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XXX.

Zur Statistik."

Mit Statistik wird bekanntlich viel Mißbrauch getrieben, Dilettanten finden in statistischen Tabellen die Bestätigung der abenteuerlichsten Ideen und haben diese Wissenschaft in unverdienten Verruf gebracht, in der Hand eines Meisters wie Mayo-Smith lernt man jedoch den Werth der Statistik kennen. Auf den ersten vor fünf Jahren erschienenen Band, dessen Resultate bereits in gelehrten Werken verwerthet sind, brauchen wir hier nicht einzugehen und beschränken uns einige Einzelnheiten aus dem zweiten Bande auszuheben. Je höher, sagt der Verfasser, der Prozentsaß der Ausgaben für Nahrung ist, desto weniger bleibt übrig für Wohnung, Kleidung, für die Befriedigung sittlicher und geistiger Bedürfnisse, desto größere Opfer werden erfordert von Seite der Armen. Je kleiner der Ueberschuß, desto schneller gehen alle Ersparnisse in Folge von Krankheit, Arbeitseinstellungen verloren. So sehr der Umstand zu beklagen ist, daß die Armen immer ärmer, die Reichen immer reicher werden, so ist die Vereinigung großer Bermögen in einer Hand nicht einfach vom Uebel, denn dank dem Großbetrieb, dank den von der Regierung streng durchgeführten Fabrikgeseßen, dank dem höheren Gewinn, den die großen Kapitalisten, die Ringe und Trusts erzielen, wird der Arbeiter besser und regelmäßiger bezahlt, die Werkstätten sind heller, geräumiger und besser ventilirt, die tüchtigen Arbeiter immer sicher, Beschäftigung zu finden. Die kleinen Meister fönnen beim besten Willen diese Vortheile nicht gewähren, und so sehr aus anderen Rücksichten das Verschwinden des kleinen

1) Science of Statistics. P. I. Statistics and Sociology. XVI 399 3. P. II. Statistics and Economics. XIII, 467 S. New York Macmillan. 1895-99.

Mannes zu beklagen ist, so hat der Geselle oder Arbeiter doch keinen Grund die früheren Zustände zurückzuwünschen. Die Reichen sind heutzutage nicht so unabhängig wie früher. Wollen sie ihr Einkommen nicht beschränken, so müssen sie ihre Kapitalien auslegen, oder auf die Zinsen, die es tragen könnte, verzichten. Je mehr Kapital auf den Markt geworfen wird, desto tiefer sinkt der Zinsfuß, desto leichter können unternehmende und gewandte Geschäftsleute Anleihen unter billigen Bedingungen machen.

Sehr eingehend sind die Gewerkschaften in den verschiedenen Ländern behandelt. Obgleich dieselben ein Hauptbollwerk gegen die Uebergriffe der Arbeitgeber sind und durch ihre Schiedsgerichte, ihre Unterstüßung der Arbeiter viel Gutes geftiftet haben, entspricht ihre Zunahme durchaus nicht ihrer Wichtigkeit Namentlich in den Vereinigten Staaten sind die Schwankungen in der Mitgliederzahl höchst auffallend. Vereine, die ihre Mitglieder bei Hunderttausenden gezählt haben, schrumpfen auf einige Tausende zusammen. Auch die Conförderation der ein zelnen Vereine ist auf große Schwierigkeiten gestoßen. Verfasser meint, eine Verbindung von Tagelöhnern mit Handwerkern und Maschinisten könne keinen Bestand haben. Sehr eingehend beschäftigt sich Verfasser mit den Bodenverhältnissen und der Lage der Bauern in England. Von 1841-73 nahm die Bodenrente beständig zu, erzielten die Pächter stetig wachsende Gewinne, von 1873 sanken die Pachtpreise und die Gewinne der Pächter und sind seit dem Jahre 1893 geringer als im Jahre 1842. Ter Bodenzins ist im Durchschnitt um 40 Procent vermindert worden, der Adel und alle die, welche ihr Geld in Ländereien angelegt, haben somit gewaltige Einbuße erlitten.

Die Schlüsse, die Verfasser aus der Einkommensteuer der verschiedenen Länder zieht, können hier leider nicht vorgeführt werden, sie zeigen, daß im modernen Staat die Zahl derer, die nicht genug zum Leben und Sterben haben, sehr groß ist. daß Millionen sich die größten Entbehrungen auferlegen müssen. Der Staat hat jedoch durch sein Einschreiten vielfach das Loos der Armen erleichtert.

XXXI.

Die Christenverfolgungen im römischen Reiche und die moderne Geschichtschreibung.

(Schluß.)

Sehr beachtenswerth ist endlich die Stellung, welche die von uns mehrfach genannten Autoren zu der legten großen Verfolgung der Kirche unter Diokletian und seinen Mitregenten einnehmen. Soweit auch ihre Ansichten über die legten und tiefsten Beweggründe auseinandergehen, welche Diokletian auf diese verhängnißvolle Bahn getrieben haben, so sind sie doch alle einig in dem Bemühen, sein Vorgehen möglichst zu entschuldigen und die Verfolgung selbst in ihrer Tragweite abzuschwächen. Im Widerspruch mit der Darstellung des Eusebius1) hält es H. Schiller zunächst für falsch, daß Diokletian überhaupt je die Christen begünstigt habe; er habe sie blos tolerirt, weil er mußte, aber nie auf den Gedanken verzichtet, dem Heidenthum seine Alleinherrschaft im Reiche wieder zu sichern.) Mit den meisten neueren Autoren erklärt auch Schiller die Verfolgung Diokletians aus politischen Motiven, wobei er es an ungerechtfertigten Beschuldigungen gegen die Verfolgten nicht fehlen läßt.3)

1) Eusebius, Kirchengeschichte, VIII, 1. 2, H. Schiller a. a. D. II, 154.

3) Ganz anders Niebuhr, welcher sagt, daß Diokletian und seine Rathgeber mit Gewalt gegen den Strom gehend, ganz gegen das Bedürfniß (auch nur vom menschlichen Standpunkt angesehen) die christliche Religion unterdrücken wollten.

Heitor polit. Blaster CXXVII 5 (1901)

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Unter Anderem leistet er sich folgenden Sat: „Das Christenthum negirte den heidnischen Staat, erklärte die Ehe mit Nichtchristen für Sünde und Ehebruch, und der Kriegsdienst erschien ihm durchaus als Sünde." 1)

Tie Verschärfung der anfänglich noch milden Maßregeln des Herrschers wird von ihm ohne Weiteres dem „christlichen Fanatismus“ zur Last gelegt, wie er es auch für wahr scheinlich hält, daß die Palastbrände in Nikomedien von lezterem ausgegangen seien. Er beschuldigt weiterhin die Gläubigen, daß sie in einzelnen Gegenden versucht hätten, den Kaisern aktiven Widerstand zu leisten, wobei christliche Priester die Hand mit im Spiele gehabt haben sollen.) Im Uebrigen sucht er die Härte der Verfolgung möglichst abzumindern und behauptet, daß die Zahl der Hinrichtungen selbst im Orient gering gewesen sei. Die standhaften Christen „überließen sich dem unwiderstehlichen Drange des Martyriums, zu dem freilich nicht immer religiöse Schwärmerei, sondern auch bisweilen Eitelkeit und noch schlimmere Beweggründe verführten."3) Daß Galerius der Verfolgung ihren blutigen Charakter gegeben habe, der von Diokletian anfänglich perhorrescirt worden war, wird von H. Schiller zugestanden: übrigens schreibt er die Schilderungen der christlichen Schrift steller über die lezte Krankheit des Galerius ihrem wilden Hasse gegen den Verfolger zu.4)

1) H. Schiller a. a. D. II, 155. Einen sehr eigenthümlichen Standpunkt nimmt auch L. Jepp ein („Kaiser Diokletian und seine Stellung in der Geschichte“ in der Zeitschrift für allgemeine Geschichte 1855, S. 112 ff.), der die Verfolgung seitens Diokletians für berechtigt hält, weil die christlichen Soldaten sich heraus: fordernd benommen hätten und die Gläubigen sich weigerten, das herkömmliche Weihrauchopfer zu Ehren des Kaisers darzubringen. Diokletian mußte einschreiten, wenn er nicht gewissenlos handeln und nicht die öffentliche Autorität preisgeben wollte (') a. a. C.

S. 120.

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Eine ähnliche, wenn auch nicht immer gleich gehässige Tendenz der Darstellung dieser Vorgänge begegnet uns bei J. Burckhardt: Die Zeit Konstantin's des Großen (1880). Auch ihm sind Laktantius und Eusebius sehr einseitige und in Folge dessen auch vielfach unglaubwürdige Parteischriftsteller; namentlich polemisirt er gegen ersteren bezüglich der Veranlassung und Motive der diokletianischen Verfolgung.1) Obwohl er die religiöse Superstition Diokletians mit Nachdruck betont,2) glaubt er doch, daß politischer Argwohn gegen die Bekenner des christlichen Glaubens das treibende Motiv der Verfolgung gewesen sei, und er hält diesen Argwohn gar nicht für unbegründet.3) Ihm gilt es wenigstens für sehr wahrscheinlich, daß Christen den kaiserlichen Palast in Nikomedien in Brand gesteckt hätten, und er hält auch eine Theilnahme derselben an den in Asien eben damals ausgebrochenen Aufständen nicht für ausgeschlossen.“)

Noch weiter in gehässiger Auffassung geht E. Gibbon, der von gegenseitigen Herausforderungen zu einem Religionsfriege spricht, während er die Hinneigung der Mutter und Tochter des Diokletian zum Christenthum nicht ohne eine spöttische Bemerkung zugibt und über den angeblichen Aberglauben der Bekenner desselben in Ausfällen sich ergeht.") Das Vorgehen des Maximian und Galerius gegen die Christen wird bei ihm durch den unflugen Eifer der letteren (zunächst der christlichen Soldaten) zu entschuldigen gesucht.")

1) J. Burchardt a. a. D. S. 289 ff. 2) J. Burchardt a. a. D. S. 41.

3) Burckhard ta. a. D. S. 296 ff. Sehr sonderbar berührt seine ohne Beweismaterial aufgestellte Behauptung, daß viele Bischöfe schon im 3. Jahrhundert entartet gewesen seien (S. 140). Andererseits erkennt er doch auch an, daß an der Alterung und Verkommenheit der römischen Zustände das Ghristenthum keine Schuld trage (S. 250).

4) J. Burckhardt a. a. D. S. 297 ff.

5) E. Gibbon a. a. D.

6) E. Gibbon a. a. D.

Sp. 446 ff.

Sp. 448 ff.

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