ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

gesunden Ueberlegung weniger als der Marquis de Condorcet, der gleichzeitig in Frankreich für die Emancipation aufgetreten war. Ebenso steht Stuart Mill gegen die Wollstonecraft zurück, der 1869 sein Buch The subjection of Women für radikale Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft erscheinen ließ. Der gefeierte Gelehrte macht sich im Vergleich zu jener Frau ebenso größerer Fehler schuldig wie Bebel in seinem bekannten Buche: „Die Frau und der Socialismus", das dank der Oberflächlichkeit und Unwissenheit der gegenwärtigen Gesellschaft seit 1879 seinen Siegeslauf durch die Welt genommen hat. Auch gegenüber dem deutschen Verfechter der Frauenemancipation im Revolutionszeitalter, dem Königsberger Polizeidirektor T. G. von Hippel, der 1792 sein Buch „lleber die bürgerliche Verbesserung der Weiber" schrieb, dürfte der Wollstonecraft für eine Geschichte der Frauenemancipation größere Bedeutung zukommen, obwohl Hippel den Gegenstand von seinem Standpunkte am allseitigsten behandelt hat.

Die Entwicklung der politisch gefärbten Frauenbewegung in Deutschland ist zunächst ihrer theoretischen Seite nach im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts zu suchen. Auch hierbei interessirt uns der innige Zusammenhang derselben mit der Religion. Gut und richtig hat Duboc1) über die Antheilnahme deutscher Frauen an den politischen Fragen im Beginn des 19. Jahrhunderts geschrieben: „Religion und Politik waren damals kaum zu trennen, sie verschmolzen mit einander in dem Sinne, daß ein gemeinsamer Fortschritt beide Gebiete umfaßte und daß der politische Liberalismus, d. h. die Erschaffung eines neuen, den Zeitforderungen entsprechenden Staatswesens immer oder wenigstens in den allermeisten Fällen gleichzeitig den religiösen Liberalismus

1) Fünfzig Jahre Frauenfrage in Deutschland. Geschichte und Kritik. Leipzig 1896. S. 58. Die Geschichte ist dem Verfasser besser gerathen als die Kritik.

[ocr errors]

bedeutete . Wie die politische Gährung sich des Feudalstaates zu entledigen bemüht war und später des Absolutismus Herr zu werden suchte, so die religiöse und philosophische Gährung der Metaphysik und der christlichen Jenseitigkeit.“

Alle die hervorragenden bürgerlichen Frauen, abgesehen von den sie unterstüßenden Männern, welche den Kampf für die sociale Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland zunächst mehr theoretisch als praktisch einleiten, haben mit der christlichen Jenseitstheologie sehr wenig zu thun und sind für das „junge Deutschland" begeistert. Die intellektuelle Begründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins Luise Otto Peters († 1895) gehört an erster Stelle hierher. Luise Büchner († 1877), die Schwester des bekannten Ludwig Büchner, hat sich vom Materialismus nicht loszuringen vermocht, so aufrichtig ihr Streben, denselben zu „vergeistigen“, gemeint ist, und so vorzüglich ihr 1855 erschienenes Büchlein: „Die Frauen und ihr Beruf" auch sein mag. Es sei hier wiederholt, was im ersten Artikel dieser Arbeit gesagt worden, daß sich in dieser Beziehung zwischen den „gemäßigten“ bürgerlichen Frauenrechtlerinen, deren Organe „Die Frau“ und Neue Bahnen" sind, und den radikalen, welche „Die Frauenbewegung" herausgeben, kein Unterschied zu bemerken ist. Allein eben hierin liegt die Schwäche und Aussichtslosigkeit ihrer Bestrebungen. Die öffentliche Ausschließung der Frauen von der öffentlichen Protestversammlung des Goethebundes gegen die lex Heinze auf Antrag Hermann Sudermanns im vorigen Jahre hat gezeigt, daß die Männer der modernen Weltanschauung den Frauen ebensowenig Rechnung zu tragen geneigt sind, wie die der französischen Revolution.

Die bisher erwähnten Bemühungen, die moderne Frauenemancipation ins Leben zu rufen, hätten wohl noch lange im Stillen wirken müssen, hätte nicht der wirthschaftliche Umschwung des 19. Jahrhunderts ihnen Einfluß auf die

Massen verschafft. Die neue Produktionsweise, welche den Frauen der aristokratischen und bürgerlichen Stände manche weibliche Arbeit abgenommen hat, während sie die Frauen des vierten Standes mit Mannesarbeit belastet hat, brachte das Weib in eine neue sehr fühlbare Nothlage. Die von der Freiwirthschaft entfesselte Habsucht hat aus der wirthschaftlichen Noth der Frau Nußen zu ziehen verstanden, indem sie die billige Hand des Weibes an Stelle der theureren des Mannes beschäftigte. In der erweiterten Berufsthätigkeit, welche die selbst erwerbende Frau neben den Mann gestellt hatte, verlangt nun die Frau auch entsprechenden Schuß und Gleichberechtigung mit dem Manne. Wieder haben wir eine berechtigte Reaktion des Weibes gegen die antichristliche Revolution des wirthschaftlichen Liberalismus vor uns, und wieder können wir nicht in der Reaktion selbst das Uebel sehen, sondern nur in der Art und Weise, wie sie angestrebt wird. In rastloser Thätigkeit haben die Frauen zur Besserung ihrer socialen Lage heute vieles erreicht, was noch vor drei Jahrzehnten manchem unerreichbar schien. Hierauf gründen sich die kühnen Hoffnungen der radikalen Emancipation, daß eine völlige noch nie dagewesene Neugestaltung der Gesellschaft durch die Gleichberechtigung des Weibes auf allen Gebieten des öffent lichen Lebens eintreten werde. Diese Zukunftshoffnungen sowohl wie die Art und Weise, wie deren Verwirklichung angestrebt wird, haben wir jezt der Kritik zu unterziehen.

LXXII.

Die politische Psychologie des englischen Volkes."

Einem Forscher, der sich Jahre lang in das Studium der englischen Literatur und Geschichte vertieft und die Grundgedanken, welche das englische Volk verfolgt hat, zu erfassen versuchte, gewährt es eine große Freude, wenn ein Glücklicher das, wornach er so lange gefahndet, gefunden hat. Das vorliegende Buch von Boutmy ist nicht nur das reichhaltigste und gründlichste, sonderu auch das anregendste von den Büchern, welche dem Referenten seit Jahren zu Gesicht gekommen sind. B. will uns ein klares Bild von dem englischen Volke in seiner gegenwärtigen Phase geben; statt nach englischem Muster den Anfang des 19. Jahrhunderts oder den Anfang der Regierung Viktorias 1837 dem Jahre 1900 gegenüberzustellen, geht B. auf die Anfänge zurück und zeigt, wie sich das englische Volk troß der Wandlungen, die es durchgemacht hat, in wesentlichen Zügen sich gleich geblieben ist. Die guten und schlimmen Eigenschaften der Engländer werden mit dem Milieu, dem Klima, den Rassen, die zur Bildung des Nationalcharakters beigetragen haben, in Verbindung gebracht. Eben weil B. mit einem seltenen Verständniß die lobenswerthen Eigenschaften der Engländer betont, ist er auch befugt, die Schattenseiten hervorzuheben. Der Contrast zwischen Frankreich, der führenden lateinischen Nation, und England, dem germanischen Typus,

1) Essai d'une Psychologie politique du Peuple anglais au XIX. siècle par E. Boutmy. VIII 455 p. Paris, Colin. 1901. (4 Fr.)

zieht sich wie ein rother Faden durch die Darstellung dahin. B. will der eigenen Nation einen Spiegel vorhalten, ihr Ungestüm zügeln, sie zur Mäßigung, Selbstbeherrschung und vor allem zu einer weitgehenden Toleranz abweichender Meinungen auffordern. In dieser Beziehung verfolgt das echt wissen. schaftliche Werk einen eminent praktischen Zweck.

Um dem Leser eine Vorstellung von dem Reichthum des Inhalts zu geben, folgen hier die fünf Theile, in die Verfasser den gewaltigen Stoff gegliedert hat: 1. Der Mensch im Allgemeinen. 2. Das menschliche Milieu. 3. Der moralische und sociale Mensch. 4. Der politische Mensch. 5. Das Individuum und der Staat. Die Engländer sind ebensowenig als die Fran zosen ein homogenes Volk.. Wie uns die neueste Geschichte Amerikas zeigt, das die heterogensten Elemente in sich vereinigt und den in den Schmelztiegel geworfenen Rassen, nachdem sie sich mit den übrigen amalgamisirt haben, den echt amerikanischen Stempel aufdrückt, tragen Blutsverwandtschaft, Identität von Sprache, Sitte, Religion weit weniger zur Verschmelzung der Völker bei, als man angenommen hat. So haben denn die Eroberer, welche sich nach der Reihe in England niederließen, die Angelsachsen, die Dänen, die Normannen, den Nationalcharakter gekräftigt und verjüngt, aber demselben keine wesentlich neuen Elemente zugeführt. Der germanische Charakter hat, wie B. bemerkt, etwas Rohes, Rücksichtsloses, Gewaltthätiges an sich, eine furchtbare Wildheit, die Zeit braucht, sich auszutoben, die nicht nur einmal bei Franken, Sachsen, Longobarden die Errungenschaften der christlichen Cultur zu zerstören drohte. Bis zur normannischen Eroberung durch Wilhelm I. 1066 konnten die sich befehdenden Elemente nicht niedergehalten werden, konnten Ackerbau und Industrie nicht aufblühen, und auch im 13. und 14. Jahrh. war es für England ein Vortheil, daß die politisch Unzufriedenen, die Abenteurer und Glücksritter in den Kriegen mit Frankreich und Schottland Beschäftigung fanden. Nur unter diesen Umständen konnte sich eine Bevölkerung entwickelu, welche die Künste des Friedens pflegte, die Religion hoch hielt. Die ursprüngliche Wildheit kam wieder zum Durchbruch in den Unternehmungen zur See, als unter Elisabeth englische Piraten die spanischen Küsten verheerten, die Schiffe von Freunden

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »