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in Aussicht gestellte herrliche Zukunft des deutschen Reichs gründlich anders vorgestellt. Und jezt? „So schrieb die bayerische officiöse Augsburger Abendzeitung: die Rede sei geeignet, jeden Vaterlandsfreund mit tiefstem Bedauern und schwersten Besorgnissen für die Zukunft zu erfüllen. Sie erwecke die Befürchtung, daß der Bremer Vorfall bei dem Monarchen Vorstellungen gebildet habe, die das Produkt einer gereizten Phantasie seien.“ „Die Münchener Neuesten Nachrichten schreiben: Es kann die Monarchie nicht fördern, wenn das Volk so häufig wie in der lezten Zeit durch den eigenen Kaiser mißverstanden, verlegt und vor dem Auslande herabgesezt wird." Die Karlsruher ‚Badische Landeszeitung“ äußert: Es wäre zu namenlos traurig, wenn dem Kaijer Anschauungen bleibend würden, die es ihm angebracht er scheinen lassen, den jungen Soldaten und der Stadt Berlin die entsetzlichste Situation vor Augen zu malen, die überhaupt ausgedacht werden kann. Der,Mannheimer Generalanzeiger bemerkt: Wer mit dem Kaiser das Schwinden der Autorität der Krone ehrlich bedauert, wird an den Aeußerungen, die dann geschäftig weiter verbreitet werden, wenig Freude haben. „Gerade bei solchen Gelegenheiten, wo man ein persönliches Hervortreten der kaiserlichen Autorität vordem nicht gewohnt war, fallen oft um so gewichtigere Worte, die Mißbehagen und Unruhe in die weitesten Schichten unseres Volkes und nicht selten auch noch darüber hinaustragen“.

Die Katholiken behielten den Vorgängen gegenüber ruhig Blut. Sie wissen, daß sie von Preußen nichts zu hoffen haben. Als im vorigen Jahre in dem Congreß der Freimaurer zu Paris der große Sturm gegen die katholische Kirche beschlossen und durch die Verbrüderung aller Logen organisirt wurde, die den Ausgangspunkt einer neuen Acra für das neue Jahrhundert bedeuten sollte, da schloß sich

1) Aus der „Kölnischen Volkszeitung“ vom 2. April d. Js.

selbstverständlich auch das Judenthum mit voller Inbrunst der Bewegung an. Vom Judenthum aber hat, wie sein deutsches Hauptblatt fürzlich sagte, der Liberalismus seit Jahren nur noch gelebt und den Unterhalt bezogen. Zu diesen Verbrüderungen gegen die katholische Kirche ist von Preußen aus neuerdings noch gekommen die „Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums"; selbst von protestantischer Seite hat die Nothwendigkeit der neuen Gründung Zweifel erweckt, weil man am Gustavadolf-Verein, dem „Evangelischen Bund“ und neuerdings an der „Los von Rom-Bewegung“ aus Desterreich und an der Hakatisten-Unternehmung gegen die katholischen Polen hätte genug haben können. Wie man sieht, haben die getreuen deutschen Katholiken zur Abwehr genug zu thun, und können das heftig angefochtene Auftreten des Kaisers ruhig auf sich beruhen lassen.

LXVII.

Zur neueren nationalökonomischen und social-
wissenschaftlichen Literatur.”

1. Die Zukunft der socialen Frage. Einen Blick hineinzuwerfen in das Dunkel der socialen Frage, sich über ihre weitere Entwickelung wenigstens im allgemeinen ein Bild zu machen und besonders über die bange Frage sich Auskärung

1) 1. Die Zukunft der socialen Frage von Dr. Georg Adler, Professor in Berlin. Verlag von Gustav Fischer. Jena 1901. 8°. 75 S. (60 Pf.).

2. Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre von Gustav Schmoller. Erster größerer Theil. Erste bis dritte Auflage. Leipzig, Verlag von Duncker & Humblot. 1900. Lex. 8. IX u. 482 S. (12 M.)

Hifter. polit. Blätter CXXVII. 9. (1901.)

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und Beruhigung zu verschaffen, ob überhaupt die sociale Frage, an deren Lösung sich Berufene und Unberufene heutzutage in so großer Anzahl versuchen, sich in befriedigender Weise lösen lassen wird, daran wird jedem Gebildeten gelegen sein. Professor Adler unternimmt es, die zu erwartende Entwicklung in ihren Hauptsächlichen Stadien und in der Richtung, die sie voraussichtlich einschlagen wird, zu skizziren. In dieser Beziehung nimmt Adler innerhalb des kapitalistischen Wirthschaftssystems Keime und Tendenzen wahr, die auf eine günstige Gestaltung der Dinge hinauszulaufen scheinen, und die theilweise im Wesen des Kapitalismus selbst gelegen sind, theilweise wie das Eingreifen der Gesetzgebung erst durch seine Auswüchse hervorgerufen worden sind. Das wichtigste ist nach Adler die nationale Expansion und Entwicklung der Nation zur wirthschaftlichen Weltmacht.

2. Dem Werke des Führers der historisch ethischen Richtung innerhalb der modernen Nationalökonomie sah man mit begreiflicher Spannung entgegen. Schmollers zahlreichste Ar beiten bewegen sich auf dem Gebiete der Wirthschaftsgeschichte; dadurch war nicht ausgeschlossen, daß er auch des öfteren zu principiellen Fragen Stellung nahm, und sein vor einigen Jahren wieder neu aufgelegtes Buch „Ueber einige Grundfragen der Socialpolitik und der Volkswirthschaftslehre“ (Leipzig 1898), welches außer anderen Abhandlungen die berühmte Streits schrift des Berliner Nationalökonomen gegen den aristokratischmanchesterlich angehauchten Heinrich von Treitschte enthält, bot dem Verfasser Gelegenheit genug, sich zu principiellen

3. Süddeutsches Bauernleben im Mittelalter von Dr. Alfred Hagelstange. Leipzig, 1899. Dunder & Humblot gr. 8°. VII u. 268 . (5.60 M.)

4. Socialwissenschaft und sociale Frage. Eine Untersuchung des Begriffes social und seiner Hauptanwendungen Von Dr. jur. et cam. Karl Wasserra b, Honorarprofessor an der Universität München Leipzig, 1900. Dunder & Humblot. gr. 8°. 35 S. (80 Pf.)

5. Der Marxismus und das Wesen der socialen Frage von Paul Weisengrün. Leipzig, 1900. Veit & Co. VI u. 480 S. (12 M.)

gr. 80.

Fragen, insbesondere über das Problem des Verhältnisses von Ethik nud Dekonomik zu äußern. Der Grundriß der allgemeinen Volkswirthschaftslehre mußte selbstverständlich die ethische Auffassung Schmollers noch eingehender behandeln. Er mußte gleichsam das philosophisch-religiöse Programm Schmollers entwickeln. Dieser gilt als einer der Hauptwortführer der ethischen Nationalökonomie, wie sie in scharfem Gegensatz zu Werner Sombart in Breslau und insbesondere Karl Menger in Wien steht. Ursache zu dieser dem christlichen Socialpolitiker so sympathischen Grundauffassung des Wirthschaftsleben ist die historische Betrachtung des lezteren. Dasselbe bietet nicht jene doktrinäre Abstraktion von aller sittlichen und rechtlichen Ordnung, sondern die enge Verknüpfung von Sittlichkeit und Wirthschaftlichkeit dar. Auf diesem Standpunkt steht auch das hier angezeigte Werk. Nachdem der Begriff der Volkswirthschaft klargelegt ist, wendet sich dasselbe in eingehenden, umfassenden Erörterungen der sittlichen Seite der Volkswirthschaft zu und behandelt die psychischen, sittlichen und rechtlichen Grundlagen der Volkswirthschaft und der Gesellschaft überhaupt" (S. 6-74). In diesem bedeutungsvollen Abschnitt gelangen die den Moralisten und Volkswirth gleich interessirenden Kapitel zur Behandlung: Der Erwerbstrieb und die wirthschaftlichen Tugenden (S 39 ff.), ein Gegenstand dessen Behandlung gewiß auch manchem Lehrbuch der Moral wieder Frische und neuen Reiz verleihen könnte; das Wesen des Sittlichen (S. 41 ff.), die sittlichen Ordnungen des gesellschaftlichen Lebens; Sitte, Recht und Moral (S. 48 ff.), den allgemeinen Zusammenhang zwischen volkswirthschaftlichem und sittlichem Leben (S. 59 ff.).

In geistvollen, hochphilosophischen und sprachlich mustergiltigen Erörterungen spricht sich Schmoller über dieses Grundproblem aus. Es erhebt sich aber die Frage: Wie erklärt er denn das Entstehen der sittlichen Pflicht, das bisher noch alle Ethit beschäftigt hat? Warum sieht sich der Mensch innerlich genöthigt, seinen wirthschaftlichen Egoismus zu zügeln, ja ihn oft zu unterdrücken und das Interesse Anderer zu be rücksichtigen? Die christliche Moral weist auf das Naturgesetz

hin, das in der vernünftigen Menschennatur verankert ist und in seinen allgemeinsten Forderungen Mitgift aller Menschen ist. Das führt zurück auf den höchsten persönlichen Gesetzgeber. Anders die moderne Ethik, die sich von allen religiösen Vorstellungen emancipirt hat. Für sie ist der Begriff der sittlichen Pflicht eine Klippe, an der sie jedesmal scheitert, wenn sie ihn zu formuliren unternimmt. Auf diesem Standpunkt bleibt als einziges Auskunftsmittel nur übrig, das sittliche Bewußtsein aus der Entwicklung der Menschheit aus thierischen oder thierähnlichen Zuständen zu höheren Culturformen zu erklären. Den Reflex des jeweiligen Culturstandes bilden dann gröbere oder feinere sittliche Vorstellungen. Es ist die bekannte evolutionistische Milieutheorie, in welche alle im einzelnen noch so sehr nuancirten Gedankengänge der modernen Ethiker einmünden, soweit sie nicht auf dem extrem individualistischen Boden eines May Stirner und der Anarchisten stehen bleiben. Es wäre die Verknüpfung des Menschen in ein größeres sociales Ganzes, in ein vielverschlungenes Neß des Verkehrs, welche die allmähliche Ausgestaltung und Bereicherung des sittlichen Bewußtseins zu erklären hätte.

Zu solcher Auffassung bekennt sich auch die historische Nationalökonomie in der größten Zahl ihrer Vertreter, und troß ihrer hervorragenden werthvollen Detailforschungen gebricht es ihr demzufolge an einer festen principiellen Unterlage. Kritische Köpfe, wie die bereits genannten Nationalökonomen Sombart und Menger, können sich mit derselben auch nicht zufrieden geben. Wie der Leuchtthurm dem Schiffer Verderben statt Rettung bringen würde, wenn er nicht ein klaves Licht verbreitet, bemerkt einmal Sombart gegen die ethische Nationalökonomie, so wäre auch dem Socialpolitiker und Volkswirth mit einer derartigen Ethik nichts gedient, welche die sittlichen Ideen in den Strom der Entwicklung hineinstellt.

Solcher Art sind auch im Wesentlichen die ethischen Anschauungen Schmollers: Das sittliche Urtheil, die Unterscheidung zwischen Gut und Bös ist eine Errungenschaft, welche die aus niedrigen Zuständen zu höheren Daseinsbedingungen emporsteigende Menschheit macht. Wie er auf diesem mühevollen Wege Erfindungen und Entdeckungen mancherlei Art macht,

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