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II.

Kirche und Papstthum an der Zahrhundertwende.

An der vorigen Jahrhundertwende war die Lage der Kirche nichts weniger als tröstlich. Die Irrlehren des Gallifanismus, Febronianismus, Josefinismus u. s. w. hatten überall das katholische Bewußtsein geschwächt, verdunkelt, das kirchliche Leben unterbunden. In Oesterreich wurden alle Einrichtungen des Staates und der Kirche gewaltsam von oben herab umgewandelt und umgestürzt. Die in Frankreich ausgebrochene Revolution zertrümmerte ihrerseits Alles auf ihrem Weg durch Europa. Ueberall wurde die Kirche verfolgt, alle ihre Einrichtungen so gründlich zerrüttet und zerstört, daß die Kirche für immer vernichtet schien. Jede andere Anstalt hätte einen solchen Sturm nicht überlebt. Nach demselben, seit 1815, seßten die Regierungen das Werk der Revolution fort, indem sie die meisten der durch diese geschaffenen Schranken und Bedrückungen aufrecht hielten, nur die Form änderten. Ueberall suchten die Regierungen die Kirche zu beherrschen, zu knebeln, zur Magd des Staates herabzuwürdigen. Dabei machten sie die Schule zur Staatssache. Die Lehren der Ereignisse wurden nicht beachtet. Das Jahr 1848 war die Folge, erschütterte alle Throne, verschaffte indessen der Kirche etwas Luft. Die Katholiken mußten freilich ihre Rechte vielfach erst noch besonders erkämpfen. Denn das Erste, was die wiedereingeseßten Regierungen thaten, bestand in Maßregeln gegen die Katholiken,

als Dank dafür, daß dieselben im Sturme treu für die Ordnung eingestanden waren.

Desterreich hatte am schlimmsten zu leiden. Denn die durch den Josefinismus in ihrem Lebensmark angenagte Kirche hatte nicht Kraft genug, sich zu ermannen, ihre Freiheit zu erkämpfen. Als das Concordat (1854) geschlossen wurde, fehlte es an der Energie zu dessen Durchführung. Die höheren Klassen waren so von Vorurtheilen gegen die Kirche erfüllt, die Beamten so sehr dem josefinischen Geiste verfallen, daß sich die Mänuer nicht fanden, welche die Treuen und Einsichtigen sammeln und mit ihnen den Sturm hätten abschlagen können, den Thörichte, Feinde Oesterreichs, anfachten. Das Concordat kam freilich etwas spät, aber es wäre die Rettung Oesterreichs gewesen, wenn es durchgeführt worden wäre. Es wäre das Band gewesen, das die katholischen Völkerschaften verschiedenen Stammes umschlungen, zusammen gehalten hätte. Die auswärtigen Feinde kamen dazu, verwickelten Desterreich in Kriege, die unglücklich für es endeten. Dadurch hatten die inneren Feinde Oberwasser, das Concordat ward durch die sogenannten interconfessionellen Geseze durchbrochen, die Schule der Kirche entfremdet. Seitdem wird. Desterreich durch den Nationalitätenkampf zerrissen, die einzelnen Länder und Stämme stehen sich feindlicher gegenüber als jemals. Und das Volk hat auch leider, unter diesen heillosen Zuständen, bei den noch fortdauernden Behinderungen der kirchlichen Wirksamkeit, erst angefangen sich aufzuraffen, um zu kämpfen und zu arbeiten. Es ist von Oesterreichern gesagt worden, das Beste wäre gewesen, die josefinischen Geseze in aller Ruhe stückweise abzubrechen, statt mit dem Abschluß des Concordats den Widersachern, den inneren und äußeren Feinden Oesterreichs, einen Vorwand zu liefern. Aber dann hätte schon lange vorher, von 1815 ab, mit diesem Abbruch begonnen werden müssen. Was wir jezt in Oesterreich sehen, der mörderische, selbst= vernichtende, unchristliche Nationalitätenhader und die Los

von Rom-Hehe ist Wirkung der Concordatsheze, der im öffentlichen Unterricht seit Josef II. herrschenden kirchenfeindlichen, glaubenslosen Richtung. Die Heßer haben leichtes Spiel, das Volk weiß nicht, erfährt es in den Schulen nicht, was es dem Papste zu verdanken hat. Der Kaiserstaat ist durch glückliche Heiraten entstanden, heißt es vielfach. Ja, so viel auch die Familienverbindungen vermochten, die Kirche, das Papstthum haben dennoch mächtig zur Entstehung, Erhaltung und Macht Habsburgs und des alten Kaiserstaates beigetragen. Der hl. Stephan trat, durch Heirat mit der Schwester eines deutschen Kaisers, durch Verbreitung des Christenthums in enge Beziehungen zum alten Reich. Diese haben sich durch die Habsburger noch enger geknüpft, immer unter Beistand des Papstes, der Rudolf I. als Kaiser anerkannte, Wien vor dem Türkenjoch rettete, das Band zwischen Desterreich und Ungarn fester knüpfen half, mit Subsidien bei der hauptsächlich durch den Kaiser bewirkten Befreiung Ungarns von der Türkenherrschaft mithalf. In guten wie in schlimmen Tagen stand der Papst zu den Habsburgern, zu Desterreich, weshalb diese ihm mehr verdanken als die meisten anderen Länder. Oesterreich ist eine Schöpfung der Kirche, so daß die Los von Rom-Heße sich nicht anders erklären läßt, als durch die Verkennung aller geschichtlichen Thatsachen und Ueberlieferungen Oesterreichs.

Der kirchliche Sinn des Volkes ist trop allem immer noch sehr lebhaft. Aber die gebildeten Klassen sind gutentheils lau, vielfach kirchenfeindlich. Der politische Hader läßt kein Aufblühen des kirchlichen Lebens zu. Daß etwas erreicht werden fann, zeigt Wien, jezt die einzige, große Hauptstadt Europas, die einen kirchenfreundlichen katholischen Gemeinderath gewählt hat. Freilich, so lange der josefinischen Blutvergiftung nicht gesteuert, der öffentliche Unterricht nicht in gedeihlichere, patriotischere Bahnen geleitet, der kirchlichen Thätigkeit die nöthige Freiheit verschafft wird, ist auf eine allgemeine Befferung der Zustände nicht zu hoffen. Der

Hiftor »polit. Blätter CXXVII 1. (1901).

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alte Kaiserstaat bedürfte eines ungewöhnlichen Mannes, um seine inneren Schwierigkeiten zu überwinden.

Bis 1848 stand die Kirche in allen Staaten des neuen Deutschen Reiches unter vielfachen harten Bedrückungen und Einschränkungen. Aber selbst der damalige Sturm hat nicht alle Fesseln abzuschütteln vermocht, die Regierungen halten dieselben, als wenn ihr eigenes Schicksal davon abhinge. Das Neue Reich brachte keine Erleichterungen, sondern Verfolgung, neue Fesseln, Gesetze gegen die Freiheit der Kirche, gegen Ordensthätigkeit und Jesuiten. Die Regierungen sahen ihr Heil darin, von der angemaßten Kirchenhoheit so viel zu erhalten und selbst neu zu bethätigen, als nur möglich. Die gedrückte Lage hat die Katholiken zur Selbstwehr gezwungen, wodurch wenigstens Einiges erreicht wurde.

Die Katholiken waren die Ersten, welche sich 1871 auf den Boden der Thatsachen stellten, dem Neuen Reich zustimmten, wozu selbstredend auch die Erinnerungen an das alte Reich beitrugen. Durch ihre Einigkeit haben die Katholiken seitdem den festen Thurm des Centrums geschaffen, und dadurch in Deutschland eine Stellung errungen, wie sie dieselbe nach dem dreißigjährigen Kriege nicht mehr besessen haben. Das Centrum hat das unschäzbare Verdienst, der Welt im neunzehnten Jahrhundert gezeigt zu haben, was fatholische, klerikale" Politik eigentlich ist. Das Centrum tritt für die Sache Aller ein, vertheidigt Recht und Gerechtigkeit jedes Theiles wie des ganzen Volkes, indem es überall und immer den katholischen Maßstab gebraucht. Es ist eine Stüße der Ordnung, eine Triebfeder jedes gesunden Fortschrittes, ein Schuß für Alle. Den Widersachern hat es nicht bloß Achtung und Anerkennung, sondern auch Vertrauen abgerungen. Trotz Neid und Eifersucht mußten die Widerfacher seine Verdienste anerkennen. Gar Manche, welche aus Parteirücksichten das Centrum bekämpfen, haben schon offen eingestehen müssen: Besser noch das vielfach unbequeme Centrum als andere Gegner. Die Natholifen werden freilich

noch viel kämpfen müssen, bevor sie im Neuen Reich wie in allen Staaten desselben die ihnen von Rechts wegen zustehende Freiheit und Gerechtigkeit errungen haben werden.

Nach 1848 benutten die Katholiken die größere Freiheit, um ihre zerstreuten Glieder zu sammeln. Sie halfen den unter Protestanten zerstreuten Glaubensbrüdern Kirchen, Seelsorge, Schulen bauen und einrichten. Im Neuen Reich ist in dieser Hinsicht noch viel mehr zu thun, da die Mischung der Bevölkerung, Dank der Freizügigkeit, immer größer wird. Troß der hiedurch auferlegten größeren Opfer ist Deutschland auch kräftig für die Missionen, die Ausbreitung des Glaubens unter den Heiden eingetreten. Vor 1871 traten Tausende Deutscher in fremdländische, den Missionen obliegende Ordensgemeinschaften, da es in der Heimat keine solche gab. Seitdem aber Deutschland auch eine Sec- und Colonialmacht geworden, seine Angehörigen im Ausland kräftig zu schützen vermag, tritt es auch selbständig für die Ausbreitung des Glaubens ein. Zehn Ordensgemeinschaften, die sich derselben widmen, haben sich in Deutschland gebildet, oder doch Niederlaffungen, Mutterhäuser, gegründet. Der schöne Anfang berechtigt zu den tröstlichsten Hoffnungen; in den deutschen Siedelländern sind schon viele Tausende dem Glauben gewonnen, bilden zugleich einen festen Stützpunkt der deutschen Herrschaft und der wirthschaftlichen Entwickelung. Der Kaiser hat feierlich erklärt, jeden Deutschen im Ausland zu schüßen, jei er Missionar oder Kaufmann. Selbst die Jesuiten können. nicht ausgenommen bleiben, schließlich wird man sie auch in der Heimat dulden müssen.

Ein entscheidendes Ereigniß ist ebenfalls, daß durch das Neue Reich das Recht des Papstes, auch in die Politik einzugreifen, wiederum feierlich anerkannt worden ist. Durch die Maigeseze ward der Papst für Deutschland ausdrücklich abgescht, ihm alle Rechte abgesprochen. Als das Centrum auf der Abschaffung dieser Geseze bestand, antwortete Bismarck, er ziehe es vor, über die Köpfe des Centrums hinweg. sich

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