ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Die scholastische Philosophie in ihrem Verhältnis zu Wissenschaft, Philosophie und Theologie mit besond. Berücksichtigung der modernen Zeit.

Die Kontroversen, die ich im Auge habe, sind entstanden anlässlich eines Buches, 1) welches der Professor der Philosophie an der Universität Löwen, de Wulf, 1904 veröffentlicht hat. Sie sind vor allem ersichtlich in zwei hochinteressanten und reiche Belehrung gewährenden Artikeln der in Belgien erscheinenden philosophischtheologischen Monatsschrift: Études Franciscaines. Der eine erschien im Oktober-Heft von 1904, verfasst von P. Diégo Josef d'Oigny, und führt den bezeichnenden Titel: Libéralisme philosophique A propos d'un livre récent. Der andere liegt vor in dem Januarheft von 1905, ist verfasst von P. Hadelin, einem Schüler und Anhänger des Löwener Professors, und will den ersten Artikel kritisch beleuchten. Von der Redaktion ist eine Metakritik des P. Diégo in sichere Aussicht gestellt.) Aber es lohnt sich, schon jetzt eine kurze Uebersicht über den Kampf zu geben; denn das Resultat scheint mir schon festzustehen; es ist von solcher Bedeutung, dass ich es für angezeigt hielt, treu, wenn auch kurz, das Ganze zu skizzieren.

I. Der erste Vorwurf des P. Diégo knüpft an an folgende Stellen des Löwener Professors:

„Une philosophie étant constituée par son contenu doctrinal, on appellera définitions ou notions intrinsèques ou absolues de la scolastique celles qui se basent sur ses solutions et sur ses doctrines. Chercher de la philosophie scolastique des notions extrinsèques ou relatives, c'est tourner le dos à ce contenu doctrinal, se désintéresser de sa signification propre et de ce qui le caractérise pour établir des rapports, d'ailleurs très nombreux et très instructifs, qui existent entre des élements étrangers à la doctrine et cette doctrine même" (Op. c., p. 29).

Définir la philosophie scolastique par ses méthodes, c'est prendre ses étiquettes pour son contenu; c'est contourner un édifice et décrire sa façade au lieu de le visiter au dedans: toutes les définitions que nous venons de consigner, présentent ce défaut commun, qu'elles s'arrêtent à l'agencement formel de la doctrine, sans pénétrer jusqu'à la doctrine même soumise à cet agencement." 1) Introduction à la Philosophie néo-scolastique. Louvain, Institut supérieur de philosophie. 2) Dieselbe ist inzwischen erschienen.

"

P. Diégo glaubt nun aus diesen Worten entnehmen zu müssen, dass de Wulf in seiner Definition von der Scholastik die Methoden derselben gar nicht in Anschlag bringe und als dem System fremd betrachte (Études Fr., Oct. 1904, p. 439 et 441). Dem ist nun nicht so, wie ihm sein Gegner und Kritiker nachweist. De Wulf unterscheidet (1. c., p. 32) zwischen méthodes constitutives" und procédés pédagogiques"; in n. 14 des § 4 zeichnet de W. die Entwicklung der analytisch-synthetischen Methode parallel zur Entwicklung der Lehren, und n. 15 zeichnet die verschiedenen, bei den Scholastikern gebrauchten Lehrmethoden. Und weit entfernt, die konstitutive oder aufspürende (méthode d'invention) auszuschliessen, zieht sie vielmehr de W. formell in die Definition des Systemes hinein, indem er im ersten Teile (op. c., p. 191) ausdrücklich und klar sagt:

Étayée sur les données de la psychologie et de la métaphysique, la logique met en bonneur les droits de la méthode analytico-synthétique.“ 1)

Woher nun das Missverständnis? Von einem wenig eindringenden Studium der Darlegungen de Wulffs, bei dem übersehen ward, was nicht hätte übersehen werden dürfen, nicht zusammengestellt und verglichen wurde, was Vergleichung und Zusammenstellung doch so klar erheischte. De W. hat ganz Recht! Auch Kant hätte sein System genau so wie die Scholastik in Syllogismen oder in einer Reihe von wohlgefügten Kettenschlüssen darlegen können. Hätte ihn aber das zum Scholastiker gemacht? Sind so diese äusseren Erforschungsmittel der Wahrheit, die de W. procédés pédagogiques et didactiques" nennt, nicht der Scholastik wesentlich, so folgt daraus, dass dieselben recht wohl einer dem Geiste der modernen Zeit und den gegenwärtigen Arbeitsverhältnissen der philosophischen Forschung, die so sehr mit empirischexaktem Material zu arbeiten hat, entsprechenden Art ersetzt werden können, eine Auffrischung, eine Erweiterung und zeitgemässe Verjüngung erfahren können. Und diese Notwendigkeit behauptet de W. im zweiten Teile seiner Einleitung.

Uebrigens ist nach ihm selbst die analytisch-synthetische Methode, wenngleich der Scholastik wesentlich, doch nicht geeignet, sie von anderen Systemen zu differenzieren.

Sehr gut sagt diesbezüglich P. Hadelin:

,Pour jouer un rôle différenciateur, il faudrait, que ce caractère fût reconnu stable, universel et nécessaire dans toute l'évolution de la Scholastique, et de plus applicable à elle seule“ (p. 40).

1) Die letzten Worte sind von de W. selbst hervorgehoben.

Dies trifft nun bei der Scholastik nicht zu; ihre Methode veränderte sich je nach den verschiedenen Epochen und Lehrgehalten, machte deren Entwicklung selbst mit durch, wie schon ein flüchtiger Blick auf die Geschichte der Philosophie des Mittelalters zeigt.

Darf also nicht auch die Neuscholastik ihre Pforten weit den neuen positiven Methoden öffnen, der Methode, die Beharrung in dem einen und die Differenzen in dem andern zu konstatieren, die Begleitumstände und den Wechsel auch in diesen scharf hervorzukehren Methoden, die Stuart Mill in so helles Licht gerückt hat? Soll sie nicht berechtigt sein, die Methode und das Vorgehen der Aussenbeschauung („procédés d'extrospection"), wodurch in der physiologischen Psychologie so glänzende Resultate erzielt wurden, umfangreich anzuwenden? Das nur will de W., indem er bemerkt:

La combinaison de l'analyse et de la synthèse demeure a fortiori l'âme de toute construction philosophique" (Introduction, p. 326).

P. Diégo leugnet allerdings diese Möglichkeit:

, mais comment se fera cette combinaison, si on emploie des méthodes qui l'excluent (1. c., n. 70 p. 344) ? *

Aber es ist nicht richtig, dass jene neueren Methoden in sich jene Vereinigung mit dem analytisch-synthetischen Verfahren unmöglich machen; der aktuelle unleugbar vielfältige Widerspruch berechtigt noch nicht zu diesem Schluss, und noch viel weniger die Tendenz, von welcher aus diese neueren Methoden angewandt werden. So ist ganz hinfällig, was P. Diégo weiterhin sagt:

„on entend n'éviter aucun controverse avec les adversaires, les suivre sur toutes les voies, où ils sont engagés. D'abord, c'est a priori leur conceder à eux seuls le droit de poser un problème 1) Ensuite comme, d'un côté, leurs méthodes sont exclusives des nôtres, que leurs principes nous sont étrangers et que de l'autre, avant toute discussion, un point commun est nécessaire. qui cédera ce pouce de terrain? On peut craindre, que ce ne soient pas les adversaires, et qu'en fin de compte les convertisseurs ne deviennent des convertis (1. c., p. 344).

1) Beissend hemerkt der Kritiker: „Pardon, tout le monde a le droit de poser les problèmes. Mais une fois posés, n'importe par qui et de quelle façon il faut les résoudre. Et nous n'entendons pas laisser à nos seuls adversaires le droit, d'y chercher une solution, tandis que nous resterions, les bras croisés, spectateurs impossibles des controverses qui intéressent au plus haut point la destinée humaine et la Verité. Les Scolastiques, nos pères, n'en usaient pas de la sorte: c'était chez eux une lutte à outrane contre les panthéistes, les averroistes, etc. . . . qu'ils poursuivaient jusqua dans leurs derniers retranchements. L'histoire nous a gardé le souvenir des retentissants débats soulevés entre S. Thomas et Siger de Brabant."

[ocr errors]

Wohl will die Scholastik dem Gegner auf allen seinen Wegen folgen, aber doch nicht so, dass sie sich z. B. der konstruktiven Methode des Positivismus einerseits oder des Kantianismus andererseits bedienen will. Nein, sie will ganz einfach die rein empirische Methode des Materialismus durch die Synthese und die exklusiv synthetische Methode des Kantianismus und des Idealismus durch die Beobachtung des tatsächlich Gegebenen ergänzen. Weder die positivistische noch die synthetische Methode sind der scholastischen Methode durchaus fremd, so dass diese dieselben weit und unbedingt von sich weisen müsste; weil Einheit aus Analyse und Synthese findet sie sich in Berührung mit dem Positivismus einerseits und dem Idealismus andererseits; so können wir auf einem Stück gemeinschaftlichen Bodens mit dem Gegner zusammenstossen, ohne uns etwas zu vergeben, während der Gegner im Gegenteil durch die Natur unserer Stellung selbst genötigt ist, uns Rede und Antwort zu stehen! Dass die Methode die richtige ist, wird auch durch die Tatsachen bestätigt. Die glänzenden Resultate, welche die Anstrengungen von Mercier und seiner Schule schon gekrönt haben, die Achtung, welche die Schule von Löwen durch die Werke des grossen philosophischen Studiums und die zahlreichen Veröffentlichungen des Institut supérieur" im Kampfe gegen den Positivismus einerseits und den Kantianismus andererseits selbst bei Gegnern erworben hat, legen Zeugnis ab für die erfolgreiche Arbeit der neuscholastischen Schule. Ein besonderes Werk von Msgr. Mercier, die Critériologie générale, ist dem Studium dieser zwei Systeme gewidmet. Theorien von Mill, Spencer, Taine sowohl wie die Kants werden dort einer unbefangenen, aber eindringenden Würdigung unterzogen. Niemand hat besser als Mercier die Schwächen und Lücken dieser beiden Systeme dargelegt.

[ocr errors]

Die

Wir sagen: die Schwächen und die Lücken dieser Systeme; denn es geht nicht an, denselben am allerwenigsten a limine jeglichen Wahrheitsgehalt und mithin jeglichen Wert abzusprechen. Und hier muss P. Diégo selbst notgedrungen sich mit uns verbünden. Denn entweder nimmt er die Diskussion mit den Gegnern an oder er nimmt sie nicht an; im ersten Falle nimmt er offenbar an, dass sie möglich ist, und gibt also zu, dass es etwas gemeinschaftliches zwischen ihnen und uns gibt, dass man eine Verbindung herstellen kann und dass es folglich auch etwas Wahres in ihren Systemen gibt. Kein Kampf ist möglich zwischen Gegnern, die

durch unübersteigliche Schranken von einander getrennt sind. Nimmt er aber den Kampf nicht an, so hat er auch kein Recht, die Systeme der Gegner zu kritisieren, zu beurteilen; denn um dies tun zu können, muss man sich in ihre Anschauungen, in ihre prinzipielle Art und Weise, die Sache anzusehen, versetzen und so bis in das Herz des Systems hineindringen. Das einzige Mittel, den Feind zur Annahme der Schlacht zu bringen, ist dies, ihn auf seinem eigenen Terrain zu stellen.

Wie falsch ist mithin jene Einschätzung der Neuscholastik, in welcher P. Diégo sie nennt

,un édifice scolastique rebâti avec les procédés positivistes ou idéalistes (1. c., p. 345).

II. Der erste von P. Diégo vorgebrachte Anklagepunkt gegen die Löwener Neuscholastik betraf die Methode und ihre prinzipielle Stellung gegenüber den neueren Systemen.

Der zweite meint, dass in der Löwener Schule die ausserhalb der Philosophie stehenden Wissenschaften zu mass los betrieben würden; es habe zwar Leo XIII. den christlichen Philosophen auch das Studium dieser Wissenschaften empfohlen; aber, fragt P. Diégo (S. 345),

„S'ensuit-il de là que ces sciences doivent ... marcher d'un pas égal avec la métaphysique, par exemple, qui est la partie principale d'une philosophie? . . . S'ensuit-il, qu'à l'heure actuelle il ne faudra regarder que le penseur possédant à côté de sa bibliothèque son laboratoire de physique ou de chimie et connaissant jusque dans les moindres détails les principes et les méthodes de ces sciences?* (1. c., p. 345 sq.)

Die Antwort darauf ist leicht: Nein das ist nicht nötig für den Gelehrten, den Philosophen, der sich eben nur auf das Studium der alten Scholastik beschränken will: es ist nicht nötig für den Philosophen, der etwa Aristoteles, Thomas, Cajetan usw. nur kommentieren will; es ist nicht nötig für jenen Philosophen, der sich in die Polemik nicht einlassen will, aber es ist unumgänglich nötig für den Philosophen, der nicht bloss aus zweiter Hand sein Material will entnehmen, der seine Philosophie als Meister durch und durch, auch in den Hülfsdisziplinen, beherrschen will, der allen Gegnern der scholastischen Philosophie so gründlich als nur möglich will Rede und Antwort stehen!

III. Die dritte, mit der zweiten zusammenhängende Anklage geht dahin, die Löwener Schule lehre die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Philosophie: la nécessité d'une philosophie scientifique"; P. Diégo schreibt diesbezüglich:

[ocr errors]
« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »