: Die Rabbinen kannten eine Legende von einer Schlange, die einen Edelstein hütete, der die Kraft hatte, Tote zu erwecken1. In arabischen Quellen sodann findet sich die Notiz, Adam sei vor Erschaffung der Ewa dadurch in einen tiefen Schlaf gesunken, daß ihm Gott durch Gabriel eine Traube aus dem Paradiese reichen ließ. Endlich gibt es in apokryphen gnostischen Adamsschriften eine Erzählung, daß Šet seinem Vater Adam zum Trost einen Zweig der Freude aus dem Paradiese brachte, den Adam auf seine Augen legte, worauf sie ihm aufgetan wurden. Šet sagte darauf zu Adam: Vater, wisse, wie er den Tod bringt, so wird er auch Leben spenden und Licht gewähren." Die Gründe, warum ein so wichtiges Stück der alten Erzählung vom jetzigen Verfasser von Gen. 2f. ausgelassen wurde, sind nicht schwer zu erkennen. Adam war für den Jahwisten der erste Mensch und Stammvater der übrigen Menschheit - wäre er gleich am Tag seines Ungehorsams gestorben, so hätte er ja keine Nachkommenschaft hinterlassen können, ein wiederauferweckter Adam aber, ein revenant also, als Stammvater der Menschheit dieser Gedanke wäre dem Jahwisten wohl unheimlich erschienen. Außerdem ist aus v. 14 und 15 zu ersehen, daß der Jahwist die Schlange für ein böses, verabscheuungswürdiges Tier hielt, da konnte er doch unmöglich von ihr eine Geschichte erzählen, in der sie sich Jahwe überlegen zeigte, wenn nicht an Weisheit, so doch an Wohlwollen für Adam und am Ende auch an Macht, ihm zu helfen; das hätte dem sonst von ihm vertretenen Glauben an Jahwes überragende Macht und Größe geradezu ins Gesicht geschlagen. Schließlich hatte er ja den Tiefschlaf Adams schon gebracht, wenn auch in anderem Zusammenhang, einem Zusammen

1) Baba bathra 74b, deutsch bei Wünsche, Der babylonische Talmud in seinen haggadischen Bestandteilen I, 175. 2) Weil, Bibl. Legenden S. 16. 3) Preuschen a. a. O. 8, 2 f. 4) Dieser Gedanke ist von den Rabbinen wirklich ausgesprochen worden, vgl. Bacher, Die Agada der paläst. Amoräer III, 306.

hang aber, der so recht die Wundermacht seines Gottes hatte. hervortreten lassen; Adam noch einmal in einen solchen Schlaf fallen lassen, hätte den Gang der Erzählung nur gestört1.

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1) Die Fabel muß in ihrer ursprünglichen Form somit etwa gelautet haben: „Hierauf nach der Erschaffung Adams pflanzte Jahwe Elohim einen Garten, und setzte dorthin den Adam, den er gebildet hatte (2, 8), um ihn zu bebauen und zu bewachen (2, 15 Schluß). Und Jahwe Elohim gebot dem Adam und sprach: Von allen Bäumen des Gartens kannst du nach Belieben essen; aber von dem Baum, der in der Mitte des Gartens steht, von dem darfst du nicht essen (ja nicht eininal ihn berühren nach 3, 3); denn welches Tags davon du issest, mußt du sterben! (2, 16 f.). Die Schlange aber war klüger, als alle Tiere des Feldes, die Jahwe Elohim gemacht hatte und sie sprach zu Adam: Hat Elohim wirklich gesagt: du darfst von keinem Baum des Gartens essen? Da sprach Adam zur Schlange: Von den Früchten der Bäume des Gartens darf ich essen. Aber von den Früchten des Baums, der mitten im Garten steht, hat Elohim gesagt, darfst du nicht essen, und darfst sie auch nicht anrühren, sonst mußt du sterben. Da sprach die Schlange zu Adam: Du wirst ganz gewiß nicht sterben, sondern Elohim weiß gar wohl: am Tage, da du davon issest, da werden dir deine Augen aufgehen, daß du wirst wie Elohim, erkennend Schönes und Häßliches. Da nun Adam sah, daß der Baum gut zum Essen und eine Lust für die Augen sei und daß der Baum begehrenswert sei, um durch ihn klug zu werden, da nahm er von seinen Früchten und aß (3, 1-6). Und alsbald fielen ihm die Augen zu und er entschlief. Die Schlange aber nahm einen von den Zweigen des Baumes und legte ihn dem Adam auf die Augen. Und siehe, da wurden seine Augen aufgetan und er wurde gewahr, daß er nackt sei und nähte Feigenblätter zusammen und machte sich eine Schürze. Als er nun das Geräusch von Jahwe Elohim hörte, der bei Tagesanbruch im Garten wandelte, da suchte sich Adam vor Jahwe Elohim zu verstecken unter den Bäumen des Gartens. Da rief Jahwe Elohim den Adam an und sprach zu ihm: Wo bist du? Da sprach er: Ich hörte dein Geräusch im Garten; da fürchtete ich mich, weil ich nackt bin und versteckte mich. Da sprach er: Wer hat dir verraten, daß du nackt bist? Hast du von dem Baum, von dem ich zu essen dir verboten habe, [doch] gegessen? Da sprach Adam: Die Schlange verführte mich, daß ich aß (3, 7-12 bezw. 13). Da sprach Jahwe Elohim: Fürwahr, Adam ist geworden wie unsereiner, indem er Schönes und Häßliches erkennt und er trieb den Adam aus und ließ östlich vom Garten die Kerube sich lagern zu bewachen den Weg zum Baum des Lebens“ (3, 22a u. 24). Die Überschrift der Erzählung hätte etwa zu lauten: „Die Geschichte von dem ungetreuen und fortgejagten Gärtner".

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b) Erklärung der Haupterzählung.

In seinen allgemeinen Bemerkungen über die Paradieseserzählung sagt Gunkel mit Recht: „Man versteht einen Mythus, wenn man zeigt: 1. was er erklären will, 2. wie er es erklärt." Seine eigene Erklärung aber leidet trotz vieler feinen Bemerkungen im einzelnen an dem Gebrechen, daß sie von der Voraussetzung ausgeht, als ob es sich um eine auf Erden spielende Geschichte handle (obwohl Gunkel selbst annimmt, daß das Paradies ursprünglich im Himmel lag und der Paradiesesstrom die Milchstraße war 2) und die Hauptperson darin, Adam, nichts sei als der erste auf Erden wandelnde Mensch. Das mag die Ansicht des Jahwisten wohl gewesen sein, aber in seiner Urform, wie wir sie herauszuschälen versucht haben, will der Mythus nicht etwa erklären: Wohl und Wehe des menschlichen Lebens: seine besondere Auszeichnung, die Vernunft; und sein trauriges Geschick, Mühsal des Ackerbaus und Wehen der Geburt", sondern etwas von derartigen philosophischen Fragen im wörtlichsten Sinne himmelweit verschiedenes. Was, das läßt uns eine Bemerkung im Buch der Jubiläen erraten. Sie lautet: „Und zur Zeit des Neumondes gingen Adam und sein Weib aus dem Garten Eden heraus und wohnten im Lande Elda, im Land ihrer Erschaffung" (3, 32). Unsere Erzählung will Antwort geben auf die Frage: was geht vor beim Mondwechsel, eine Frage, die anscheinend in uralter Zeit den Menschen weit wichtiger war, als alles, was sich auf ihre eigene Geschichte bezog. Auf diese Frage gibt der Mythus nicht eine, sondern ein ganzes halbdutzend Antworten, die in kunstvoller Weise in einander verschlungen sind: 1. der Mond, als Gegenstand, nämlich als eine Frucht gedacht, wird gegessen; 2. der Mond, als lebendiges Wesen gedacht, verbirgt sich eine Zeitlang (vor der Sonne); 3. er wird aus dem Himmel ausgestoßen; 4. er wird getötet, aber wieder lebendig gemacht; 5. ge

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2) Komment. S. 33.

1) Kommentar S. 25. 9) Aus dem Äthiopischen übers. von Littmann bei Kautzsch, Apokr. und Pseudepigr. des A.T. Vgl. auch die oben S. 32 angeführten Aussagen über die dem Adam nach dem „Fall" entzogene Lichtnatur.

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blendet, aber wieder sehend; 6. entblößt, aber wieder bekleidet. Alle diese, dem Sinn nach zum Teil in einander übergehenden Antworten werden auch in zahllosen anderen Mythen gegeben, von denen wir in der folgenden Besprechung der verschiedenen Erklärungsversuche einige besonders namhaft machen, die vorzugsweise geeignet sind, den eigentlichen Sinn der Paradiesessage ins richtige Licht treten zu lassen.

Vom Gegessen werden der Mondfrucht war schon bei den Paradiesesbäumen die Rede 1.

Dazu, daß Adam sich versteckt, ist zu vergleichen, daß die letzte Nacht des Monats bei den Arabern sirar heißt, weil der Mond sich da verbirgt. So versteckt sich auch der iranische Adam, Jama3, nachdem er sich mit unwahren Worten abgegeben hatte. Natürlich gehören auch alle die Mythen hierher, die von einem Verbergen des Mondwesens in einem Turm, einer Kiste, einem Sarg usw. erzählen, auch z. B. die Arche Noahs. Wenn der Mond sich versteckt, so wird er natürlich von der Sonne vermißt und gesucht. Auch Jahwe Elohim, der hier Sonnengott ist, sucht Adam. Er tut es aber nicht in der „Abendkühle" 5, wie man bisher meist übersetzt hat, sondern bei Tagesanbruch. Die abnehmende Mondsichel ist zuletzt im Osten sichtbar, daher ist es natürlich, daß die Sonne gleich morgens, wenn sie den Himmelsgarten betritt, nach ihm ausschaut. Zu dieser Auffassung paßt auch am besten das Geräusch' Jahwes, das eben der ruach hajjom, der „Tagesanbruch" ist. Wir treffen hier auch bei den Hebräern die so verbreitete Anschauung von der Erschütterung, dem Geräusch, das mit dem Aufgang der Sonne verbunden ist, eine Anschauung, der noch ein Goethe Ausdruck gegeben hat; vgl. Raphaels Gesang im I. Teil des

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1) Oben S. 55 ff. 2) Albîrûnî, The chronology of ancient nations transl. by Sachau 1879 S. 75. 3) Jašt 19, 34 nach Bartholomäs Übers. · *) Siehe Sintflutsage ARW VI, 24. 5) Der hebr. Ausdruck lautet: i . — “) Wie z. B. auch Jensen tut KB VI, 1, 573. So wird auch Budde Recht haben, wenn er in seinem Kommentar zum Hohenlied das 017 MÞ¬S 73 in 2, 17 u. 4, 6 vom Morgenwind versteht; die Schatten fliehen doch nicht abends, sondern morgens.

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