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Rasch wendet sich Äneas von dieser grauenhaften Stätte weg und folgt nun seiner Führerin zum anmutigen, lichtvollen Orte der Seligen. Hier sieht er welche, die ihre Glieder in der Palästra üben, andere welche Reigen aufführen und den Chorgesang pflegen. Edle Helden, die für das Vaterland gekämpft haben, würdige Priester, holde Sänger setzen dort ihr bestes irdisches Leben fort am Eridanusstrome im Glanze einer helleren Sonne und herrlicherer Gestirne, als wir sie haben. Endlich findet er seinen Vater Anchises, der aufmerksam die Seelen betrachtet, welche aus dem Strom Lethe trinken, um dann in die Welt zurückzukehren. Er erklärt seinem Sohn das Geheimnis des Lebens: Die göttliche Kraft, welche in die Körper eingeht, wird durch diese getrübt und geschwächt. Nach dem Tode findet die Reinigung statt: durch mancherlei Peinigungen werden die Seelen geläutert und kommen so ins Elysium. Dann aber nach 1000 Jahren kehren sie, nachdem sie von jenem Strom getrunken und das frühere Dasein vergessen haben, wieder ins Land der Lebendigen zurück und beginnen dort ein neues, vom frühern unabhängiges körperliches Dasein.

Es erhellt aus dieser dürftigen Skizze schon, dass wir bei dieser Wanderung durch den Orcus eine Zusammenfassung verschiedenartiger Ideen vom Jenseits bekommen, welche zur Zeit des Dichters neben einander im Volke und bei den Gebildeten vorhanden waren, ohne dass man die Widersprüche zu stark empfand. In manchen Zügen tritt die uralte Vorstellung noch zu Tage, dass das Grab eigentlich die Wohnung des Verstorbenen sei, weshalb man auf die ordentliche Bestattung das grösste Gewicht zu legen habe. Daran schliesst sich die Idee vom Zusammenwohnen der Abgeschiedenen im Orcus. Eine positivere ethische Gestalt gewinnt dieselbe dadurch, dass zwischen dem Aufenthaltsort der Verdammten und der Seligen streng geschieden und ein untrügliches Gericht an der Schwelle des Jenseits angenommen wird. Recht eigentlich heterogen ist der Schluss, wo unter Anlehnung an die Pythagoräer und Platoniker ein philosophischer Pantheismus vorgetragen wird mit Ideen wie der einer Verunreinigung der göttlichen Seele durch den Leib, und der Seelenwanderung, welche den altrömischen Anschauungen gänzlich fremd gewesen sind. Man sieht, wie der Dichter jedem Bedürfnis der Zeitgenossen etwas bieten wollte. Die alten und neuen Vorstellungen lebten in der That neben einander fort; aber auch der nackte Unglaube, der sich in dem Worte zusammenfasst: „Lasset uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot“ spricht sich nicht selten auf Grabschriften der Kaiserzeit aus, während natürlich die meisten dieser Monumente der Pietät den Verstorbenen möglichst positives Fortleben zuschreiben oder wünschen. Das Christentum, welches mehr als blosse Ahnungen und Spekulationen über das Leben nach dem Tode zu bringen hatte, musste schon deshalb Vielen hoch willkommen sein.

Religion der Kelten: Einleitung.

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V. Die Religion der Kelten 1).

Mit den Gräko-Italern zeigen von den nördlichen Indogermanen die meisten sprachlichen Berührungen die Kelten, welche schon im 6. Jahrh. v. Chr. über einen grossen Teil von Westeuropa sich verbreitet hatten und vom südlichen Germanien nach Gallien, Italien, Spanien und Britannien vorgedrungen waren. In Irland bilden sie noch die Hauptbevölkerung, auch in Schottland haben sie sich zum Teil mit ihrer gälischen Sprache erhalten. Von England behaupteten sie Wales und Cornwall gegen die das Land überflutenden Angelsachsen. In Spanien mischten sie sich mit den dort vorgefundenen Iberern zur Nation der Celtiberer. In Gallien aber lieferten sie den Grundstock bei der Bildung der französischen Nation, zu welcher freilich germanische Stämme stark mitwirkten und auch römische und andere Elemente beitrugen. Am reinsten keltisch ist in Frankreich die Bretagne, bezw. die bretonisch redende Bevölkerung. In ganz Europa schätzt man die noch heute keltisch Redenden auf 31/2 Millionen.

Die Römer machten schon zu Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. unliebsame Bekanntschaft mit dem kriegerischen Volke der Gallier), wie sie es nannten. Ist doch dieses damals von Etrurien her bis nach Rom vorgedrungen und hat die Stadt eingeäschert, ohne freilich des Capitols sich bemächtigen zu können. Späterhin begnügten sich die Römer nicht, diese unruhigen Nachbarn in der Gallia Cisalpina sich unterthänig zu machen, sondern fassten auch (im 2. Jahrh. v. Chr.) in Südgallien selbst festen Fuss. Dieses zunächst machten sie zur Provinz (Provence), und endlich eroberte Jul. Cäsar vom Jahr 58 v. Chr. an das ganze Gallien. Von seiner Hand rühren auch die ausführlichsten Mitteilungen über die Lebensweise und Religion dieses Volkes, das er so übel behandelte. Was er davon in seinem Bellum Gallicum meldet, wird durch mehr vereinzelte Nachrichten und Notizen späterer römischer Autoren ergänzt, als welche zu nennen sind Valerius Maximus, Plinius, Lucanus, Ammianus Marcellin, Tacitus u. a. Einheimische

1) Siehe über deren älteste Geschichte Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde II. Joh. Casp. Zeuss, Grammatica Celtica, 2 Bde., Leipzig 1853. F. J. Mone, Celtische Forschungen zur Gesch. Mitteleuropa's, Freib. 1857. Vgl. den Art.: „Keltische Sprachen“ von E. Windisch bei Ersch u. Gruber, u. den Art. Celtic Literature in der Encycl. Britannica. Seit 1870 erscheint eine Revue Celtique.

2) Nach Bell. Gall. 1, 1 ist Galli die römische, Celtae die einhei mische Selbstbenennung des Volkes. Der letztere Name ist übrigens nur durch griechische und lateinische Autoren erhalten. Galli ist nur eine andere Gestalt desselben. Ein Mittelglied hat sich als Name einer kleinasiatisch-keltischen Bevölkerung erhalten: Galater.

Quellen litterarischer Gattung sind dagegen nicht vorhanden. Zwar haben sich die Gallier zu Căsars Zeit der griechischen Buchstaben bedient; aber gerade ihre religiösen Lieder und Lehren durften nicht niedergeschrieben werden und sind daher untergegangen. Verloren ging bekanntlich auch die auf Karls des Grossen Veranlassung von Alkuin veranstaltete Sammlung alter Gesänge. Von der einst hochberühmten welschen Barden-Poesie sind freilich in Britannien Überreste erhalten geblieben1). Doch hat dieselbe nach dem Fall der alten Religion unter der Herrschaft des Christentums weitergeblüht, und es ist äusserst schwierig zu entscheiden, was in solchen Liedern und in den Volkssagen als Material für die Religionsgeschichte dürfte Verwendung finden. Von monumentalen Quellen sind manche römische Inschriften vorhanden, welche freilich die Götternamen meist in römischer Umschreibung, aber doch auch mit einheimischen Beinamen geben.

Die gallischen Götter gibt Cäsar Bell. Gall. 6, 17 folgendermassen an: „Als Gott verehren sie am meisten den Mercur; ihn stellen die meisten Bildnisse dar, ihn halten sie für den Erfinder aller Künste, ihn für den Führer auf Strassen und Reisen, von ihm glauben sie, dass er über Gelderwerb und Handel die grösste Gewalt besitze. Nach ihm dienen sie dem Apollo und Mars, Jupiter und der Minerva. Von diesen haben sie ungefähr dieselbe Vorstellung wie die übrigen Völker: Apollo halte die Krankheiten fern, Minerva lehre Arbeiten und Kunstwerke verfertigen, Jupiter führe das Regiment über die Himmlischen, Mars führe Kriege." Auch nennt er (6, 18) Dispater) als den Gott, von dem alle Gallier ihre Abstammung herleiteten und meint, die Kelten zählten deshalb nach Nächten, nicht nach Tagen, da ja Dis der Gott der Unterwelt und der Nacht ist. Leider hat er diese Gottheiten nur in römischer Umschreibung angegeben und es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, welchen einheimischen Benennungen sie entsprechen. Als besonders angesehene keltische Götter werden anderswo genannt: Teutat, Esus (Aes), Taran3). Den letztern, der an den germanischen Tonar erinnert, und dem wie diesem die Eichen heilig sind, wie er denn auch den Hammer führt, dürfte Cäsar mit Jupiter gemeint haben; Teutat mag dann dem Mercur, Esus dem Mars entsprechen. Apollo heisst keltisch Balen oder Beal. Eine Göttin Beles amis oder Belisana könnte jene Minerva sein. Doch begegnen in den Inschriften noch eine Menge Götternamen, welche wohl grösstenteils nur lokale Abarten der Hauptgötter waren. Dahin gehört Grannus im Elsass und

1) Dieselben sind gesammelt besonders in dem Werke Myvyrian Archaeology of Wales, von E. Williams, O. Jones und W. Owen. 2) Der römische Dispater ist der Gott der Unterwelt, von dem S. 689 die Rede war.

3) So sind Teutates, Hesus, Taran genannt bei Lucan. Phars 1, 445f.: Teutates horrensque feris altaribus Hesus

Et Taranis Scythicae non mitior ara Dianae.

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am Rhein, woher Aachen Aquae Granni, Leherennus und Albiorix im südlichen Frankreich, Mercurius Dumias und Arvernus, eine Göttin Rosmerta, eine Dea Abnoba vom Schwarzwald und viele andere. Auch die in vielen Inschriften gefeierten deae Matres oder Matronae sind ohne Zweifel keltischen Ursprungs. Ihre Inschriften sind zahlreich in Gallien, Germanien, Britannien, Italien und Spanien. Nicht selten sind diese "Mütter" auch abgebildet, fast immer zu dreien, und zwar mit Fruchtkörben und Füllhörnern, was auf Fruchtbarkeit und Wohlstand schenkende Wesen deutet. Sie führen regelmässig einen näher charakterisierenden Beinamen; solcher Beinamen gibt eine lange Liste Roschers Lexikon, welches überhaupt zu vergleichen S. 2463 ff.

Von ihren Göttern machten die Gallier nach Cäsar (6, 16) Bilder, zum Teil von ungeheurer Grösse. Einen grausigen Charakter verlieh diesem Kultus die Häufigkeit der Menschenopfer, welche besonders den Göttern Teutat, Esus, Taran dargebracht wurden. Man schlachtete die Opfer und verbrannte sie nachher oder liess sie lebendig, nachdem man sie an die Götterbilder gebunden, von der Flamme verzehrt werden 1). Die Grausamkeit dieses Brauchs haben die Römer gerne hervorgehoben. Cäsar sieht darin einen Beweis der Hingabe des Volks an seine Götter, dass es vor diesen Opfern nicht zurückschrecke. Die keltischen Völker haben in der That einen Zug zur Bigotterie und zum Fanatismus. Man wollte durch Hingabe menschlichen Lebens die Gottheit versöhnen und auf diese Weise schwere Krankheiten abwenden oder sich das Kriegsglück sichern. Am liebsten nehmen die Götter Verbrecher auf diese Weise in Empfang, z. B. Diebe. Sind aber keine solchen vorhanden, so lassen sie sich auch das Blut Unschuldiger gefallen). Dem Kriegsgott, welchem Gefangene geopfert wurden, weihte man auch die erbeuteten Gegenstände, indem man sie auf einen Haufen zusammen warf. Nicht leicht wagte es jemand, einen solchen künstlichen Hügel zu berauben, da ihm sonst ein qualvoller Tod drohte 3).

Die priesterlichen Funktionen bei öffentlichen und privaten Opfern lagen den Druiden ob, einem hochangesehenen, vom Kriegsdienst und den Steuern befreiten Stand. Druiden und Ritter nennt Cäsar als die beiden herrschenden Stände der Gallier, welchen das übrige Volk unterthänig sei. Eine erbliche Kaste bildeten die Druiden immerhin nicht, sondern rekrutierten sich durch Unterricht aus dem Volke. Als die Träger der Bildung verfügten sie über ausgebreitete Kenntnisse, und viele Jünglinge liessen sich von ihnen belehren. Die Lehrzeit dauerte bei solchen, die selber Druiden werden wollten, oft 20 Jahre lang. Ihre Weis

1) Bell. Gall. 6, 16.
2) Siehe ebenda.
3) Ebenda 6, 17.
4) Bell. Gall. 6, 13 f.

heit brachten die Druiden ihren Adepten in Versen bei, welche im Gedächtnisse haften mussten, da das Aufschreiben dieser Dinge verboten war. Als die Kenner des göttlichen Rechts waren die Druiden überall Richter, wo Rechtsfragen oder Streitigkeiten entstanden. Ob es sich um ein Verbrechen, eine Mordthat etwa, oder um Erbschaftshändel oder um Grenzstreitigkeiten handelte, sie hatten stets zu entscheiden, Lob und Strafe zu diktieren. Wer sich ihrem Spruch nicht fügte, wurde von den Opferhandlungen ausgeschlossen, und dieser Bann galt als eine der schlimmsten Strafen; denn die damit Belegten waren rechtlos und vom Umgang ausgeschlossen. Über sich hatten die Druiden einen Oberpriester; starb dieser, so entschied, falls mehrere ebenbürtige Kandidaten für diese Würde vorhanden waren, die Wahl der Druiden über seinen Nachfolger, zuweilen aber auch die Waffengewalt. Als Mittelpunkt des Landes, wohin viele Druiden alljährlich zusammenkamen, galt die Gegend der Carnuten am Liger (Loire). Dort wurden ernstere Zwistigkeiten durch ihr Urteil beigelegt.

Selbstverständlich waren die Druiden der Zauberei mächtig. Dazu dienten ihnen gewisse Kräuter. Plinius beschreibt einen Brauch, wonach sie weissgekleidet im Mondlicht mit goldener Sichel die Mistelpflanze von einer Eiche weghieben und in ein Tuch warfen. Ihre Zauberei vertrat namentlich die Stelle der Medizin. Aber ihre Weisheit, die sie aus Britannien erhalten zu haben vorgaben, war vielseitig. Besonderes Gewicht legten sie auf ihre Lehre von der Unsterblichkeit der Seele. Sie lehrten nämlich eine Art Seelenwanderung1), und wie lebendig der Glaube an das jenseitige Leben im Volke war, erhellt daraus, dass die Gallier den Tod ausserordentlich gering achteten. Dies machte sie in der Schlacht äusserst tapfer, verleitete sie aber auch leicht zum Selbstmord 2). Bezeichnend ist, was Diodor (5, 38) und Valerius Maximus (2, 6) berichten: dass sie einander unbedenklich Geld liehen auf das blosse Versprechen, es im Jenseits zurückzuerstatten. Damit wird auch die Kosmologie zusammengehangen haben, welche die Druiden nach dem Zeugnis Cäsars3) lehrten. Von dieser Lehre findet man noch Spuren in den Liedern der Wälischen Barden, indem bei ihnen unter christlicher Hülle altheidnische

1) Bell. Gall. 6, 14: In primis hoc volunt persuadere, non interire animas, sed ab aliis post mortem transire ad alios; atque hoc maxime ad virtutem excitari putant metu mortis neglecto.

2) Silius Italicus beschreibt den leidenschaftlichen Hang zum Selbstmord mit den Versen:

Prodiga gens animae et properare facillima mortem;
Namque ubi transcendit florentes viribus annos,

Impatiens aevi, spernit novisse senectam,

Et fati modus in dextra est.

3) Multa praeterea de sideribus atque eorum motu, de mundi ac terrarum magnitudine, de rerum natura, de deorum immortalium vi ac potestate disputant et juventuti tradunt.

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