ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

XXXV.

Der Tod der Königin Viktoria.

Ein Rüdblid.

Der Tod der Monarchin, die von 1837-1901 den englischen Thron geziert hat, kam nicht unerwartet. Alter, Krankheiten, herbe Verluste im Familienkreise, vor Allem die ganz unversehenen Mißerfolge in Südafrika hatten die bereits erschütterte Gesundheit der Königin untergraben. Daß sie jedoch gerade in dem Zeitpunkt gestorben, in dem für England eine Einlenkung auf friedliche Bahnen noch möglich war, fann nicht nur für England, sondern auch für Europa verhängnißvoll werden. Ihr Nachfolger kann schon wegen jeiner engen Beziehungen zu der liberalen Partei die blinde Leidenschaft der Imperialisten nicht niederhalten und befindet sich in der traurigen Lage, den ebenso ungerechten als unglücklichen Krieg in Südafrika fortsegen zu müssen, der für den inneren Frieden und die Ruhe Englands verderbliche Folgen haben kann.

So ausführlich auch über die Wandlungen geschrieben worden ist, welche während der mehr als sechzigjährigen Regierung der Königin stattgefunden haben, so sind sich wohl nur die Wenigsten bewußt, daß die Demokratie die Aristokratie im Regieren abgelöst, daß in der Pfarrei, dem Distrikt, der Grafschaft, in den Municipalitäten alle die, welche früher maßgebenden Einfluß geübt haben, verschwunden sind und dem County Council, einem vom Volke gewählten Ausschuß,

Plaß gemacht haben. Der Squire (Großgrundbesizer), Parson (Pastor), der aus dem hohen und niederen Adel gebildete Grafschaftsrath sind alle von der Bühne verschwunden, die Aristokraten müssen froh sein, wenn sie in dem County-Council neben dem kleinen Manne und dem Arbeiter einen Plaz finden. Wird die neue Demokratie in die Fußtapfen der Aristokratie eintreten, eine äußere Politik gutheißen, die von Annexionen zu Annexionen schreitet, indem jeder blutig ausgefochtene Krieg den Keim eines neuen Krieges trägt? Werden Arbeitgeber und Arbeiter den Betheuerungen der leitenden Staatsmänner trauen und glauben, daß mit jedem Kriege die Eröffnung neuer Märkte für die britische Industrie ver bunden sei? Wer weiß es? Der ebenso dreiste als waghalsige Chamberlain hat durch die ihm ergebene Presse die öffentliche Meinung so sehr beeinflußt, daß die demokratischen Elemente, welche naturgemäß die Künste des Friedens dem Kriege vors ziehen, nicht zu Worte gekommen sind; aber es hieße durchaus den Charakter des englischen Volkes verkennen, wenn man annehmen wollte, die englische Demokratie werde das ihnen von den Imperialisten auferlegte Joch geduldig tragen und eine den englischen Anschauungen schnurstracks widerstrebende Politik auf die Dauer verfolgen.

Es ist wahr, unter der Königin Viktoria hat England eine lange Reihe von Kriegen geführt, große Eroberungen gemacht; aber diese Kriege waren meistens von kurzer Dauer und konnten allenfalls als Akte der Nothwehr oder als natur gemäße Entwicklung der gegebenen Verhältnisse dargestellt werden. England nahm die Geschenke, welche ihm seine unternehmenden Söhne oder Handelsgesellschaften machten, und verleibte große Länderstrecken, zahlreiche Nationen dem großen Reiche ein. Die Herrschsucht machte sich nur in gewissen Kreisen geltend und wurde von der liberalen Partei unter Bright, Gladstone bekämpft. Der neue Herrscher kann sich den Namen Mehrer des Reiches nicht so leicht erwerben und wird, wenn er das große Reich durch Eroberungen ver

größern will, jedenfalls weit größere Opfer zu bringen und die Forderungen seiner Bundesgenossen, die wahrlich keinen kleinen Preis fordern werden, zu befriedigen haben. Ein so unverhofftes Loos, daß England während der sechzig Jahre, ohne Bundesgenossen zu haben, so viele, und zwar werthvolle Besitzungen sich erwerben und behaupten konnte und alle die Absichten der Gegner, welche seine Absichten zu durchkreuzen suchten, zu vereiteln vermocht hat, läßt uns das beständige Glück, das die äußere Politik der Königin verfolgte, noch wunderbarer erscheinen als das der Königin Elisabeth. Während Elisabeth für ihre Gegner Spanien und Frankreich ein Pfahl im Fleische war, dieselben nie zur Ruhe kommen ließ, hat sie troß der großen Summen, die sie auf Heer und Flotte verwandt hat, weder ihr Reich vergrößert, noch den festen Grund zu einer großen Seemacht gelegt. Abgesehen von Schottland, das den Franzosen entfremdet wurde, hat sie (die amerikanischen Colonien kommen kaum in Betracht) wenig zur Erweiterung der Grenzen ihres Reiches beigetragen.

Unter Georgs III. langer Regierung (1760-1820) wurden den Franzosen und Spaniern wichtige Colonien abgenommen, wurde durch die Ostindische Gesellschaft der Grund zum Weltreich Indien gelegt. Aber gerade unter dieser Regierung gingen die nordamerikanischen Colonien verloren; überdies mußten im Wiener Frieden manche der von den Engländern beseßten Colonien zurückgegeben werden. England war nach dem Riesenkampf mit Napoleon ganz erschöpft: trotz der hohen Steuern war die Schuldenlast stetig gewachsen ; selbst die Hoffnung, welche die Kaufleute während des langen Krieges aufrecht gehalten hatte, erfüllte sich nicht. Man riß und schlug sich nicht um englische Fabrikate, man hatte während der Continentalsperre gelernt, sich ohne die englischen Waaren zu behelfen. Wie weit besser lagen die finanziellen Verhältnisse unter Königin Viktoria, weder während des Krimkrieges (1853-54), noch während des Sipahikrieges in Indien (1857) wurden die Kriegssteuern drückend, sie wurden zum Histor..polit. Blätter CXXVII 5, (1901)

25

Theil von den Colonien getragen. Wie in dem großen amerikanischen Bürgerkrieg die Nordstaaten dank dem Auf blühen von Handel und Gewerbe durch den langjährigen Krieg von 1861-65 nicht erschöpft, sondern zu neuer Thätig feit angeregt wurden, so waren die kurzen und meist glücklich geführten Kriege unter Viktoria mehr einem Aderlaß zu ver gleichen als einer Blutabzapfung.

Wohin wir uns wenden, überall sehen wir die Engländer als Pioniere vordringen; ihrer Ausdauer, Thatkraft und Findigkeit bleibt nichts unerreichbar, und wenn diese unternehmenden Männer über die Apathie und Gleichgiltigkeit der Regierung flagen, so muß man bedenken, daß die englische Regierung für Entdeckungen, Eröffnungen neuer Märkte, Anlegung von Handelsstraßen, Gründung von Niederlassungen ungleich mehr that, als irgend eine andere europäische Re gierung. Wir wollen die Fehler, welche dem englischen Colonialwesen anhaften, keineswegs bestreiten, aber zur Steuer der Wahrheit muß bekannt werden, daß die Staatsmänner im Mutterland sowohl als in den Colonien von dem Gedanken zurückgekommen sind, die Colonisten so viel als möglich aus zubeuten. Wenn die Engländer in dieser Beziehung die Vereinigten Staaten nicht erreicht haben, so haben sie ihr Beispiel doch vor Augen gehabt. Bei größerer Klugheit und Umsicht hätte sich freilich mehr erreichen lassen, hätte namentlich die schwere Schuldenlast der Colonien vermindert werden können. Dies gilt nicht bloß für Australien und Canada, wo die Bevölkerung europäisch ist, sondern ebenso sehr für die Colonien, in den die Engländer einen nur kleinen Bruch theil bilden.

Ueber die innere Reform Englands unter Königin Viktoria ist so viel geschrieben worden, daß wir uns kurz fassen können. Wir unterscheiden vor allem eine religiöse, ethische und sociale Reform und wollen kurz den direkten und indirekten Einfluß der Königin nachweisen. Holmes, der das innere Leben der Königin beschrieben hat, läßt uns gerade in diesem Punkte

im Stich. Die Königin nahm den anglikanischen Standpunkt ein und war feineswegs gewillt, sich ihre Vorrechte als Oberhaupt der Kirche verfümmern zu lassen. Sie war den Evangelikalen weit mehr zugethan als den Traktarianern ; es hieße sie mit falschen Federn schmücken, wollte man sie mit den Segnungen in Verbindung bringen, welche die Oxford-Bewegung der anglikanischen Kirche gebracht. Die Königin war keine tief religiöse Natur, die große geistige Bewegung ließ sie mehr oder minder kalt. In der Religion betrachtete sie weit mehr die kirchenpolitische als die religiöse Seite und hegte einen natürlichen Abscheu gegen Alle, welche die Freiheit der Kirche anstrebten. Ein Samuel Wilberforce mit seinen höfischen Manieren war ihr viel sympathischer als ein Newman Keble, Pusey mit ihren idealen Zielen. Sie fonnte die besten Söhne der englischen Kirche weder verstehen noch würdigen. Der Umstand, daß sie in Schottland schottischen Gottesdiensten beiwohnte, schottische Theologen, wie Tulloch, gern um sich duldete, zeigt, daß sie keine strenge Anglikanerin war, daß ihr der Gottesdienst weit mehr als äußere Ceremonie galt, weit weniger ein Herzensbedürfniß war.

Weit wirksamer war ihr Einfluß auf ethischem Gebiet. Ausgezeichnet durch Reinheit der Sitten, geziert mit den echt weiblichen Tugenden, welche das Familienleben erheben und verschönern, leuchete sie ihren Unterthanen als Musterbild ehelicher Treue, rührender Anhänglichkeit an ihren Gatten, zärtlicher Liebe gegen ihre Kinder vor. Das englische Volk hat ihr das gute Beispiel ihrer Tugenden nie vergessen und manche Fehler, die sie sich zu Schulden kommen ließ, z. B. ihr Mangel an Sympathie, an Wohlthätigkeit, sind gerne verziehen worden. Viktoria war weder ein Engel der Liebe, deren Herz allen Unglücklichen und Armen entgegenschlägt, noch ein Philanthrop, der allen alles werden wollte, aber sie hielt sich trog des Clangeistes, den sie nicht ganz überwinden konnte, frei von der Gefühllosigkeit und Unnahbarkeit so vieler Vornehmen. Mit ihrem großen Einkommen hätte

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »