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Zur Herkunft der ionischen Säule.

Von C. F. Lehmann-Haupt1).

Im vorliegenden Bande dieser Zeitschrift hat H. Pomtow uns mit einer neuen Form der alt-ionischen Säule, die ein Kapitell aus einem doppelten Blattkranz ohne Voluten zeigt, bekannt gemacht, einer Form, die bisher nur aus hellenistischer Zeit bekannt gewesen und wohl allgemein als eine spätere Neuentwicklung betrachtet worden war. Dieses alt-ionische Blattkranzkapitell hat er an dem altionischen Bußtempel in der Marmarià zu Delphi und dem gleichfalls dort befindlichen Schatzhaus von Klazomenae nachgewiesen2).

Gleichzeitig hat sich Pomtow über die Herkunft dieser Kapitelle im Zusammenhang mit der der ionischen Säule ausgesprochen. Er schließt sich mit Recht v. Luschan an, der fortbauend auf Borchardts und Puchsteins Untersuchungen als Erster die richtige Lösung für das Problem der ionischen Säule gefunden hat, indem er als Vorbild die Dattelpalme nachwies, deren Blattwedel ihre Stilisierung in der Volute gefunden haben, während die Palmetten den Fruchtstempeln der Palme entsprechen.

Für das dritte in seinem und unserem Sinne wesentliche Merkmal, das Eierstabkymation, betont v. Luschan mit Recht, daß es sich nur aus einem Blätterkranze entwickelt haben könne3). (Vgl. die hier beigegebenen Abb. 1, 2, 3).

Die Tatsache, daß in den Voluten die Blattwedel der Dattelpalme in stilisierter Gestalt vorliegen, wird unmittelbar bewiesen durch ein Monument, das Garstang bei seinen für das Archäologische Institut der Universität Liverpool vorgenommenen Ausgrabungen in Saktsche-Gözi aufgefunden1) und dessen in diesem Sinne wesentliches Stück Pomtow oben S. 246 Abb. 56 wiedergegeben hat. Es stellt die von den assyrischen 1) Aus meinem Vortrage, Die historische Stellung Armeniens im Altertum, der auf dem Londoner Historiker-Kongreß (orientalische Sektion, kombiniert mit der klassischen, archäologischen und ethnologischen) gehalten wurde.

2) Oben S. 241 ff.

3) F. v. Luschan, Entstehung und Herkunft der Ionischen Säule. Der alte Orient, XIII (1912) Heft 4, bes. S. 7f.

4) Siehe J. Garstang, The Land of the Hittites (London 1910), plate LXXX.

Skulpturen her wohlbekannte Szene dar, wie, nach der von G. B. Tylor gefundenen allein richtigen Erklärung, die weibliche Dattelpalme von geflügelten Genien durch die Kolben der männlichen Dattelpalme befruchtet werden. Die syrisch-hettitische Nachbildung ist zwar roh aber unverkennbar. Eine wesentliche Modifikation ergibt sich aus der geflügelten Sonnenscheibe, die die Dämonen, ihrerseits ohne Flügel, über dem eben befruchteten Palmbaum festzuhalten scheinen.

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Abb. 1. Kapitell vom Athene-Tempel zu Priene nach Puchstein,
Die ionische Säule, (Abb. 1 bei v. Luschan).

An Stelle des bei den Assyrern sonst in phantastischer Stilisierung erscheinenden Baumes finden wir hier ein Gewächs, das durch die schuppige Bildung des Stammes und durch die Krone deutlich als ein Palmbaum charakterisiert ist. Zwischen der Krone und dem eigentlichen Stamm aber treten, aus den Blattwedeln gebildet, drei Paar Voluten übereinander auf.

Für den Blätterkranz dagegen fehlt es an einem so unmittelbaren und schlagenden Beleg für seine Zusammengehörigkeit gerade mit der Dattelpalme, und so hat auch v. Luschan, soweit ich sehe, nirgends geradezu die Behauptung ausgesprochen, daß der Blätterkranz, wie er im Eierstabkymation nachlebt, zur Dattelpalme gehören müsse, wenn er auch für den an ägyptischen Kapitellen auftretenden Blätterkranz eine solche Herleitung in Anspruch nimmt. (Vgl. S. 470.)

Abb. 2. Altionisches Kapitell von der Akropolis zu Athen nach Puchstein a. a. O. (Abb. 2 bei v. Luschan.)

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Im übrigen gibt v. Luschan, ohne auf die Dattelpalme Bezug zu nehmen, einen Überblick über größtenteils vorderasiatische Vorbilder, um dann zu dem Schlusse zu kommen, daß man wohl bis auf weiteres Nord

syrien und das 8. oder 9. vorchristliche Jahrhundert als Heimat und als Entstehungszeit des Eierstabkymation werde betrachten dürfen 1).

Die Folgerungen, zu denen Pomtow im Anschluß an die delphischen Blattkranzkapitelle geführt wird, führen teils v. Luschans Ermittlungen weiter, teils weichen sie aber auch wesentlich von ihnen ab.

Indem ich sie betrachte, verweise ich zugleich den Leser ausdrücklich auf die der Pomtow'schen Abhandlung im vorliegenden Bande beigegebenen Abbildungen.

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Abb. 3. Altionisches Kapitell von der Akropolis zu Athen,

nach Puchstein a. a. O. (Abb. 3 bei v. Luschan.)

Zunächst betont Pomtow mit weit größerer Bestimmtheit als v. Luschan, wenn auch im Anschluß an Bemerkungen von ihm, daß es sich bei den Blattkränzen um Nachahmung von Palmenwipfeln handele.

Pomtow bemerkt (oben S. 244): „Den Beweis für die Erklärung als Palmenwedel liefern Abb. 51 und 52 oben S. 240 (beide aus Ägypten), die kürzlich v. Luschan nach Puchstein und anderen reproduziert hat. Er weist nach, daß man hier 'den ganzen Palmbaum mit seinen Wedeln zur Säule gemacht habe, indem man die in der Natur breit ausladenden Wedel durch Umwickeln mit einem Bande zusammenraffte'). Diese Wedel nahmen bald das Aussehen überfallender Blätter an, während die Palmblattrippen zu unseren Doppelstegen stilisiert wurden, und von da bis zur Verdoppelung des Blattkranzes war nur ein kurzer Schritt, den wir von den Ioniern schon in Ägypten selbst getan finden (Naukratis, ob. S. 240, Abb. 47). Eine zweite, vielleicht ältere Stilisierungsart der Palmwipfel bog sie nicht allseitig, sondern nur profilartig nach rechts und links auseinander und ward so der Vorläufer der aeolischen und ionischen Voluten. Bei dieser zweiten Art begegnen wir schon sehr früh nicht nur den doppelten Kelchen oder Wipfeln übereinander, sondern sogar den drei

1) A. a. O. S. 15 f. 2) F. v. Luschan a. a. O. S. 21.

fachen, und gerade bei letzteren hat v. Luschan die Eigenschaft als Palmbaum ohne jede Möglichkeit eines Zweifels' erwiesen."

Nach Pomtow sind also Blattkranz und Voluten nur zwei verschiedene Stilisierungsarten eines und desselben natürlichen Vorbildes.

Ihre Verknüpfung in der ionischen Säule wäre dann also jedenfalls ein sekundärer Vorgang, und das wird ja durch die neugefundenen altionischen Säulen mit Blattkranzkapitell ohne Voluten erwiesen. Als Gegenstück müßten wir auf griechischem Boden entsprechend ein Kapitell mit Voluten ohne Blattkranz erwarten, und ein solches liegt, soweit ich sehe, tatsächlich vor in dem äolischen Kapitell (Abb. 4) von

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Abb. 4. Aeolisches Kapitell von der Burg zu Athen, nach
Puchstein, Die ionische Säule. (Abb. 10 bei v. Luschan.)

der Burg zu Athen, das zwar Voluten und Zwickelpalmetten, aber kein deutlich ausgebildetes Eierstabkymation hat. Wenn v. Luschan (S. 16f.) bemerkt, dieses äolische Kapitell stehe so vollkommen in der Mitte zwischen dem Kapitell von Neandria (Abb. 5) und dem typisch-ionischen Kapitell (Abb. 1-3), daß es als echte und sichere Übergangsform bezeichnet werden müsse, so stimme ich seinem Gedankengange bei, aber in der Umkehrung, daß ich das äolische und neben ihm die altionischen Säulen von Delphi an den Anfang, das Kapitell von Neandria bzw. sein Prototyp in die Mitte und das typisch ionische Kapitell an das Ende stellen würde. Doch zurück zu Pomtow. Im Gegensatz zu v. Luschan, der für die Blattkränze in erster Linie vorderasiatische Vorbilder in Betracht zog, sieht Pomtow mit der Palmeneigenschaft der Blattkranz-Kapitelle auch ihre Herkunft aus Ägypten als zweifellos an (oben S. 244 und 246) und glaubt auch den Zeitpunkt dieser Entlehnung mit Sicherheit erkennen zu können. „Wir wissen“, so bemerkt er (oben S. 246), „aus Herodot II 178, daß Klazomenae, an dessen delphischem Thesauros die Palmenkapitelle zuerst

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auftreten, ebenso wie fünf andere ionische Städte, in Naukratis eine Faktorei besaß, die seit Amasis (568 v. Chr.) angelegt war und wo wir am ionischen Tempel den ähnlich überfallenden doppelten Blätterkranz (Abb. 47, S. 240)

Abb. 5. Urionisches („aeolisches") Kapitell aus
Neandria (Koldewey) nach Puchstein a. a. O.
(Abb. 4 bei v. Luschan).

fanden, wie an unseren Kapitellen. Es darf darum als sicher gelten, daß der klazomenische Architekt die Gestalt oder das Motiv der letzteren damals direkt aus Naukratis entlehnt hat. Andererseits wurde Klazomenae selbst zusammen mit den übrigen Ioniern von Harpagos 540 v. Chr. unterworfen, sein Thesauros gehört also ebenso wie der von Knidos vor diese Zeit. Da nun innerhalb dieser 28 Jahre der knidische Bau zuletzt, vor ihm der ionische Bußtempel und vor diesem sein Vorbild, der klazomenische, errichtet wurden, wird man letzteren um 560-550, unseren Tempel um 550, das Knidoshaus 550-540 anzusetzen haben, wie oben in der Einleitung und S. 202 vorausgeschickt war."

Wenn nun für die Voluten und ihre Herkunft aus den Palmenwedeln auch Pomtow lediglich vorderasiatische Vorbilder anzuführen vermag, (vgl. S. 245, Abb. 52-56), so war es schon um deswillen bedenklich, für den Blätterkranz das Gesichtsfeld zu verengern und Vorderasien, auf das v, Luschan so nachdrücklich verwiesen hatte, ganz auszuschließen.

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