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LX.

Socialer Katholicismus. "

Als auf der Generalversammlung der Görresgesellschaft zu Ravensburg (im August 1899) bekannt gemacht wurde, daß eine Neuauflage des von der Görresgesellschaft herausgegebenen Staatslexikons sich als nothwendig herausgestellt habe, und daß dieselbe unverzüglich in Angriff genommen. werden solle, wurde diese Mittheilung im katholischen Deutschland mit freudiger Ueberraschung und Genugthuung aufgenommen. Es lag in ihr der beste Beweis, daß der Erfolg des großen Unternehmens ein unerwarteter und glänzender gewesen, und daß die Absichten, welche zur Herausgabe dieses Werkes veranlaßten, volle Zustimmung fanden. Die erste Auflage hatte im Jahre 1889 zu erscheinen begonnen und war erst im Jahre 1897 zum Abschlusse gebracht worden, nachdem durch den Tod des hochverdienten ersten Redakteurs Dr. Bruder, Custos an der Universitätsbibliothek zu Innsbruck, ein Wechsel in der Leitung eingetreten und dieselbe in die Hände von Dr. Julius Bachem in Köln übergegangen war.

1) 1. Staatslexikon. Unter Mitwirkung von Fachmännern herausgegeben im Auftrage der Görresgesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland von Dr. Julius Bach em, Rechtsanwalt in Köln. Zweite neubearbeitete Auflage. I. Bd. IV S. u. 1440 Sp. Lex. 8°. (13,50 M.)

2. Turmann Max, Professeur au Collège libre des sciences sociales: Le développement du Catholicisme Social depuis L'Encyclique ,,Rerum Novarum" (15. Mai 1891) Paris. Felix Alcan, 1900. gr. 8. III u. 334 S. (5 Fr.)

Histor. polit. Blätter. CXXVII. 8. (1901.)

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So mußte bereits zwei Jahre nach vollendetem erstmaligen Erscheinen des Werkes zur Neuauflage geschritten werden.

Vielleicht ist mancher von dem Werth und Nußen eines solchen Werkes, das nun mit zahlreichen anderen großangelegten Sammelwerken in Concurrenz treten soll, noch nicht hinlänglich überzeugt. Wer über die Zweckmäßigkeit und das Zeitgemäße, ja über die Nothwendigkeit eines solchen auf katholischen Grundjäßen aufgebauten Werkes noch im Zweifel ist, der fasse den nachstehenden Ausschnitt aus dem Programm ins Auge, welches der Generalversammlung in Münster im Jahre 1878 vorgelegt wurde. Dasselbe verbreitet sich über die leitenden Ge= sichtspunkte, welche für die Bearbeitung des geplanten Staatslexikons maßgebend sein sollten, in folgender Weise:

Das Hauptgewicht wird auf die Erörterung der fundamentalen Begriffe von Religion und Moral, Recht und Gesez, natürlichem und positivem Recht, von Staat und Kirche, Familie und Eigenthum zu legen sein. Das Recht ist auf seinen ewigen Urgrund, den Schöpfer selbst. zurückzuführen, das Naturrecht als Grundlage und Norm der positiven Rechtsbildung zur Anerkennung zu bringen; es sind die sittlich-rechtlichen Momente zu betonen, welche die Verbindlichkeit menschlicher Gesetze für das Gewissen der Individuen bedingen. Staat und Gesellschaft sind als die von Gott gewollte Ordnung mit dem Zweck des Menschen und der Menschheit in Verbindung zu bringen; die Familie ist als die Grund- und Unterlage aller staatlichen und gesellschaftlichen Organisation uud Entwickelung zu vertheidigen. Eine besondere Aufmerksamkeit wird der Behandlung der volkswirthschaftlichen und socialpolitischen Fragen zuzuwenden sein. Dem verderblichen Systeme gegenüber, welches in denselben feine anderen Gesichtspunkte angewandt wissen will, als die bei Kauf und Verkauf maßgebenden, sind mit allem Nachdruck die von allen menschlichen Verhältnissen unabtrennbaren sittlichen und religiösen Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen. Für die Tarlegungen der Beziehungen zwischen Staat und Kirche werden selbstverständlich die feststehenden Principien der kirchlichen Lehre und der katholischen Wissenschaft maßgebend sein. Mit strenger Wahrung des katholischen Standpunktes ist sorg: fältiges Eingehen auf die besonderen Bedürfnisse der modernen

Gesellschaft unter genauer Würdigung der jedesmal einschlagenden thatsächlichen Verhältnisse zu verbinden". (Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.)

Kaum aber wird jemand die Nothwendigkeit einer socialwissenschaftlichen Schulung für den Gebildeten unserer Tage in Zweifel ziehen wollen. Die wirthschaftlichen und socialen Umwälzungen, welche die Neuzeit erfahren hat, das Wirken der verschiedenen politischen Parteien, die Aufgaben, welche den gesetzgebenden Körperschaften gestellt sind — all das hat unserer Zeit gleichsam das Stigma aufgedrückt und das ab: gelaufene 19. Jahrhundert zu einer Aera der Socialpolitik gemacht. Der Ausbau der socialen Gesezgebung ist aber noch lange nicht abgeschlossen, die berechtigten Wünsche der handarbeitenden Klassen, des Mittelstandes, der bäuerlichen Bevölkerung sind keineswegs schon in allem Nothwendigen erfüllt, für Arbeiterschuß und Arbeiterversicherung bleiben noch gewaltige Aufgaben zu lösen, wie ein großes verhängnißvolles Fragezeichen lastet nach einem Worte Professor Adler's (Art „Arbeitslosigkeit", Handwörterbuch der Staatswissenschaften 2. Auflage I. Band) das Problem der Arbeitslosigkeit auf der heutigen Gesellschaft; mit dem Namen „Arbeitslosigkeitsversicherung“, „Witwen- und Waisenversicherung" find große, schwierige und verantwortungsvolle Aufgaben der Gesetzgebung und der Selbsthilfe der unmittelbar betheiligten Klassen gestreift, und so wird voraussichtlich auch dem 20. Jahrhundert der Ruf eines socialen Jahrhunderts in noch höherem Maße zukommen als dem abgelaufenen. Damit ist aber Eines klar geworden: daß eine socialwissenschaftliche und nationalökonomische Bildung wenigstens in ihren Hauptelementen für einen jeden zur Nothwendigkeit wird, der gerade in den aktuellsten Fragen der Zeit ein Wort mitreden will.

Anbetrachts dieser unerläßlichen Pflicht, sich eine solche Bildung zu verschaffen, erhebt sich die Frage: Mit welchen literarischen Hilfsmitteln ist die Möglichkeit geboten, sich in diesen schwierigen und complicirten Fragen der Wirthschaftsund Socialpolitik zurechtzufinden? Gerade bei der unübersehbaren Menge literarischer Erzeugnisse, die sich mit socialen. Dingen befassen, darf diese Frage mit vollem Recht gestellt

werden. Wer etwas am literarischen Leben der Gegenwart Antheil nimmt, weiß auch, welch eine Unzahl von theils hochwissenschaftlichen, theils populären und praktische Zwecke verfolgenden Arbeiten gerade über diesen Gegenstand den Bücher markt füllen. Jede Weltanschauung, jedes philosophische System, ja jede Parteigruppe ist bemüht, in ihrem Sinne die sociale Frage zu bearbeiten und mit ihren Grundsäßen nach der Lösung zu suchen. Manchestermänner und Kathedersocialisten, radikale Socialisten und Conservative, Scharfmacher" und Demokraten, Protestanten und Katholiken, Darwinisten und Evolutionisten, Christlich-Sociale aller Schattirungen fühlen sich zur Mitarbeit an der socialen Frage berufen und jeder Parteistandpunkt sieht natürlich die Sache in einem anderen Lichte. Nichts ist gewisser, als daß Religion und Moral die Stellungnahme zu den betreffenden Fragen wesentlich bedingen, weil eben Wirthschaft und Ethik selbst in einem sehr naher Zusammenhang miteinander stehen.

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Bei dieser fast zu großen Auswahl zwischen den Helfern gegen die socialen Nöthen der Zeit, die oft mehr oder weniger marktschreierisch ihre Palliativmittel angreifen, ist ein sicherer Führer auf diesem etwas schlüpfrigen und abgründigen Terrain und ein Wegweiser durch den Urwald der unübersehbaren Literatur von größtem Werth. Es ist nun nicht gar so lange her, daß fast ausnahmslos nur solche Werke zu Gebote standen, die auf einem anderen Boden als dem der christlichen Grundsäße erwachsen waren. Das kann auch um so weniger Wunder nehmen, als die Katholiken auf den Lehrstühlen der Nationalökonomie und Staatswissenschaft so gut wie nicht vertreten sind. Christliche Nationalökonomen, wie Wilhelm von Roscher an der Leipziger Universität, waren selbst auf protestantischer Seite eine Seltenheit. Es wurde für unwissenschaftlich gehalten, etwa von einem Einfluß der Religion auf das Wirthschaftsleben zu reden, die Trennung beider galt geradezu als wissenschaftliches Axiom, als erster Artikel des ökonomischen Credo. Das waren jene Zeiten, wo das Manchesterthum bei den Fabrikanten wie bei den Lenkern der Staaten in höchsten Ehren stand, und wo von den gelehrten Volkswirthen Loblieder auf die herrliche und unentbehrliche Triebfeder alles wirth

schaftlichen Lebens, den möglichst uneingeschränkten Eigennuß, angestimmt wurden. Das ist heute freilich ganz anders geworden, eine weitverbreitete wissenschaftliche Schule, die ethische Nationalökonomie, legt schon durch ihr Dasein Zeugniß dafür ab, daß Ernst damit gemacht wird, den Zusammenhang des wirthschaftlichen Lebens mit den sittlichen Normen zu begreifen.

Soviel ist klar: die Katholiken entbehrten eines Werkes, welches das weite Gebiet der wirthschaftlichen, socialen und staatsrechtlichen Fragen im Geiste der christlichen Principien behandelt hätte. Man war ausschließlich auf die Arbeiten von Nationalökonomen und Juristen, welche dem Christenthum und vornehmlich dem Katholicismus mehr oder weniger feindselig gegenüberstanden, angewiesen, was um so bedauerlicher war, als gerade auf dem Gebiete des Wirthschafts- und Rechtslebens die Anschauungen des Forschers über Religion und Ethik das Resultat wesentlich bestimmen müssen. Die Lücke war sehr empfindlich, und deswegen hat auch das Projekt eines nach katholischen Grundsäßen bearbeiteten Staatslexikons die Görresgesellschaft von ihrer Gründung an begleitet.

Diese Ausführungen im Zusammenhalt mit den oben an= gegebenen Programmpunkten werden genügen, um das große Unternehmen nicht nur als höchst zweckmäßig und zeitgemäß, sondern geradezu als nothwendig erscheinen zu lassen. Gerade die Betonung der principiellen Grundlage, auf die das ganze Werk zu stehen kommen sollte, macht es besonders werthvoll. Eine geringe Kenntniß der sociologischen und nationalökonomischen Forschungsmethoden genügt, um zu wissen, daß dieselben fast insgesammt unter dem Banne des ethischen Evolutionismus stehen. Freilich wäre es erstaunlich, wenn dem nicht so wäre. Denn der Evolutionismus ist geradezu die Signatur de modernen Wissenschaft auf fast allen Gebieten, und daraus erklärt es sich auch, daß man die Annahme feststehender Wahrheiten und unabänderlicher Normen für das sittliche Handeln als unvereinbar mit dem wissenschaftlichen Denken zurückweist. Alle Sittlichkeit ist nur der Niederschlag entweder der ökonomisch-technischen Entwicklung, wie der Marrismus und die materialistische Geschichtsauffassung annimmt, oder aber der Reflex des jeweiligen gesellschaftlichen Milieus. Der

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