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straten angewandt. Wir sahen, daß es seinem Inhalte nach die Wiederherstellung der vollen diktatorischen Gewalt bedeutete, so unbeschränkt, wie sie bis etwa 300 gewesen war. Wir können nach dem soeben gegebenen Überblick auch die Unterschiede zwischen den beiden Instituten würdigen. Der Senat oder diejenigen Politiker, in deren Köpfen bei dem immer mehr sich verfinsternden politischen Horizont die Vorstellung von unserm Institut als einer wirksamen Waffe allmählich sich bildete, knüpften an die Tendenzen an, die in den letzten Diktaturen zutage getreten waren.

Kollegial und vom Volke gewählt sollte die Diktatur sein. Das war sie, wenn man das Prinzip aufstellte, daß immer die regulären, vom Volke gewählten beiden Konsulkollegen die diktatorische Gewalt erhalten sollten. Darin lag ohne Zweifel ein Zugeständnis. Denn die Auswahl derjenigen Persönlichkeiten, welche gegebenenfalls die höchste Macht in Händen haben konnten, war in höherem Grade der Kontrolle des Volkes unterworfen, wenn von vornherein nur die aus der Volkswahl hervorgegangenen Männer dafür in Betracht kamen, als wenn (nach der Ordnung der Diktatur) jedem von ihnen rechtlich Spielraum gelassen war zu nehmen, wen er wollte, und de facto für den Senat die Freiheit bestand, seinerseits sich jemanden zu wählen und dessen dictio durchzusetzen). Nach dieser neuen Ordnung konnte der Senat sein Parteiinteresse nur negativ betätigen, indem er das S. c. dann nicht faßte, wenn die betreffende Beamtenpersönlichkeit ihm politisch nicht genehm war. Es wird natürlich nicht zu unterschätzen sein, daß der Oligarch dabei gleichzeitig den Vorteil eintauschte, die Auswahl der Beamten mit diktatorischer Gewalt nicht jedesmal bei inneren Gährungen dem Votum der Masse ausgesetzt zu sehen. Aber wenn das Institut als ein Werkzeug der Ordnung zu funktionieren bestimmt war, so hätte auch ein vom Parteiinteresse unabhängiger Staatsordner dieses Moment der direkten. Volkswahl nicht zulassen dürfen. Auch die Erstreckung des Kollegialitätsprinzips bedeutete, wie wir sahen, eine Anknüpfung an die Entwicklung, die die niedergehende Diktatur genommen hatte. Daß darin ebenfalls ein Zugeständnis an die Freiheitspartei, auch dem Effekt nach, lag, ist nicht zu leugnen. Denn im gegebenen Falle hätte immer ein Mißbrauch der außerordentlichen Gewalt durch einen der beiden Konsuln von dem andern korrigiert werden können.

Nun ist unbestreitbar, daß diese Zugeständnisse nicht allzu viel bedeuteten dem gegenüber, was man aufrechterhielt. Denn in der Tat war das monarchische Prinzip, das ja bei der Diktatur vorwiegend von militärischen Gesichtspunkten diktiert war, entbehrlich bei diesem Ersatz der Diktatur in einer Zeit, in der äußere Krisen kaum zu erwarten waren. Wertvoller im Sinne der Volkspartei war schon der indirekte Einfluß, den 1) Benennung einer bestimmten Persönlichkeit ist später direkt üblich. Mommsen, Staatsr. II 150.

die Volkswahl auf die Bestellung der neuen Quasidiktatoren gewann. Das Entscheidende war aber, daß das neue Institut, so wie es gedacht war, die inhaltliche Kompetenz der Diktatur in demjenigen vollen Umfang wieder herstellte, den sie in den ersten Jahrhunderten gehabt hatte. Denn, wie schon oben bemerkt, hatte die Diktatur irgendwann (vermutlich erst 300) ihre Sonderstellung gegenüber der Provokationsgesetzgebung eingebüßt. Daß das entweder einfach Herkommen geworden oder direkt gesetzlich festgelegt worden ist1), daß irgendwann jedenfalls die Diktatur gezwungen worden ist, der Provokation stattzugeben, geht auf alle Fälle aus den Worten des Festus hervor: (p. 198 ed. Mueller) postquam vero provocatio ab eo magistratu ad populum data est, quae ante non erat . . . . Man stellte sich also sicher mit Recht auf den Standpunkt, dies sei schon der Anfang vom Ende der Diktatur gewesen.

Es fragt sich, zunächst ganz theoretisch, wie dieses einstweilen nur theoretisch erdachte Institut, unser S. c. de re publica defendenda, vom Standpunkt der römischen Verfassung zu beurteilen ist.

Die Verfassung der römischen Republik hat nie auf einem Blatt Papier gestanden. Vielmehr liegt ihr Wesen in dem Ausdruck beschlossen, den die Römer selbst dafür verwenden: mos maiorum. Mos maiorum ist einmal der Inbegriff der Grundgedanken, die denjenigen einzelnen Institutionen und Sätzen der Gemeindeordnung zugrunde liegen, welche nach römischer Vorstellung auf die ursprüngliche Ordnung der Gemeinde zurückgehen. Mos maiorum ist ferner alles, was sich, sobald eine Neuerung erstrebt wird, im Kampf der politischen Kräfte als Produkt ergibt. Soweit die konservative Richtung bei einem Reformversuch das Neue anerkennt, insoweit wird es Präzedenzfall, mos maiorum, Stück der Verfassung.

Der Nachweis der Verfassungsmäßigkeit einer neuen Institution hat also auf drei Momente zu achten: die Übereinstimmung mit den Grundgedanken (ursprüngliche Verfassung), das Verhältnis zu den einschlägigen, in den mos maiorum übergegangenen Änderungen dieser Grundgedanken (derzeitige Verfassung) und endlich Erfolg oder Mißerfolg des Versuches, für die erstrebte Neuerung einen von der Gegenpartei gar nicht oder ohne Erfolg angefochtenen Präzedenzfall zu schaffen.

Die ursprüngliche Verfassung hatte ohne Zweifel ebenso feste Garantien für Leben und Sicherheit des Bürgers gegenüber dem Beamten geboten, wie sie andererseits den Grundsatz konsequent durchführte, alle diese Dinge sollten nichtig sein, wo die äußerste Gefahr des gesamten Staatswesens eine in einer Hand vereinigte, unumschränkte Beamtengewalt erheischte. Wenn die Diktatur als ein integrierender Bestandteil der republikanischen Ordnung, zweifellos mit Recht, betrachtet wird, so ist

1) Mommsen schreibt es vermutungsweise dem Valerischen Provokationsgesetz vom Jahre 300 zu (StR. II 3 164/5).

ebenso zweifellos ein Institut, welches einen Ersatz der verloren gegangenen Diktatur zu bilden bestimmt ist, der ursprünglichen Verfassung gemäß.

Nun war ja aber inzwischen eine Änderung der Verfassung eingetreten. Man hatte der Diktatur die Provokationsfreiheit tatsächlich genommen, man hatte wenigstens versucht, sie im Sinne der Tendenzen, die wir oben für die Jahre 217-210 festgestellt haben, umzuformen. Dieser zweite Versuch war allerdings, nach wenigen Präzedenzfällen in dieser Richtung, gescheitert; denn die letzten Diktatoren waren wieder in der althergebrachten Form bestellt worden1). In der Folge hatte man keinen Anlaß zu der Bestellung von Diktatoren, oder man betrachtete das Institut als aus der Verfassung beseitigt. Das bleibe dahingestellt. Wie steht nun dazu der Versuch, einen Ersatz dafür zu schaffen? Verfassungswidrig wäre es gewesen, wiederum Diktatoren der alten Art, mit Provokationsfreiheit, einzusetzen. Das Neue jedoch, was man nun schaffen wollte, unterschied sich, indem es den damals nicht durchgedrungenen Tendenzen Rechnung trug, so wesentlich von der Diktatur, daß man aus der Beseitigung der Provokationsfreiheit für diese nicht wohl ein Präjudiz über die neue Institution ableiten konnte.

Und so war und ist die Meinung durchaus zulässig, daß man aus der Entwicklung der Diktatur damals nur die Lehre habe ziehen müssen, die römische Gemeinde wolle nicht, daß fürder die zeitweilige Provokationsfreiheit einem monarchischen, von der Volkswahl unabhängigen, außerordentlichen Beamten zustehen solle. Es hieße, glaube ich, das eigentümliche Wesen römischer Verfassungsänderungen mißverstehen, wenn man gegen diesen Satz einwenden wollte: notwendig hätte unter dieser Voraussetzung die Entwicklung so verlaufen müssen, daß man die Provokationsfreiheit der Diktatur unangetastet ließ, dagegen die Form der Bestellung des Diktators änderte. Die römische Scheu gegen Verfassungsparagraphen mußte dahin wirken, wenn man überhaupt die Gesetzgebung gegen die Diktatur in Bewegung setzte, durch eine erneute Einschärfung der Provokationsgesetze die Diktatur in ihrem wesentlichen Inhalt (wenigstens sofern innere Krisen in Betracht kamen) zu mindern und daneben gelegentlich die Erstreckung der Kollegialität zu versuchen, wie wir oben sahen. Noch verständlicher wird die Entwicklung, wenn die Beugung der Diktatur unter die Provokation überhaupt nicht durch ein Gesetz, sondern durch Herkommen und Präzedenzfälle erfolgte, was durch den Wortlaut der Stelle des Festus m. E. nicht ausgeschlossen wird.

Es konnten sich also diejenigen, deren Köpfen der Gedanke dieser neuen Quasidiktatur entsprungen ist, darauf berufen, daß die Einrichtung einer über den Gesetzen stehenden Gewalt als Hilfe für äußerste Notlagen

1) Daß das Prinzip der Kollegialität in den letzten Diktaturen zur Anwendung gekommen sei, läßt sich nicht ausmachen. S. o. S. 355, 5.

der ursprünglichen Verfassung gemäß1), daß andrerseits die Übertragung dieser Gewalt an die höchsten ordentlichen Beamten der weiteren Entwicklung der Verfassung nicht widersprechend, weil überhaupt ohne Präzedenzfall, daß sie im Gegenteil im Einklange mit gewissen bei der Diktatur zutage getretenen Tendenzen der Volkspartei sei. Nicht also darum handelt es sich bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit unseres Instituts, ob es den für gewöhnliche Zeiten geltenden Provokationsgesetzen widerspricht. Vielmehr darum, ob der Gedanke, in inneren Krisen diese Gesetze außer Geltung zu setzen durch ein fest geordnetes, von der Diktatur wesentlich verschiedenes Institut, verfassungsmäßig war oder nicht. Wir sind soweit, daß wir den Gedanken sowohl wie den ersten Versuch, ihn praktisch anzuwenden, loyal heißen müssen). Die Frage seines Eingehens oder Nichteingehens in den mos maiorum haben wir nun zu betrachten.

Die praktische Anwendung des S. c. de r. p. defendenda.

Die erste Anwendung des S. c. de r. p. defendenda findet sich im Jahre 133 in der Reformbewegung des Ti. Gracchus 3). Ich kann hier wie im Folgenden auf eine ausführliche Darstellung der historischen Vorgänge, die zu der Krisis führten, verzichten.

Für 133 ist der Beschluß bezeugt und sicher gestellt1) durch Val. Max. III, 2, 17: convocati patres conscripti a consule Mucio Scaevola, quidnam in tali tempestate faciendum esset deliberabant, cunctisque censentibus ut consul armis rem publicam tueretur, Scaevola negavit se quicquam vi esse acturum. Vgl. Plut. Ti. Gracch. 18 ò di Naōizās dè Nasızãs giov Tor Eлator tỷ лókε ẞonder (so Plut. immer für unser S. c.). Daß also der Beschluß: uti consul rem publicam defendat gefaßt worden

1) Es ist ja bekannt, daß auch später noch z. B. in der sullanisch-casarischen Diktatur wie in dem Triumvirat Institutionen existieren, die über den Gesetzen, auch über den Provokationsgesetzen, stehen (s. Mommsen, Strafr. 42. 144. 173). Ihnen tritt also diese Quasidiktatur zur Seite.

2) Schon dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu manchen modernen Auffassungen, vor allem zu den Tiraden Barbagallos über diesen Punkt und zu einer ganzen Reihe von den wohlgezählten 26 Gründen, die er für die Verfassungswidrigkeit ins Feld führt.

3) Über die älteren Fälle, die unsere Tradition kennt, s. u. S. 374.

4) Auf das Räsonnement Appians, der sich darüber wundert, warum in aller Welt man damals keinen Diktator ernannt habe, wies ich schon oben hin: b. civ. I, 16 καί μοι θαῦμα καταφαίνεται τὸ πολλάκις ἐν τοιοῖσδε φόβοις διὰ τῆς αὐτοκράτορος ἀρχῆς διασεσωσμένους τότε μηδ' ἐπὶ νοῦν τὸν δικτάτορα λαβεῖν, ἀλλὰ χρησιμώτατον τοῖς προτέροις τόδε τὸ ἔργον εὑρεθὲν μηδ' ἐν μνήμη τοῖς πολλοῖς ἄρα γενέσθαι μήτε τότε μήθ' ὕστερον. κρίναντες δ' ὅσα ἔκριναν usw.; folgt der Sturm aufs Kapitol. Augenscheinlich hat hier wie später Appians Quelle die richtigen Beschlüsse gebracht, Appian hat sie aber nicht zu würdigen gewußt.

ist, ist sicher. Der Konsul erklärt, nicht früher mit Gewalt eingreifen zu wollen, als bis die Gracchaner den Weg der Gewalt beschritten hätten. Darauf geht dann Nasica mit der evocatio (qui rem publicam salvam esse vult, me sequatur!) vor und schlägt Ti. Gracchus nieder.

Vielfach ist geleugnet worden, daß damals ein S. c. de r. p. defendenda gefaßt worden sei; es war hierbei einmal die falsche Vorstellung maßgebend, als werde das S. c. erst dadurch perfekt, daß der Konsul daraufhin irgendwelche praktischen Maßnahmen treffe 1). Oder der Beschluß wurde verkannt, weil die Formel rideant etc. hier nicht begegnet 2). Beides ist hinfällig; rem publicam tueri ist sogar besser, und die Weigerung des Scaevola ist eine der möglichen Konsequenzen des Beschlusses. Eine Kritik der Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses") braucht in dieser Weigerung nicht gefunden zu werden. Eine starke Partei im Senat drang auf gewalttätiges Einschreiten gegen Ti. Gracchus schon vor dem Beschluß; Scaevola kämpfte dagegen an1). Da kam, nach der plutarchischen Darstellung, die Verschärfung der Situation: Tiberius hatte angeblich das Diadem verlangt (c. 19). Πάντες μὲν οὖν ἐθορυβήθησαν ὁ δὲ Νασικάς ἠξίου τὸν ὕπατον τῇ πόλει βοηθεῖν καὶ καταλύειν τὸν τύραννor. Er hat also S. c. de r. p. defendenda beantragt und in der Begründung seiner sententia die sofortige Anwendung von Gewalt für notwendig erachtet. Αποκριναμένου δὲ πράως ἐκείνου βίας μὲν οὐδεμιᾶς ὑπάρξειν οὐδὲ ἀναιρήσειν οὐδένα τῶν πολιτῶν ἄκριτον, εἰ μέντοι ψηφίσαιτό τι τῶν παρανόμων ὁ δῆμος ὑπὸ τοῦ Τιβερίου πεισθεὶς ἢ βιασθείς, τοῦτο κύριον un prλážeir . . . d. h. der Konsul stellt sich auf den Standpunkt, zur φυλάξειν Anwendung von Gewalt sei der Moment noch nicht da; die Behörde könne nicht zuerst dazu greifen; man solle abwarten, ob wirklich die gesetzwidrigen Anträge zu Beschlüssen erhoben würden: erst dann könne man dagegen vorgehen. Scaevola hat also die positiven Vorschläge zu Maßnahmen auf Grund des S. c. de r. p. defendenda abgelehnt, die Nasica für erforderlich hielt, keineswegs das S. c. de r. p. defendenda. Eine Ablehnung des S. c. als verfassungswidrig lag für Mommsen darin, weil es ihm die Hostiserklärung bedeutete. Bei dem rein formalen, keineswegs positive Befehle enthaltenden Grundcharakter des Beschlusses, wie er sich herausgestellt hat, kann man jedoch von einer Weigerung, Folge zu leisten, eigentlich überhaupt nicht reden. Zudem ist gar nicht sicher, ob nicht ein beträchtlicher Teil der Senatsmehrheit, die dem S. c. zustimmte, in der Meinung über das, was

1) So Zumpt, Criminalrecht I, 2, 401. Etwas anders Barbagallo 18. Allerdings kann man sagen, eine Quasidiktatur sei damals nicht zustande gekommen. 2) Z. B. Niese, Röm. Gesch. S. 174.

3) Wie sie Mommsen, StR I 690 1 daraus entnimmt.

4) Plut. Τi. Gracch. 18 οἱ πλούσιοι τὸν ὕπατον μὴ πείθοντες αὐτοὶ διανοοῦνται καθ ̓ αὑτοὺς ἀποκτιννύναι τὸν Τιβέριον.

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