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v. d. Steinen berichtet, das matte Weiß (Naturvölker S. 185). Auch hier mag es freilich nicht so unzweifelhaft sein, wenn ohne jedes weitere Bedenken für den Ursprung des Schmuckes die Pußsucht hingestellt wird (vgl. z. B. Schurz, Völkerkunde S. 55). Die Opposition, welche v. d. Steinen zu Gunsten einer nüchterneren Ansicht geltend macht, ist mindestens der Erwägung werth. Es steht fest, daß es heute bei den Naturvölkern zahlreiche Arten von Schmuck giebt, für die kein wirklicher oder eingebildeter Nußen sichtbar ist und die gegenwärtig ganz und gar nur Zierden sind. Dennoch ist es wohl unmöglich, daß die feineren Empfindungen sich eher geregt haben, als die gröberen. Der Jäger hat sich erst mit den Federn der erbeuteten Vögel geschmückt, ehe er sich Blumen pflückte. Ehe er sich aber Vögel schoß, um sich mit den Federn zu schmücken, hat er Vögel geschossen, um sie zu essen. Er hat sich von Alters her den nackten Leib mit bunten Lehmen angestrichen. Es ist wahr, die schönen Farben liegen in der Natur am Ufer, und man ist tagtäglich hineingetreten. Aber sollte es dem Menschen nicht eher aufgefallen sein, daß der nasse Lehm die Haut fühlte oder daß die Moskitos nicht mehr stachen, als daß er bemerkte, wie sein Fuß an Schönheit gewonnen hatte? Ich glaube, daß er sich zweckbewußt auch nur beschmierte, weil er Utilitarier genug war, solche Vortheile auszunuzen. Manche wollen aber von solchem Anfang nichts hören. Sie scheinen der Ansicht zu sein, daß dem Nüßlichen etwas Geringzuschäßendes anhaftet. Warum, mögen die Götter wissen. Auch ich glaube, daß der Schmuck aus dem Vergnügen, daß er wie Spiel und Tanz aus einem Uebermaaß von Spannkräften hervorgeht, aber die Dinge, die man braucht, um sich zu schmücken, hat man vorher durch ihren Nußen kennen gelernt. Wir können, sobald man sich zu schmücken beginnt, auch schon zwei Hauptrichtungen beobachten. Es giebt eine Eitelkeit, die sich auf Heldenthaten bezieht, die Eitelkeit der Jedermann zur Ansicht vorgetragenen Bravouratteste, nennen wir sie die der Trophäe und des Schmisses, und es giebt eine zahmere Eitelkeit, die sich mit dem Eindrucke durch schöne oder auch schreckliche Farben genügen läßt, nennen wir sie die Schminke. Ueberall können wir bei unseren Indianern Methoden, die dem Nußen, und solche, die der Verschönerung dienen, einträchtiglich neben einander im Gebrauch sehen, und wir haben allen Grund, anzunehmen, daß jene die älteren find" (1. c. S. 173). Man wird mindestens gut thun, gegenüber allen feinsinnigeren Regungen nicht die unmittelbar durch die Natur erzwungenen Vorkehrungen rein praktischer Art zu vergessen, und man könnte so den Unterschied sich zu eigen machen, den Steinen zwischen dem einfachen An= streichen und dem Bemalen des Körpers statuirt, obschon die Gränze, wie unser Reisender gesteht, nicht immer scharf gezogen werden kann (a. a. D. S. 186).

Zum Nüßlichen und Schönen gesellt sich aber sehr frühzeitig (die Reihenfolge dieser Motive ist unseres Erachtens überhaupt sehr unsicher und

verschwimmt vielfach in einander) die gegenseitige Rücksichtnahme, die ja bei einem so enggeschlossenen geselligen Leben, wie wir es uns bei primitiven Horden zu denken haben, ganz von selbst entsteht; es ist das sociale Moment der Mode, die bald mit unerträglicher Tyrannei ihr Scepter schwingt, nicht nur, wie man sich häufig noch einbildet, bloß in unserer verfeinerten Cultur, sondern ebenso rücksichtslos bei den armen Culturvölkern. Man könnte Seiten damit füllen, um den unbegrenzten Spielraum dieses culturgeschichtlich eminenten Factoren in all seinen anscheinenden Sprüngen und launenhaften Einfällen, die aber doch eine gefeßmäßige Entwicklung nicht ausschließen, zu veranschaulichen (vgl. Razel, Völkerfunde I, 97 ff., Lippert, Culturgeschichte I, 369 ff., Schurt, Philosophie der Tracht, S. 92 ff., Tylor, Antropologie, S. 287 ff., Peschel, Volksfunde, S. 179 ff. u. f. w.). Wir geben hier statt aller weiteren Beispiele eine Ausführung von R. Hartmann wieder: „Kann man unseren civilisirtesten Nationen nicht den Vorwurf ersparen, häufig genug bizarren und zum Theil recht geschmacklosen Puß an ihre allertheuerste Persönlichkeit zu verschwenden, so wird man hierzu noch häufiger gegenüber den afrikanischen Wilden und Halbwilden genöthigt sein. Einen scheußlichen Eindruck machen die Zierrathe, die von den Weibern der Berta, Bongo, Nuer 2c. in Form von Glasperlen, Eisen- und Steinkeilen, Holzklößen u. s. w. in die Ober- und Unterlippe gesteckt werden. Hierzu gesellen sich die spißgeschlagenen (nicht gefeilten) Schneidezähne. Ein altes Mangandjaweib mit dem mächtigen. Lippenring, der durch seine Schwere eine continuirliche Mundsperre erzeugt und zugleich die raubthierartig gespißten Vorderzähne entblößt, muß (nach Livingstones Darstellung) einen wahrhaft bestialischen Eindruck hervorrufen. Viele nigritische Stämme, wie die Zulu, schlißen sich auch die Ohrläppchen auf und erweitern die Löcher durch hineingesteckte Blattrollen, Klöße 2c. auf unförmliche Weise. Kein Zierrath findet nun durch Afrika eine solche Verbreitung, wie die Glasperle, nirgends zeigt sich die Mode tyrannischer, als in der Vorliebe für Glasperlen. Ein einfacher Nigritierstamm hängt oft durch Generationen an einer einzelnen Sorte Perlen von bestimmter Größe, Form und Farbe beharrlich fest und verwirft jede andere Sorte. In sonstigen Fällen wechselt die Vorliebe für diese oder jene Perlensorte mehrmals im Jahre. Mit großer Willkür, ja mit kindischem Eigensinn firirt man die Preise für die genannten Artikel; der Handel in dieser Branche erfordert daher sehr viel Umsicht und Routine" (Völker Afrikas, S. 109). Ganz besonders seltsam muthen uns die Haartrachten an 1). ,,Unter vielen Abessyniern, den Berabra und Bedja, sind abenteuerliche und im Belieben des Stammes wie des Individuums variierende Arten der Haarfrisuren üblich, allerhand Flechten, Raupen, Wülste 2c. Dergleichen

1) Vgl. die betreffenden Abbildungen auch bei Razel, Völkerkunde I, 97, Schurk, Völkerkunde S. 56, Lubbock, Entstehung der Civilisation S. 57.

war auch bei den wirklichen Haaren und den Perrücken der alten Egypter zu sehen. Das geht aus den Bildwerken, Wandgemälden und Gräberfunden der Retu-Zeit hervor. In ähnlicher Weise ordnen sich die Funje, Niam-Niam, Balonda 2c. ihre chignonartigen Touren und mädchenhaft angelegte Flechten mit federngeschmückten Korbhüten. Neberaus abenteuerliche Haartrachten in einer kaum übersichtlich zu beschreibenden Menge von Abänderungen sind übrigens bei vielen der Nigritier Central- und Südafrikas im Gebrauch. Was soll man wunderlicher finden, den Strahlenkranz der Balonda und Niam-Niam, das hohe, an die Damenköpfe der Roué-Zeit erinnernde Toupet der Galloa und anderer westafrikanischer Stämme, die Locken und papillotenähnlichen Anhängsel der Mayema oder die Staffelgeflechte der Maschoana?" (1. c. S. 114). Genug, die Mode herrscht bei den angeblich völlig Freiheit genießenden Naturvölkern nicht minder, wie bei uns, und zwar schon um deswillen, weil sie den stetig sich nüancirenden Versuch der höheren Schichten enthält, sich von den niederen Classen der Bevölkerung auch äußerlich und sichtbar abzuheben. Deshalb auch das Sprungartige und Wechselvolle der Mode, deshalb auch der ewige Kreislauf, dem sie unterliegt; denn da sie zu stetigen Veränderungen verurtheilt ist, so erschöpft sich begreiflicherweise gelegentlich das Material, und deshalb endlich ist sie nicht aus der Welt zu verbannen, worauf Schurt mit Recht hinweist 1), weil mit dem etwaigen Allgemeinwerden einer Mode die beabsichtigte sociale Trennung wegfällt und aus diesem Grunde es einer neuen Schranke bedarf. Nur eine streng nach allen Richtungen hin demokratische Gesellschaft der Zukunft könnte somit der Launen dieser Göttin entrathen.

Dieses sociale Moment, das dem ästhetischen den Rang abläuft, hat in der That an der bekannten Erscheinung einen vollberechtigten Antheil, daß bei den Naturvölkern kein Mensch ungeschmückt geht, am allerwenigsten (und das ist unseres Erachtens sehr bezeichnend) die Männer. Das gilt sowohl vom Tätowiren, wie von den mannigfaltigen körperlichen Verstümmelungen und Verunzierungen 2), die wir auch schon beiläufig berührt haben, also dem Ausschlagen und Feilen der Vorderzähne, Abhacken von Fingergliedern, Durchbohren von Lippen, Nasen, Chrlappen (unsere Cultur hat nur dies lezte Rudiment noch bewahrt) u. s. w. „Schmuck ist,“ schreibt Hörnes, Auszeichnung; er erhebt den gepußten über den ungepußten Menschen, und wenn sich Alle schmücken, kann Einer allein ohne die größte Schädigung seines Ansehens nicht ungeschmückt erscheinen. Schmuck ist

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1) Philosophie der Tracht S. 99. Nicht minder treffend beleuchtet Wundt den Gegensatz von Sitte und Mode, Ethik S. 114.

2) Dahin gehört auch das Pressen des Schädels (bei den Indianern u. A.) oder einzelner Theile des Gesichts, wie der Nase, die bei den Hottentotten möglichst platt ge drückt wird, während bei den Persern die kühne Adlernase als Ideal erstrebt wurde. Andere Deformationen bei Tylor, Anthropologie S. 28.

aber bei wilden und ungebildeten Menschen nicht nur Distinction, er ist auch Reichthum oder Anzeichen desselben. Schmuck und Geld ist lange Zeit identisch. Die Objecte, welche man als Werthmesser benugt, werden auch als Schmuck getragen. Dies gilt nicht nur von den Schnüren aus Kauri- und anderen Muscheln oder aus Pottwalzähnen, von den Metallringen u. dergl., welche wir ebenso beim prähistorischen Menschen, wie bei den heutigen Wilden antreffen, sondern auch von den Münzenketten und Münzenpanzern, welche in manchen Gegenden einen wesentlichen Bestandtheil der Tracht südslavischer Frauen und Mädchen bilden. Aus Gründen der Sicherheit, wie aus dem urmenschlichen Triebe der Ostentation hat lange Zeit Jedermann seine ganze fahrende Habe in Form von Schmuck auf dem Leibe getragen. Der angehängte Zierrath ist die Geldkaße oder auch die Brieftasche des Wilden. Außer dem angehängten Zierrath giebt es einen nicht minder werthvollen, nicht minder beredten, den sich der Wilde auf dem Körper selbst eingräbt oder aufmalt. Man unterzieht sich der schweren Operation des Tätowirens keineswegs für Nichts und wieder Nichts oder bloß um die Nacktheit durch eine gefällige Musterung der Haut erträglicher zu machen. Uns erscheint der reich und bunt tätowirte Wilde allerdings wie in ein eng anliegendes Tricot gekleidet, und über der Betrachtung der Ornamente vergessen wir beinahe den Stoff, in welchem sie eingegraben sind. Es sind aber durchaus keine bloßen Ornamente, die der Naturmensch so häufig auf Stirn und Antlig, auf der Brust oder am ganzen Körper trägt. Die Tätowirung bezeichnet den Stamm und die Familie, die siegreichen Schlachten, die der Gekerbte mitgemacht, den Verlust naher Angehöriger und viele andere rein persönliche Verhältnisse des Trägers" (Urgeschichte, S. 138). Namentlich die leßten Bemerkungen sind sehr beachtenswerth; innerhalb des Stammes 1) bezeichnet die Tätowirung zunächst ganz allgemein die Zugehörigkeit zu der ethnischen Gruppe, es ist eine Haut- und Schußmarke, die auch leicht durch einen religiösen Nimbus zu einem Totemzeichen wird. Deshalb hängt sie auch unmittelbar mit dem wichtigen Act der Pubertätsweihe zusammen, wodurch der Jüngling unter die Zahl der wehrfähigen und vollberechtigten Männer aufgenommen wird. Sie ist also, wie Schurt mit Recht hervorhebt, ein Act des geschlechtlichen Lebens (Philosophie der Tracht, S. 77), was sich auch auf die Frauen bezieht, die überhaupt erst dieser Ehre gewürdigt werden, falls sie sich verheirathen oder nach der ersten Niederkunft. Daß endlich das Bemalen des Körpers, und dann meist mit besonders grellen Farben, bei kriegerischen Stämmen geübt wird, um den Feinden Schrecken einzuflößen (anderseits freilich auch um der Trauer 2) einen möglichst frappanten Ausdruck zu

1) Vgl. v. d. Steinen 1. c. S. 190 und Lippert, Culturgeschichte I, 397, der von Loskiel über die Indianer dahingehendes Material beibringt.

2) Vgl. Razel, Völkerkunde I, 96. Bezüglich der den verschiedensten Zwecken

verleihen) ist bekannt genug, um weiterer Erklärung zu bedürfen. Die Erzählung Cäsars von den alten Briten, die sich mit Waid blau färbten, ist oft genug in diesem Sinne angeführt und könnte durch eine weitere Blüthenlese aus dem Kreise heutiger Naturvölker beliebig gestügt werden.

4. Technik.

Wenn man von der Höhe unserer heutigen Technik, die ihrerseits wieder eine nahezu vollständige Naturerkenntniß vorausseßt, auf das herabblickt, was uns die Naturvölker als Zeugniß ihres erfinderischen Geistes überliefert haben, so schrumpft dies Material wohl für einen psychologisch nicht tief eindringenden Blick auf ein dürftiges Minimum zusammen; wir sehen nur Anfänge, mißglückte Versuche zur Fortbildung, meist eigensinniges Beharren auf dem einmal gewonnenen Standpunkt, gelegentlich auch Verkümmern und Verfall (von dem eigentlichen Fehlen mancher technischen Fertigkeiten noch ganz abgesehen), und brüsten uns in dem bekannten behaglichen Gefühle unnahbarer Ueberlegenheit. Dieser Stimmung entspricht das Extrem einer Bewunderung und stillen Staunens vor der Originalität und geistigen Schärfe prähistorischer Entdecker, deren Name, wie der Dichter singt, ewige Nacht deckt. Schon Peschel, wie wir sahen, lieh diesem Gefühl einen fast überschwänglichen Ausdruck, aber wir finden ähnliche Anklänge in Razel wieder, der sich z. B. zu dem Ausdruck versteigt: Man bekommt den Eindruck, daß sich aller Schweiß, den unser Zeitalter der Erfindungen im Ringen nach neuen Verbesserungen vergießt, nur wie ein Tropfen zu dem Meer von Mühen verhält, worin die Erfinder der Urzeit untergingen" (Völkerkunde I, 71). Wir sind weit davon entfernt, unsererseits das Verdienst dieser Erfindungen irgendwie schmälern zu wollen, nur geben wir zu bedenken, daß wir mit diesen rein subjectiven psychologischen Combinationen, denen meist jeder reale, objective Anhalt fehlt, uns leicht in willkürliche Phantasien verlieren, welche unsere Erkenntniß des wirklichen Sachverhaltes nicht im Geringsten zu fördern im Stande sind; sodann ist, wie bei allen Entdeckungen, neben dem planmäßigen Suchen, die verhängnißvolle Rolle des Zufalls sehr erheblich mit in Anschlag zu bringen. Dagegen ist es vollauf berechtigt, wenn Ragel auf die Wichtigkeit der Erhaltung einer Erfindung hinweist, wodurch dieselbe erst zum gesicherten Bestande menschlicher Culturgüter erwächst: „Die Erfindung, die der Einzelne für sich behält, stirbt mit ihm, nur in der Tradition ist Fortleben möglich. Das Maaß der Lebenskraft der Erfindungen hängt also von der Traditionskraft ab und diese wiederum von dem inneren organischen Zusammenhang der Generationen. Da dieser Zusammenhang

dienenden Masken (Tanz-, Kriegs-, Schauspielmasken 2c.) vgl. vorläufig die Zusammenstellung von Razel, Anthropogeographie II, 749. Wir kommen später, wo wir die Anfänge der Kunst bei den Naturvölkern betrachten, darauf zurück.

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