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199

Die beiden Bußtempel zu Delphi

als Musterbeispiele altionischer und altdorischer Marmorarchitektur.

Von H. Pomtow.

In Band VI dieser Zeitschrift war der Nachweis geführt, daß die delphischen sog. Buß- oder Sühne-Tempel (raoì trayızoi), die infolge der von Aristoteles und Plutarch berichteten großen orάog des VI. Jahrhunderts v. Chr. aus dem konfiszierten Vermögen der Schuldigen erbaut waren, wiederzuerkennen seien in den zwei zierlichen Marmortempeln, welche in Temenos der Athene Pronaia neben dem großen Porostempel der letzteren ausgegraben worden waren (VI, S. 118 ff.). Ein Nachtrag (S. 412 ff.) bestätigte diese Ausführungen auf Grund von Untersuchungen an Ort und Stelle (1906) und stellte die genauere Beschreibung der Tempel, von denen der westliche in ionischem, der östliche in dorischem Stil erbaut ist, für später in Aussicht. Diese Rekonstruktionen, die erst nach der dritten Delphi-Expedition (1910) gelungen sind und bedeutsame Aufschlüsse über die altionische Marmorarchitektur im Festland von Hellas bringen, sollen den Fachgenossen an derselben Stelle vorgelegt werden, wo vor sechs Jahren die Wiedererkennung der Tempel erfolgt war. Und da inzwischen auch die neben den Bußtempeln liegende Große Tholos rekonstruiert ist (Klio XII, 179 ff., 281 ff.), dürfte es willkommen sein, daß noch der Kalksteintempel der Pronaia beigefügt wird, um so mehr, als sich eine überraschend enge Beziehung zwischen ihm und der Tholos ergeben hat, für die unten gleichfalls noch Neues hinzugefügt wird. Auf diese Art findet man hier sämtliche Bauten des Pronaiaheiligtums vereinigt. soweit sie noch von Pausanias gesehen wurden. Zur Orientierung über die Lage dieser Bauten wird in Abb. 1 Replats (freilich wenig genauer) Plan der Marmariá aus Revue de l'art anc. et mod. X (1901) S. 364 wiederholt und ihm am Schluß eine Rekonstruktion des Temenosplanes der Pronaia gegenübergestellt, die Frickenhaus' Zeichnung (Ath. Mitt. 1910, Taf. XIII) vervollständigt.

Aber auch die historischen Untersuchungen über die bedeutsame OTάois des Jahres 363 v. Chr. (Klio VI, 89 ff.) haben eine Bereicherung erfahren, die fast über unser Hoffen hinausging. Wir haben das große Original-Dekret vom J. 362 v. Chr. aufgefunden, durch welches die Bestimmungen über das Vermögen der qvyádıç (Astykrates und Genossen) getroffen, die Einziehung ihrer ir ton diazoáμuari verzeichneten väterlichen und mütterlichen Güter (τὰ πατρῶνα καὶ τὰ ματρῶια verfügt wird. Der leider sehr verscheuerte, umfangreiche Text wird weiter unten in Teil III herausgegeben. Ähnlich hat sich für die alte orάois, die man bisher an das Ende des VI. Jhdts. verwies, eine bedeutend frühere Zeitepoche ergeben, die durch das Alter und die Abfolge der vier altionischen Marmortempel Delphis bedingt wird: denn von demselben Architekten der hier den Thesauros von Klazomenae um 560-550 erbaute, rührt auch unser ionischer Bußtempel her, sodaß die große Geschlechterfehde des Krates und Orsilaos in die erste Hälfte des VI. Jhdts. emporrückt.

Über diese Vorgeschichte unserer Bußtempel hat Ulrich Koehler in einer Miszelle des Rhein. Mus. 53, 485ff. gehandelt, die er dem Unterzeichneten vor 15 Jahren zusendete, die aber wegen der indifferenten Überschrift (über eine Stelle in der Politik des Aristoteles') fast ganz unbeachtet geblieben ist. Und doch vereinigt sie in so ausgezeichneter historischer Methode alles Wesentliche über unsere Geschlechterfehde, daß ihr Hauptinhalt in unseren geschichtlichen Teil (III) über die vayɛis aufgenommen werden soll, nachdem in Teil I der ionische, in II der dorische Tempel rekonstruiert sein wird.

1.

Der Ionische Bußtempel.

1. Zur altionischen Marmorarchitektur in Delphi. Die im folgenden gegebenen Beschreibungen der architektonischen Überreste, ihre Zusammensetzung im einzelnen mußten naturgemäß technisch und detailliert ausgeführt werden unter Veranschaulichung durch zahlreiche Abbildungen. Denn nur in dieser Weise lassen sich die Rekonstruktionen des Ganzen auf sichere Grundlage stellen und vor Zweifel schützen. Um jedoch im voraus die architekturgeschichtliche Bedeutung dieser Bauwerke zu charakterisieren und zu zeigen, welche zauna aus dieser trockenen delphischen Steinklauberei gewonnen werden können, sei folgender Überblick vorausgeschickt.

Die Geschichte der altionischen Marmorarchitektur war bisher nur sehr ungenügend bekannt (Springer-Michaelis 19, 154f.). Drei kolossale Marmortempel, lauter Dipteroi, reichten mit ihren Anfängen z. T. in den Anfang des VI. Jhdts. empor: das Heraion von Samos, das Artemision in Ephesos (120 Jahre Bauzeit. vollendet erst zur Zeit der Perserkriege).

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Abb. 1. Die Marmariá zu Delphi.

(Wiederholung des Replat'schen Planes aus Revue de l'art etc.

Maßstab: etwa 12 mm pro Meter.)

FCVILLES DE DELPHES དg༠༔

MARMARIA

SANCTVAIRE 'ATHENA PRONAIA

རྒྱུུ་. les relèves de M? REPLAT ingenione

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zu dem bekanntlich Kroisos einen Teil der Säulen schenkte, das ältere Didymaion bei Milet (von Darius 494 zerstört). Obgleich wir über die Anlage dieser Tempel, die Außenmasse, die Säulenzahl und -stellung einigermaßen informiert sind, war von dem Gebälk nichts erhalten und auch die Einzelheiten der altionischen Säule mußte man aus Fragmenten erschließen, wie sie z. B. ein Apollotempel in dem von Ioniern besiedelten Naukratis bot oder der ionische Tempel von Lokroi in Unteritalien. Etwas Sicheres gaben uns erst seit 430 v. Chr. die attischen Schmuckbauten: Niketempel und Erechtheion, während der 'Tempel am Ilissos' verschwunden ist. In diese klaffende Lücke treten nun 4 delphische Marmortempel: 560-550 das Schatzhaus von Klazomenae, um 550 der ionische Bußtempel, 545-540 das Schatzhaus von Knidos, 535-530 dasjenige von Siphnos. Ihnen folgt 480-478 die Stoa der Athener, deren ionisches Kapitell nun endlich (von Zippelius) ermittelt wurde. Von diesen vier Tempeln lassen sich drei vollständig wieder aufbauen, selbst der überreiche Skulpturenschmuck ist z. B. beim Siphnosbau größtenteils erhalten (Fries und Giebel), und wo dem einen Bauglieder fehlen, helfen die anderen aus. Diese Rekonstruktionen können mit großer Sicherheit ausgeführt werden, weil die Fundamente wiedererkannt und dadurch die Grundmaße gegeben sind. Und die sonst so strittige Gebäudehöhe wird beim siphnischen Karyatidenbau — analog dem Athenerthesauros - durch die zahlreichen Inschriften der Nordwand gesichert, die die Abfolge und Zahl der Quaderschichten lehren, während die Höhe des zweiten Karyatidenhauses (Knidos) sich nach dem ersten richtet und die der zwei Antentempel (Klazomenae und Bußtempel) aus den Durchmessern der ionischen Säulen im Verein mit den vorhandenen Quaderhöhen ermittelt werden kann.

Diese kunsthistorische Bedeutung der 4 Tempel wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß es sich nur um relativ kleine Bauten handelt (c. 6,40 m breit, 8,60 m lang). Denn schon Durm wies darauf hin, daß sich die ionischen Tempel ohne Veränderung oder Umbildung des Details in allen möglichen Größen bewegen, vom kleinsten kapellenartigen Tempelchen der Nike apteros zu Athen bis zu den Riesen von Milet und Ephesos, und daß die Formen im kleinen wie im großen Maßstabe durchaus gleichartig geblieben sind, genau so wie bei der dorischen Ordnung (Bauk. d. Gr.3 S. 292). Darum sind die delphischen Bauten unschätzbare Zeugen für den Aufbau des in Ionien selbst ganz verlorenen alten Gebälkes und sie bringen u. a. die Kontroverse über das ursprüngliche Vorhandensein eines Frieses dahin zum Austrag, daß mit Durm

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gegen Michaelis (p. 136) und andere der Fries ein integrierender Bestandteil der ionischen Tempelarchitektur gewesen ist, dessen vereinzeltes Fehlen (Athenatempel in Priene, Asklepiostempel ebenda) nur auf Experimentieren der betr. Architekten (Pytheos) zurückgeht. Änhnlich ergibt sich betreffs

des ionischen Architravs, daß seine ältere Form ebenso wie im dorischen Stil ganz glatt war, die Teilung in 2 oder 3 Faszien also durchaus erst dem V. Jhdt. angehört und kaum vor dessen Mitte entstanden sein wird. Denn selbst die Stoa der Athener hatte, nach den erhaltenen Einlaẞspuren an der Polygonmauer zu urteilen, einen glatten Achitrav (Holz), desgleichen auch der Tempel am Ilissos (Durm3 S. 410). So stimmen alle erhaltenen altionischen Epistylien überein mit den Lykischen Felsengräbern ionischen Stils (Antiphellos, Durm3 S. 286) und sichern damit auch den altionischen Riesentempeln den glatten, ungeteilten Architrav.

Aber auch darüber hinaus lernen wir - außer den singulären, schon bekannten Karyatiden - hier zwei neue Tempel kennen, deren eigenartige Palmenkapitelle' aus 2 Kelchen übereinander bestehen und die mit Sicherheit auf Ägypten hinweisen, wo am ionischen Apollotempel zu Naukratis ganz ähnliche Motive bekannt sind (s. unten die Gegenüberstellung von Abb. 50 und Abb. 47). Und die neuen Säulenbasen, bez. die torusähnlichen Fußgesimse der Wände, berühren sich auf das engste mit denen der Kroisossäulen im ephesischen Artemision, das nur 60 km von Klazomenae entfernt lag, bez. mit dem scharfkantigen Torus des Lokroitempels, vgl. unten Abb. 43/4 neben Abb. 45,6.

Wie die altionische Skulptur in ihrer überzierlichen Ausstattung an Gewändern, Haartracht und Beigaben der Karyatiden und der archaischen Mädchenstatuen (der Akropolis) keine Weiterentwickelung mehr kannte. sondern stagnierte und erlosch, so hat die altionische Marmorarchitektur, die z. B. in der exquisiten Arbeit der siphnischen Hängeplatten (Abb. 34/5) und Simen ihren technischen Höhepunkt erreichte, jene Palmenkapitelle nicht weitergebildet, sondern bald aufgegeben. Was von ihnen und dem alten Gebälk in Ionien zugrunde ging, hat Delphi erhalten. Den Aufstieg zur Höhe. die bedeutsamste Vorstufe zur Entwickelung der Kunst, die Niketempel und Erechtheion darstellen, bilden unsere Schatzhäuser und Kleintempel. Das ist für uns heute ihr innerer Gehalt, ihr Ethos.

2. Lage. Material, Technik, Grundmaße.

Den heutigen Zustand der Ruine zeigen unsere Photographien auf Taf. I in Abb. 2 (von Südwesten) und 3 (von Osten). Die dort sichtbaren Überreste von Fundament, Krepis. Stylobat, Toichobat1). Orthostat, und einer Wandschicht sowie von der Türwand und von dem vor der Cellarückwand befindlichen großen Statuenbathron sind maßstäblich in dem

1) Die Bezeichnung Toichobat für die Auflagequadern der Mauerwände, analog dem Stylobat, dem Auflager der Säulen, stammt von O. Puchstein. Der griechische terminus technicus für dieses Wandauflager ist unbekannt.

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