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Vorgang wurde in seiner äußeren Erscheinung, viel weniger also in seinem Wesen verstanden; und nicht ein einziges Gesetz wurde geahnt, geschweige denn entdeckt. Sie brachten es in ihrer überwältigenden Mehrheit fertig, einen halbkugelförmigen Himmel ohne jede Schwierigkeit mit einer ebenen Erde zu vereinbaren. Unter dem Himmelsgewölbe bewegen sich nach patristischer Anschauung die Sonne und die Sterne von Ost nach Süd und gehen über Westen und Norden um die Erde herum zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Diese Vorstellung schloß sich streng an die betreffenden Stellen beim Psalmisten „extendens coelum sicut pellem“, und bei Jesaias 40, 22 an, der von Gott sagt, daß er den Himmel gleich einem Gewölbe eingerichtet und ihn selbst wie ein Zelt über der Erde ausgespannt habe. Buchstabengläubigkeit und peinliche Anlehnung an die Bibel ist das Merkmal insbesondere der syrisch-morgenländischen Väter wie Ephraem, Diodorus, Chrysostomus und last not least Severianus, des Bischofs von Gabala († 407). Eine spezifisch syrische Lehre läßt die Maschinerie der Himmelskörper durch Engel besorgt werden. Bald sind sie als Lasttiere von Fleisch und Bein an den Sternen angespannt, bald stoßen sie diese herum wie Handelswaren, bald setzen sie die Himmelslichter auf beide Arten zugleich in Bewegung, bald endlich tragen sie dieselben auf ihren Schultern, wie schon der Atlas der Mythologie die Erde trug1). Es fehlte nur noch ein Aristophanes, um diese phantastischen Ideen mit Erfolg zu persiflieren.

Eine ausführliche Darstellung des Weltalls, durch die uns die mangelhaften Fragmente der anderen Syrer verständlich werden, finden wir bei dem vorhin genannten Severianus. Besonders eigenartig berührt der Gedanke, daß der Himmel in zwei Hälften geteilt sei, einen oberen und einen unteren Himmel. Gleichwie in einem zweistöckigen Hause eine Zwischendecke die Etagen scheidet, so machte auch Gott die Welt wie ein Haus und fügte als trennendes Zwischenglied den sichtbaren Himmel ein. Über demselben lagert das Genes. I, 7 erwähnte Wasser, das die mittelalterlichen Kosmographen, um dem Bibelbericht gerecht zu werden, stets in ihre Systeme einzufügen sich gezwungen sahen. Den Grund und Boden dieses Welthauses bildet unsere bewohnte Erde, die durch die vier Wände des ganzen Gebäudes als viereckig (!) abgesteckt gedacht wurde). Hierdurch war die Rotation des Himmels von selbst ausgeschlossen und daher eifert Severian gegen die Philosophen, die ihn sich als eine sich drehende Kugel" vorstellen. „Niemand aber von uns ist so gottlos, jenen törichten Schwätzern zu glauben," brüstet er sich noch.

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1) Philoponus: Commentar. in Mosaicam mundi creationem ed. Corderius Wien 1630. 7. I, 12 p. 25.

2) Sever. Gabal. orat. in mundi creat. Migne graec. t. 56, 433,

Viel Schwierigkeit machte es, mit der flachen Erde die Bahn der Sonne in Zusammenhang zu bringen. Da sie eine Erweiterung des Weltraumes unterhalb der Erde, durch den die Sonne zur Nachtzeit ihren Weg hätte nehmen können, für ausgeschlossen hielten, so blieb nur der eine Ausweg übrig, die Sonne von ihrem Untergangspunkte an nordwärts längs der Berührungslinie des Himmels mit der Erde entweichen und so nach dem Aufgangspunkte zurückkehren zu lassen. Und richtig läuft nach Severian die Sonne am unteren Rande des Himmels, aber doch noch im Meere, nach Norden „gleichwie hinter einer Mauer verborgen", indem das Wasser die Sichtbarkeit ihres Laufes verhindert, und wenn sie die nördlichen Gegenden durchwandert hat, wendet sie sich nach Osten. Daß von einer kreisförmigen Rotation um die Erde keine Rede sein könne, ergibt sich nach Severians Meinung aus der Schrift; so heißt es in der Genesis, daß Lot gen Zoar kam, als die Sonne aufging, an der besagten Stelle aber stehe nicht „emporstieg" ar29er, sondern ausging" 29er, und der Psalmist rede von einer Spitze des Himmels. Wenn aber der Himmel in Wirklichkeit eine Kugel wäre, so könnte er keine Spitze haben. Denn wo hat das nach allen Seiten hin Abgerundete seine Spitze?1) Über der Erde ist also der Himmel ebenso wenig eine Kugel als unter derselben, und der Lauf der Sonne um die Erde, wie ihn die Heiden lehren, ein Ding der Unmöglichkeit.

Auch die Ursache für das Eintreten der langen bezw. kurzen Tage hatte den Exegeten von jeher viel Schwierigkeiten bereitet, besonders vermochten sie diese nur schwer mit einer flachen Erde in Zusammenhang zu bringen. Severian machte darauf aufmerksam, daß die Sonne im Winter sich nicht mitten im Osten erhebt, sondern ihr Aufgangspunkt sich schon mehr dem Süden genähert hat. Während dadurch ihr Tageslauf nur ein kurzes Bogenstück ist, hat sie dagegen in der Nacht den ganzen Westen, Norden und Osten zu umkreisen, und daher wird die Nacht lang. Wenn sie aber gleiche Länge und gleichen Kurs hat, so tritt das Äquinoktium ein. Wiederum aber nach Norden sich wendend, wie im Winter nach Süden, steigt sie zum höchsten Nord empor und bewirkt so einen langen Tag, aber um den Nordrand der Erde herum einen kleinen Kreis beschreibend, bewirkt sie eine kurze Nacht. Nicht aber haben uns das die Söhne der Griechen gelehrt, und sie wollen dies auch nicht, sondern sie behaupten vielmehr, daß Sonne und Sterne unter der Erde sich fortbewegen." Und doch beruht zweifellos der geschilderte Sonnenlauf auf antiker Anschauung, wenn Severian sich auch auf Prediger Salomo I, 5 beruft. Wie schon bei Homer, der den Sonnengott im Osten aus dem Sonnenteiche aufsteigen und im Westen wieder untertauchen läßt, diese Ansicht zugrunde liegt,

1) Migne gr. t. 56, 452.

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so findet sie sich auch bei Anaximenes, Aischylos, Antimachus und, im einzelnen weiter ausgeführt, in einer Elegie des Mimnermos von Kolophon wieder, wenn auch die wissenschaftliche Welt anders dachte. Wie es mit der Ablehnung antiker Ideen und mit der Quellenkritik überhaupt stand, beweist die Tatsache, daß man kein Bedenken trug, die Aristotelische Elementenlehre als ein Werk des „Kosmographen Moses" zu erweisen (K. Kretschmer: Die phys. Erdk. i. christl. Mittelalter 1890 S. 41). Einer merkwürdigen Lehrmeinung begegnen wir bei dem Kappadokier PseudoCaesarius. Um nämlich das Unsichtbarwerden der Sonne zu erklären, läßt er die Erde im Norden zu einem mächtigen Gebirge anschwellen, das er in dem kappadokischen Bergland erkennen zu müssen glaubt. Hinter dem Rücken dieser Bodenerhebung, hinter Gebüschen und Gewässern (!), unsern Augen nicht mehr sichtbar, gelangt das Tagesgestirn wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück1).

Sehr verschiedene Rollen spielen in den patristischen Schriften die schon bei Severian erwähnten oberhimmlischen Gewässer, wohl aus dem Grunde, weil sich die Verfasser selbst nicht viel Bestimmtes darunter zu denken vermochten. Dem Gabalensischen Bischof z. B. dienen diese Wassermassen zur Abkühlung des von der heißen Sonne verbrannten Firmaments, eine Ansicht, die auch andere wiederholen. Geistvoller legt der Kappadokier Gregor von Nyssa († 395) sich die Sache zurecht, indem er die Vorstellung massiver Himmelssphären gänzlich fallen läßt und die oberen Gewässer einfach mit den Wolken identifiziert. In ebenso verständiger Weise hält der Aristoteliker Joh. Philoponus zu Alexandria dafür, daß damit die wässerigen Bestandteile der Luft gemeint seien. Basilius der Große (330-379) befindet sich in einiger Verlegenheit der Frage gegenüber, ob denn das Wasser an der konvexen Kugelwölbung nicht abfließen müsse, und greift zu der gewagten Erklärung, daß die Himmelsveste über uns nur im Innern ein Halbkugelgewölbe bilde, von außen und oben aber eine viereckige Gestalt zeige. Der gefeierte Kirchenvater Augustinus führt auf die oberen Gewässer eine Verlangsamung des SaturnUmlaufs zurück.

Eigentlich sollte man erwarten, daß dieser Mann, der sich vermöge seiner glänzenden wissenschaftlichen Begabung weit über seine Zeitgenossen erhob, auch Licht in die Naturwissenschaft gebracht hätte. Aber nein, auch er klammert sich ängstlich an jedes Jota der Bibel und steht bei offenbaren Widersprüchen zwischen Bibelbericht und Wirklichkeit oft ratlos da. Allgemein bekannt sind ja die auf Josua bezüglichen Bibelstellen, in denen der Sonne Halt geboten wird. Dagegen ist es vielleicht weniger bekannt, welche Mühe sich Augustinus gibt, das Stehenbleiben der Sonne

1) Migne gr. t. 38, 964. Dial. I, qu. 99.

mit dem Fortschreiten der Zeit in Einklang zu bringen. „Wenn die Sonne auf das Gebet jenes Mannes, der den Schlachtensieg erringen wollte, in ihrem Lauf innehielt, so schritt doch sicherlich die Zeit unterdessen fort, denn sie war ausreichend vorhanden, um jenen Kampf zu führen und zu vollenden. Hieraus ersehe ich, daß die Zeit eine bestimmte Ausdehnung ist." „Aber“, fügt dann der Kirchenvater in größter Beklemmung bei, ,,sehe ich auch richtig, oder scheint es mir nur so? Du, Licht und Wahrheit, wirst es mir zu erkennen geben." Somit lenkte die Sonne nach dem kurzen, durch Josua verursachten Halt wieder in ihre alte Bahn ein. Direkt komisch wirkt seine Verlegenheit, in die er durch die Stellungnahme zur Sphärizität des Himmels gebracht wird. Er bejaht sie nicht und verneint sie auch nicht; jedenfalls läßt er es dahingestellt, ob sie der biblischen Annahme einer gewölbeartigen Kuppel so unbedingt vorzuziehen sei. Ja, er gibt seinen ganzen Überdruß bei Behandlung dieses Punktes zu erkennen, indem er sagt: „Was geht es mich an, ob der Himmel die im Zentrum der Welt durch ihre eigene Masse im Gleichgewicht gehaltene Erde wie eine Kugel umschließt oder sich nur von einer Seite öffnet?" Aber der Annahme der Sphärizität stehen nach seiner Meinung die Worte des Psalmisten entgegen, daß der Himmel wie ein Fell ausgespannt sei, und doch sucht er schließlich beide Behauptungen zu vereinigen. Die Voraussetzung ist, daß das, was die Bibel sagt, auf alle Fälle richtig ist. Wenn sich daher einmal die Kugellehre als richtig erweisen sollte, so hätte man immer noch zu beweisen, daß sie auch der Schrift gegenüber standhält: Himmel Kammer. Und nun schließt er etwa folgendermaßen: Die drei Bezeichnungen (Kugel, Kammer, Fell) lassen sich also nicht identifizieren. Der heidnischen Ansicht stehen die beiden biblischen gegenüber; aber auch die beiden biblischen lassen sich nicht in eins setzen, denn ein Fell ist keine Kammer. Da aber diese sich unter allen Umständen müssen zusammen bringen lassen auf Grund der unumstößlichen Autorität der Bibel, so dürfte es auch nichts Ungeheuerliches sein, sie mit der Lehre von der Kugel zu vereinigen. Ja, die biblischen Bezeichnungen lassen sich untereinander sogar ungleich schwerer identifizieren, als mit der heidnischen. Denn allenfalls könne man eine Kugel als eine nach allen Seiten hin gewölbte Kammer auffassen, während sich in Fell und Kammer nur sehr gezwungen eine Ähnlichkeit entdecken läßt. Es kann daher nach seiner Ansicht nur eine figürliche Bezeichnungsweise vorliegen1). Wir sehen, er treibt ein reines Versteckenspielen hinter unwichtigen Wörtern, das an Taschenspielerkunststückchen erinnert.

Über die Sternenwelt waren die Ansichten der Väter, soweit sie nicht grundsätzlich eine bestimmte Entscheidung ablehnten, geteilt. Nur 1) Migne 1. t. 34, 270f.

wenige schlossen sich der bekannten griechischen Sphärenlehre an, die meisten lassen sie frei im Weltenraum umherwandeln nach Art des Gehens der Menschen auf Erden" und halten die Sterne für beseelte, erlösungsfähige und -bedürftige Wesen. Von dieser mystischen Anschauung war kein weiter Schritt zu der schon erwähnten bequemen Lehre, daß abkommandierte Engel den Lauf der Gestirne regulierten, eine Ansicht, der wir auch später bei den Scholastikern und selbst bei dem mathematisch geschulten Wilhelm von Conches im 12. Jhrh. noch begegnen. Auch diese Anschauung knüpft an die Antike an, nur nicht da, wo sie es hätte tun sollen, und zwar an Plato und die Platonisch-stoische Schule. Plato hatte in seinem Timäus (38 E) beseelte göttliche Gestirne oder Himmelsbeweger statuiert. Epikur ist im Zweifel darüber, ob die Sonne nächtlicherweise die Erde umkreise, oder ob die Erscheinung von Tag und Nacht durch abwechselnde Anzündung und Wiederauslöschung der Himmelslichter verursacht würde. Plutarch erscheint gleichfalls der Belebung und Vergöttlichung der Sterne vorzugsweise zugetan. Die Folge einer solchen Auffassung war, daß man den Sternen geheime Kräfte zuschrieb und sie als Beeinflusser irdischer Geschicke betrachtete, was schließlich auf astrologischen Aberglauben hinauslief. Erst gegen Ende der altchristlichen Zeit erlangte die mechanische Erklärung der Gestirnsbahnen, wie sie Aristoteles und Ptolemäus gelehrt, das Übergewicht. So legte u. a. Beda der Ehrwürdige im 8. Jhrh. das System des Ptolemäus ohne Bedenken seinen kosmographischen Schilderungen zugrunde. Der Gedanke an die Beseeltheit der Gestirne lebte daneben gleichwohl fort bis zu den Tagen eines Tycho Brahe und Kepler.

Einzelne Väter, die von dieser mystischen Anschauung unabhängig waren, wissen schon von physischen Einflüssen der Sterne auf animalische Wesen zu berichten, die wiederum teils phantastisch anmuten, die aber anderseits einen gewissen Kern von Wahrheit in sich schließen. So läßt Basilius die körperliche Beschaffenheit der Tiere mit der Veränderung des Mondes zusammenhängen. „Anders sind ihre Leiber beim Zunehmen des Mondes, anders beim Abnehmen beschaffen. Nimmt er ab, so sind sie dünn und leer, nimmt er zu, so werden sie voller, weil er eine mit Wärme vermischte Feuchtigkeit ihnen unbemerkt einflößt 1)." Im Vergleich hierzu sind seine Behauptungen von Einflüssen der Gestirne auf Temperamente, Affekte und Krankheiten des Menschen nicht als absurd von der Hand zu weisen. Mit jenen Krankheiten kann er offenbar wohl nur Mondsucht, Somnambulismus u. a. m. gemeint haben. Etwas Ähnliches bringt auch Anastasius (†402), indem er sagt, daß die Pupille beim Affen sich erweitert oder verengt, je nachdem der Mond zu- oder abnimmt).

1) Basil. ed. Garnier t. I Paris 1721 lib. VI, 11 p. 61.

2) Migne 89, 904.

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