ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

überhaupt dem Pompeius den Gehorsam zu verweigern: allein er glaubte über die Lage und die momentanen Chancen besser orientiert zu sein und aus seiner formellen Stellung das Recht ableiten zu dürfen, dem Oberfeldherrn auch ungefragt Ratschläge zu erteilen. Jedenfalls wollte er sich nicht gänzlich zum Legaten des Pompeius degradieren lassen. Natürlich kam dadurch ein starker Zwiespalt in sein Verhalten; allein Domitius war eben nicht Soldat genug, um denselben zu fühlen oder gar seine verhängnisvolle Gefährlichkeit zu begreifen. Pompeius wieder war infolge der staatsrechtlichen Unklarheit seiner Stellung nicht in der Lage hier energisch Wandel zu schaffen: er mußte parlamentieren, wo er wohl am liebsten standrechtlich vorgegangen wäre.

Wenn Pompeius in seinen Briefen an die Konsuln, wo er sich doch. wie wir gesehen, kein Blatt vor den Mund zu nehmen brauchte, dennoch die Truppen des Domitius zu den „seinigen" in Gegensatz stellt, so kann sich dies ganz gut auf den rein äußerlichen Umstand beziehen, daß die letzteren von seinem Legaten Vibullius hingeführt worden waren, während die ersteren von Domitius an Ort und Stelle ausgehoben waren und weiterhin von ihm befehligt wurden; erstere sollte und konnte Vibullius, letztere konnte nur Domitius selbst zu Pompeius führen. Es ist aber noch ein anderer Unterschied denkbar. Domitius war designierter Konsul von Gallia Transalpina, also Caesars Nachfolger in dieser Provinz. Daß er dort caesarianische Veteranenlegionen werde übernehmen können, war nach der Sachlage ausgeschlossen. Es ist daher möglich, daß er ermächtigt war im Marser- und Paelignerlande für seine Provinz Truppen auszuheben. Diese Bestimmung der Truppen war freilich im gegebenen Augenblick eine leere Formalität; mit Beginn des Krieges gegen Caesar war es selbstverständlich, daß alle in Italien ausgehobenen Truppen zunächst gegen ihn zu verwenden waren: damit kamen sie ad hoc mit unter das stillschweigend anerkannte Oberkommando des Pompeius, obwohl sie in Wahrheit organisch nicht dorthin gehörten. Hierfür spricht vielleicht am meisten der Umstand, daß selbst Caesar, der im übrigen konsequent Pompeius als Oberkommandanten behandelt und zwischen den diversen italischen Kontingenten sonst keinen Unterschied macht, hier dennoch den Gegensatz wenigstens andeutet (per se... coëgerat: b. c. I. 15. 7).

Das Verhalten Caesars ist übrigens der beste Beweis dafür, daß Pompeius das Oberkommando auch faktisch ausgeübt hat. Von Ausbruch der Feindseligkeiten an wendet er sich mit seinen offiziellen Friedensvorschlägen stets ausschließlich an ihn: und wenn Pompeius entgegnet, er könne in Abwesenheit der Konsuln nichts machen, so ist dies wohl auch ein Tribut an das formell zu Recht bestehende Rangverhältnis, weit mehr noch aber eine billige Ausrede. Caesar erwähnt übrigens auch b. c. I. 23. 4, daß Domitius die Gelder für seine Truppen von Pompeius erhalten hätte ein

Beweis mehr, daß wenigstens für den Augenblick ihre einheitliche Verwendung beabsichtigt war und Pompeius die Oberleitung inne hatte.

Wir sehen also, daß die Unklarheit, die uns hier entgegentritt, weniger in unserer Kenntnis jener Ereignisse beziehungsweise in der Überlieferung gelegen ist, als vielmehr in den Tatsachen selbst; sie hat auch schwere Folgen gezeitigt. Gewiß wäre Italien nicht zu halten gewesen; aber ein bedeutend größerer Teil des Heeres hätte, ohne den Eigensinn des Domitius. gerettet werden können. Pompeius, Soldat durch und durch, war wohl derjenige, der die Zwitterhaftigkeit dieser Verhältnisse am schwersten empfand. Man merkt es dem Tone seiner Briefe an, daß er nur widerwillig Konzessionen an die Form macht. Er befiehlt nicht direkt, aber er fordert sehr energisch. Jedenfalls hat man bei der Lektüre seiner Briefe an Domitius trotz aller offenbaren Rücksichtnahme auf dessen Stellung nicht den Eindruck, als ob ein Gleicher einem Gleichen schriebe: schon die Selbstverständlichkeit und Schärfe, mit der die Meldung des Domitius urgiert wird (ad. Att. 12. B. 1), läßt dies deutlich hervortreten. Indessen Pompeius war diesen Verhältnissen gegenüber machtlos. und konnte schließlich nichts anderes tun, als die Verantwortung für die Katastrophe von Corfinium ablehnen. Auf sein persönliches Verhältnis zu Domitius scheint diese Sache übrigens keinen nachhaltigen Einfluß geübt zu haben; wir finden letzteren unmittelbar nach dem italischen Feldzuge als pompeianischen Bevollmächtigten in Massilia, und im folgenden Jahre, nachdem unterdessen der Oberbefehl des Pompeius auch offiziell ausgesprochen worden war, als wirklichen Legaten in dessen Armee, als welcher er bei Pharsalos den linken Flügel befehligte und als einziger höherer Offizier des Heeres in der Schlacht den Tod fand.

4. Die Truppen und ihre Verteilung.

Es hat einen eigenen Reiz, die Heeresstärken für die Affäre von Corfinium zu berechnen. Der Grund liegt in den hier zur Verfügung stehenden Quellen: es ist dies nämlich die einzige Feldzugsepoche des Altertums, für die uns seitens beider Parteien direkte authentische Daten zur Verfügung stehen.

Auf Seite Caesars existiert die offiziöse zusammenhängende Schilderung der Begebenheiten aus der Feder des leitenden Feldherrn selbst. Auf Seite seiner Gegner aber ein Unikum in der gesamten antiken Überlieferung die, wie es scheint, fast vollständige correspondence militaire" des an den Ereignissen zwar nicht persönlich beteiligten, wohl aber hochgradig interessierten Armeekommandanten.

Es kann als eine besondere Gunst des Schicksals bezeichnet werden, daß uns die beiderseitigen Belege gerade in dieser Form erhalten sind. Caesars militärische Korrespondenz", so schwer ihr Verlust zu bedauern

[ocr errors]

ist, würde uns in diesem Falle die zusammenhängende Darstellung kaum ersetzen können; in diesem Feldzuge, wo alle Ereignisse in rasender Eile fast ausschließlich unter seinen Augen sich abgespielt haben, dürften auch alle maßgebenden Dispositionen, Instruktionen etc. mündlich erflossen sein und die „Korrespondenz“ daher sehr wenig davon enthalten; einige Proben, die uns aus Caesars Briefwechsel gerade aus dieser Zeit erhalten sind 1), bestätigen diese Ansicht.

Umgekehrt bei Pompeius. Er stand persönlich außerhalb der Ereignisse; in Kontakt mit dem Feinde standen bis zur letzten Feldzugsetappe durchwegs Abteilungen, mit denen er nur schriftlich verkehren konnte. Daher mußte seine militärische Korrespondenz alle wesentlichen Direktiven und folgerichtig auch die Daten enthalten, die jenen Direktiven zugrunde lagen; was die vorliegenden Aktenstücke auch tatsächlich bestätigen.

Uns interessieren im Rahmen unserer Aufgabe nur die statistischen Daten, soweit sie die Belagerung von Corfinium betreffen.

Caesars Streitkräfte lassen sich aus seiner Darstellung mit relativ großer Genauigkeit ableiten. Zu unterscheiden haben wir hierbei seine Stärke im Momente des Eintreffens vor Corfinium, und die wesentlich andere am Schlusse der Belagerung.

Caesar traf vor Corfinium mit 2 Legionen, der XII. und XIII., ein. Dabei war noch eine kleine Kavallerieabteilung, nach Plutarch Caes. 32 waren es 300 Reiter. Sonst dürfen wir in diesem Zeitpunkte keine nennenswerten Formationen beim Heere vermuten. Die in Gallia cisalpina ausgehobenen Neuformationen trafen erst während der Belagerung ein; von den pompejanischen Aushebungen, die durch Caesars Offensive dem Feinde entzogen wurden, dürfte bis dahin der größte Teil sich vorläufig verlaufen haben; ein direkter Übergang wird nur cap. 13. 4 erwähnt, und da können es nur wenige gewesen sein. Daß Caesar auf diese „in ihre Heimat verlaufenen" Aufgebote rechnete und sie tatsächlich früher oder später an sich zog, ist sicher; aber nicht oder doch nur zum allergeringsten Teile während dieses rapiden Vormarsches; da war keine Zeit dazu, die „Verlaufenen" erst wieder zu sammeln, zu organisieren und gleich anzuschließen. Das konnte vorläufig nur mit in geschlossener Formation übergegangenen Truppen geschehen; die übrigen mußten von Caesars Organen in ihren Ergänzungsbezirken erst neu gesammelt werden, und konnten dann allerdings nach Beendigung des Feldzuges als fertige Legionen zur Verfügung stehen). Erst später, als die zisalpinischen Neuformationen eintrafen, dürfte die Ergänzung derselben auf komplette Legionen

1) Cic. ad Att. IX. 6. A., 7. C., 13. A., 14. 16.

2) Vgl. A. v. Domaszewski, Die Heere in den Bürgerkriegen. Neue Heidelberger Jahrbücher 1894, p. 164, Anm. 1.

Klio, Beiträge zur alten Geschichte XIII 1.

2

durch die später fast durchweg in kompletten Kohorten übergegangenen feindlichen Abteilungen erfolgt sein; wir werden darauf noch zurückkommen.

Man kann daher als ziemlich genau annehmen, daß Caesar mit wenig mehr als 2 Legionen vor Corfinium eintraf. Damit stimmt auch die Meldung des Vibullius an Domitius 15, 6: Caesarem adesse cum legionibus duabus, die von Caesar im Sinne vollkommener Richtigkeit wiedergegeben und durch seine unmittelbar vorhergehende Angabe 15, 3 cum his duabus (sc. legionibus) Asculum Picenum proficiscitur bestätigt wird.

Während der Belagerung von Corfinium erfuhren Caesars Streitkräfte einen wesentlichen Zuwachs.

Zunächst gingen die in Sulmo stationierten 7 Kohorten des Q. Lucretius und Attius Pelignus zu Caesar über. Dann aber traf eine Ergänzungsstaffel ein, welche die bisherigen Streitkräfte quantitativ wesentlich übertraf: die VIII. Legion und 22 neu ausgehobene, vorläufig uneingeteilte zisalpinische Kohorten, dann 300 Reiter des Königs Voccio von Noricum 1). Caesars vereinigte Streitmacht zählte nunmehr rund 6 Legionen, davon 3 Legionen Veteranen und 600 Reiter; mit diesem Tage hatte er die faktische Überlegenheit nicht nur vor Corfinium, sondern überhaupt in Italien erreicht.

Die Berechnung der Streitkräfte des Domitius stößt auf die Schwierigkeit, daß von beiden Parteien Daten darüber vorliegen, die scheinbar nicht oder doch nicht ganz übereinstimmen.

Caesar erwähnt cap. 15, daß Vibullius Rufus dem Domitius eine Abteilung zuführte, die aus den Trümmern verschiedener im Rückzuge befindlicher Kontingente und dem mit 6 Kohorten angegebenen Detachement des Lucilius Hirrus bestand und insgesamt 13 Kohorten betrug; außerdem verfügte Domitius selbst noch über „beiläufig 20 Kohorten"; in Summa also beiläufig" 33 Kohorten.

Anders die aktenmäßigen Angaben des Pompeius. Er erhielt, wie aus seinem Schreiben an Cicero (ad. Att. VIII. 11. A.) hervorgeht, a. d. IV. · id. Febr., also am 22. Dezember des rektifizierten Kalenders), das ist 5 Tage vor Caesars Eintreffen vor Corfinium, von Vibullius die Meldung, daß Domitius mit 12 „eigenen" Kohorten3) und 14 des Vibullius, denen noch 5 des Hirrus folgten, von Corfinium nach Luceria abzumarschieren

1) Kommandant dieser Staffel scheint nach ad. Att. VIII. 12. C. Curio gewesen zu sein, der jedenfalls von Caesar zurückgelassen worden war mit der Aufgabe, die einzeln nachrückenden Abteilungen zu sammeln und geschlossen nachzuführen. Damit stimmt auch, daß er nach dem Eintreffen der Verstärkungen das Kommando über das neue Lager übernahm.

2) Hier und in allen folgenden Fällen ist die Berechnung Groebes zugrundegelegt. Drumann III 2 754 ff.

3) Die Originallesart gibt an dieser Stelle 11 Kohorten; indes geht aus allen folgenden hervor, daß 12 gemeint sind.

gesonnen sei. Es gibt dies also in Summe 31 Kohorten, über die Domitius verfügte 1).

Diese Gesamtsumme steht mit Caesars Angaben durchaus nicht in Widerspruch, wenn man bedenkt, daß letzterer die Streitkraft des Domitius ohne Vibullius mit „beiläufig" 20 Kohorten angibt; dieses ,,beiläufig" im Verein mit der Tatsache, daß 20 eben eine runde Zahl ist, erlaubt uns ganz gut, die „beiläufig 20" mit „genau 18“ zu identifizieren. Dann stimmt die Summe.

[ocr errors]

Anders die Aufteilung. Nach Caesar hatte Vibullius einschließlich Hirrus 13 Kohorten, und Domitius beiläufig" 20 oder sagen wir also 18. Nach Pompeius aber hatte Vibullius ohne Hirrus 14, letzterer außerdem noch 5, Domitius selbst aber nur 122). Es handelt sich hier also um die Glaubwürdigkeit der beiden Quellen.

Stoffel (I. p. 227) ist der Ansicht, daß Caesar in diesem Falle mehr Glauben verdiene, da er ja alle diese Kontingente selbst kurz darauf in die Hand bekam und mit ihnen disponierte, während Pompeius sie überhaupt nie zu sehen bekommen hat. Das Argument ist bestechend, aber diesmal nicht stichhaltig.

Caesar hat durch die „beiläufig 20 Kohorten" selbst ganz unverhüllt gezeigt, daß seine Daten hier nur approximativ und nicht direkt auf authentische Dokumente aufgebaut sind; sonst wäre, mitten unter genauen kleineren Daten, dieses circiter bei der Hauptzahl unmöglich. Wie in Caesars Hauptquartier, insoweit die an Ort und Stelle vereinigte Feldarmee in Betracht kam, die mündliche Befehlsgebung die schriftliche ohne Zweifel bedeutend überwog, so mochte man sich mit der minutiösen dokumentarischen Evidentführung der feindlichen Kräfte auch nicht eben mehr Schererei gemacht haben, als das taktische Kalkül erforderte. Auch bei der Disponierung mit den nach der Kapitulation von Corfinium übergegangenen Streitkräften wird es recht mündlich und summarisch zugegangen und nicht viel nach der Provenienz jeder einzelnen Kohorte gefragt worden sein. Es ist daher durchaus anzunehmen, daß Caesar, als er mindestens 3 Jahre später daran ging, die Ereignisse dieser Feldzüge im Konzept denn nur ein solches ist die uns erhaltene Darstellung niederzuschreiben, solche minder wichtige Detaildaten über die feindlichen Kräfte zum großen Teil aus dem Kopfe niedergeschrieben hat; das circiter bei der Hauptzahl ist der eklatanteste Beweis dafür. In der Hauptsache hatte er sich ja auch hier die Sache richtig gemerkt; in untergeordneten Details

1) Die Summe approximativ (3 Legionen, bezw. 30 Kohorten) noch bei Cicero ad Att. 7, 1, Plutarch Caes. 34, Orosius VI. 15, 4.

2) Die 12 domitianischen Kohorten stimmen auch ziemlich mit den 4000 Mann, die Appian b. e. II. 38 den Domitius haben läßt.

2*

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »