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LXVI.

Zeitläufe.

Ueber die neue Welt und im neuen Deutschland.

Den 23. April 1901.

In dem am 15. April abgehaltenen geheimen Consistorium zur Ernennung der neuen Cardinäle hielt Se. Heiligkeit Papst Leo eine Ansprache über die gegen die Katholiken sich richtenden schmerzlichen Vorgänge, welche eine immer bedrohlichere Gestalt annähmen, und sich von einem Theile Europa's zum andern fortsetten. Von „verschiedenen räumlich getrennten, aber durch gleichartige Gesinnung geeinten Stellen" aus werde der Feldzug geführt, und hiedurch würden dann die inneren Grundlagen der menschlichen Gesellschaft zerstört. Der Papst sehe mit Betrübniß für die Zukunft noch größere Gefahren und fordere die Menschen auf, zu Gott ihre Zuflucht zu nehmen. Schon vor zwei Jahren hat indeß das gottbegnadigte Oberhaupt der Kirche die Dinge heraureifen sehen, wie sie nun zutage treten. Als er am 11. Mai das kommende Jahr des großen Jubiläums ankündigte, schilderte er den treuen Katholiken das Bild der Lage:

„Wenn man Umschau hält und den Blick nach der entgegengesezten Seite wendet: welche Blindheit, welche Verirrung, welch' eine Menge von Menschen, die dem ewigen Verderben zucilen! Das Herz preßt sich uns zusammen, so oft Wir daran denken, daß so viele Christen, verlockt durch eine zügel

lose Freiheit im Denken und Empfinden, das Gift verderblicher Lehren gierig in sich aufnehmen und unablässig daran arbeiten, die unschätzbare Gnade des heiligen Glaubens in ihren Herzen zu zerstören Daher der Widerwille gegen ein wahrhaft christ liches Leben und die weit um sich greifende Sittenverderbniß, daher die glühende unersättliche Gier nach Dingen, die den Sinnen schmeicheln, daher jenes Sinnen und Trachten, das von Gott sich gänzlich abwendet und in das Irdische sich ver gräbt Es läßt sich kaum mit Worten wiedergeben, wie groß jezt schon das Verderben ist, welches aus folch' giftigen Quellen selbst in die Grundvesten der menschlichen Gesellschaft sich ergossen hat. Denn die vielfach herrschende Unbotmäßigkeit, die wilden Ausbrüche der Volksleidenschaften, die unsichtbar drohenden Gefahren, die mit Betrübniß uns erfüllenden Verbrechen im Grunde genommen sind sie nicht anderes, als ein schrankens und zügelloses Ringen nach Besiß und Genuß der Erdengüter".1)

Man könnte auf den Gedanken kommen, daß Kaiser Wilhelm bei den Aeußerungen gegenüber den Vorsizenden der preußischen Kammer der Abgeordneten, welche Aeußerungen so gewaltiges Aufsehen erregt haben, dasselbe Bild vor Augen gehabt habe, das der Papst vor zwei Jahren von der jezigen Gesellschaft entworfen hat. Die beiden Präsidenten waren gekommen, um den Kaiser zu der Rettung aus dem Vorfall in Bremen zu beglückwünschen. Freilich hat sich herausgestellt, daß der Attentäter ein unzurechnungsfähiger Epileptiker war; auch ist die Antwort des Kaisers in ihrem Wortlaut nicht bekannt geworden. Aber so viel steht fest, daß er mit sichtlicher Bewegung die Zeichen der Zeit hervorhob: die Jugend sei demoralisirt; alle Stände ohne Unterschied trügen die Schuld an den Zuständen; die Maßnahmen der Staatsregierung würden einer zu scharfen Kritik unterzogen; seit dem Tode Kaiser Wilhelms 1. habe die Autorität der Krone stark gelitten". Daß nun derselbe

1) Berliner „Germania“ vom 5. Dezember 1899

Monarch, der wie kein anderer sich in den Streit und den Zwiespalt des Tages gestellt, seine Person und sein Talent mit einer so ungeheueren Machtfülle umgeben hatte, über den Niedergang der Autorität der Krone klagt: mußte verblüffend wirken.

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Die Herren Beglückwünscher hatten auch auf die Mordversuche Hödels und Nobilings auf den kaiserlichen Großvater hingewiesen. Wilhelm I. hatte damals seinen Ministern erwidert: Sorgen Sie dafür, daß dem Volke die Religion erhalten wird". Es ist bezeichnend, daß der Enkel jezt hervorhob: die Jugend sei verwildert und verderbt. Damit meinte er nicht die verwahrloste Jugend der Armen, deren Rettung jezt der preußischen Regierung so viel Sorge macht.1) Sondern er meinte die Verrohung und Entsittlichung der Jugend überhaupt, welche die Folge der Zunahme der Irreligiosität sei, worüber ebenfalls vor zwei Jahren Professor Paasche im Reichstag Aufsehen erregende Aufschlüsse gab.*) Ueberhaupt dürften schon diese lezten kaiserlichen Offenbarungen allen früheren Täuschungen über die Möglichkeit eines liberalen“ oder gar „demokratischen“ Kaiserthums ein Ende bereitet haben.)

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Das tiefste Bedauern und die schwersten Besorgnisse für die Zukunft, nicht am wenigsten von nationalliberaler Seite, erweckten aber die Vorgänge bei der unter persönlicher Leitung des Kaisers am 28. März erfolgten Ueberführung des Kaiser Alexander-Regiments nach seiner neuen Kaserne. Dieselbe ist ein gewaltiger Bau im Festungsstyl nach Art der alten Burgen, mit Schießscharten in den Thoren verschen. Der Kaiser hielt wieder eine seiner feurigen Reden,

1) Berliner „Kreuzzeitung" vom 31. Januar d. Js.

2) Berliner „Kreuzzeitung“ vom 7. März 1899; Münchener „Allg. Zeitung" vom 19. März 1899.

3) Berliner „Kreuzzeitung“ v. 10. u. 12. Mai 1900; „Kölnische Volkszeitung" vom 14. Mai 1900.

die, dem Wortlaute nach abermals nicht bekannt gegeben, nach zuverlässiger Mittheilung in der Hauptsache lautete:

„Wie eine feste Burg ragt Eure neue Kaserne in der nächsten Nähe des Schlosses auf, das Ihr in erster Linie zu schüßen stets bereit seyn werdet. Das Kaiser Alexander-Regiment ist berufen, gewissermaßen als Leibwache Tag und Nacht bereit zu seyn, um für den König und sein Haus, wenn's gilt, Leben und Blut in die Schanze zu schlagen, und wenn jemals wieder

(so erinnerte der Kaiser an das opfermuthige und pflichttreue Verhalten des Regimentes Alexander im Jahre 1848)

in dieser Stadt eine Zeit wie damals kommen sollte, eine Zeit der Auflehnung gegen den König, dann, davon bin J überzeugt, wird das Regiment Alexander alle Unbotmäßigkeit und Ungehörigkeit wider seinen königlichen Herrn nachdrücklichst in die Schranken zurückweisen.“

Es ging auch noch das Gerede, der Kaiser wolle zu seiner Sicherung bei Ausfahrten eine radfahrende Wache oder begleitende Lanzenreiter schaffen lassen. „So geht es nun seit zwölf Jahren. Jeder Rede des Kaisers folgen dieselben Erscheinungen. Eine Woche lang wird davon gesprochen. In Bureaux, Contoren, Kneipen, Casinos cin Gewisper, ein Schütteln des Kopfes, Anspielungen in der Presse, im Parlament. Die Commentare der auswärtigen Presse sind für das deutsche Volk noch viel unangenehmer, als für den Kaiser. So wie bisher fann es nicht weiter gehen, wenn wir die Fundamente deutscher Macht uns erhalten wollen. Es muß endlich zu einer Kraftprobe kommen.“ Die Sache gehöre an den Reichstag, ob seine Mehrheit sich für den Kaiser und seine Weltanschauung ausspreche. So wurde in Berlin bereits ohne Hehl dringend verlangt.')

Ueber die Osterstimmung im Deutschen Reich wurde

1) S. das Bismard'sche Organ: „Die Zukunft“ (vom 6. April d. J§.), dessen Herausgeber May Harden bereits wiederholt zu mehrmonatlicher Festungsstrafe wegen Majestätsbeleidigung verurtheilt worden ist.

überall berichtet, daß noch niemals seit dessen Bestehen eine solche Summe von Schwarzseherei und Entmuthigung in der Presse hervorgetreten sei. Namentlich aus Berlin verlautete, daß dort in der politischen Atmosphäre ein trostloser Peffimismus cingesessen sei. Nur das Hauptorgan der Socialdemokraten konnte sich einer Steigerung seiner Auflage um 13,000 Exemplare in Folge der Rede des Kaisers erfreuen. 1) Der hochconservative „Reichsbote" hatte über die Schädigung des monarchischen Prestigs, das allerdings vom Kaiser selbst beklagte Sinken der Achtung vor der Autorität des Staats und der Krone, geschrieben:

„Der größte Feind der Autorität ist ihre Ueberspannung. Kaiser Wilhelm I. hat seine große Autorität dadurch erlangt, daß er bei allem Vollbewußtsein von der Höhe seiner Stellung stets eine weise Zurückhaltung und Selbstbeschränkung seinen Rathgebern gegenüber walten ließ. Bei der ungeheuren Complicirtheit des modernen Staates, wo der einzelne Mann auch bei der größten Begabung nicht alles allein zu machen und zu beurtheilen vermag, kann es der Autorität nur empfindlich schaden, wenn sie nicht die rechte Grenze zu wahren versteht und plöglich mit Aussprüchen und Urtheilen die Welt überrascht, zu denen die ernsten Sachverständigen die Köpfe schütteln. Der moderne Monarch des constitutionellen Staates soll nicht in orientalischer Unnahbarkeit thronen, sondern man begrüßt es mit Freuden, wenn er in und mit seinem Volke lebt, sich um Alles fümmert, seine Augen auf Alles gerichtet hat, die Initiative zu nothwendigen Reformen ergreift, Anregungen gibt, aber alles in stetem berathenden Verkehr mit seinen Räthen. Sonst läuft er Gefahr, plößliche Empfindungen für Nothwendigteiten zu halten, die dann an den harten Realitäten des Lebens scheitern.")

Die peinlichste Verblüffung zeigte sich in der nationalliberalen Presse Süddeutschlands. Sie hatte sich die so oft

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1) Münchener Allg. Zeitung" vom 10. April und „Kölnische Volkszeitung“ vom 9. April d. Js.

2) Aus der Münchener Allg. Zeitung“ vom 31. März d. Js.

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