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Ephialtes unbedingt ausschließen: darum kombiniert auch Herodot hier nicht nach seiner gewöhnlichen Manier, sondern er entscheidet sich für die eine Version unter völliger Verwerfung der anderen. Wer VII, 213–215 aufmerksam liest, wird sich des Gedankens nicht erwehren können, daß sich der Nacherzähler hier mit Bewußtsein eines ihm durchsichtigen Lügengewebes eines Gewährsmannes erwehrt. Ich vermag es nicht zu beweisen, aber es scheint mir an sich einleuchtend, daß die Tradition vom Verrate des Ephialtes in irgendwelcher Beziehung zu der lakonischen Demaratostradition stand und daß die Entschuldigung des Ephialtes einem höheren Haupte zuliebe versucht wird dem Demaratos. Daß die Ephialtestradition keine epichorische Version, sondern sanktionierte lakonische Vulgata war, zeigt zur Genüge VII, 213. Da liegt die Annahme nahe, daß es niemand anders als Dikaios war, welcher dieser Volksüberzeugung eine neue selbstgeschaffene Version, bei der Demaratos zweifellos aus dem Spiel blieb, entgegenstellte. Wie dem auch sei, jedenfalls ließ er seinen Mandanten bei der Thermopylentragödie dieselbe harmlose Rolle spielen, womit er ihn auch in den oben analysierten Stücken bekleidete (vgl. IV 209 Anfang).

Inwieweit des Dikaios Darstellung der Ereignisse in den Thermopylen auf die Gestaltung der geschichtlichen Vulgata eingewirkt haben mag. die sich ja allmählich gewöhnte, in jener vernichtenden Katastrophe eine hochverdienstliche lakonische Leistung zu sehen, kann dahingestellt bleiben; offenbar ist, daß die schönfärberische Umgestaltung der schweren Niederlage in einen lakonischen Erfolg der Tendenz der Dikaiosschrift nicht widerspricht. Ein Menschenalter nach der Niederlage konnte es möglich werden, das Geschehnis als eine der Konsequenz nach belanglose, im übrigen aber höchst rühmliche Waffentat der Lakonier hinzustellen. Je entschiedener die griechische Niederlage zu einer persischen Schlappe umgedeutet wurde, desto gegenstandsloser wurde das Suchen nach dem Verräter, desto eher mochte Vergessenheit auch des Demaratos Schuld bedecken.

5. Noch gegen einen andern, genau substanziierten Vorwurf hat Dikaios den Demaratos verteidigt: VII, 234ff. Es handelt sich um nichts Geringeres als einen Stoß ins Herz der lakonischen Machtstellung durch eine Besetzung von Kythera mit der Flotte. Die Verwirklichung dieses Planes würde unbedingt die peloponnesische Verteidigungsstellung am Isthmus gesprengt haben. Daß die Gefahr wirklich bestand und überhaupt wohl nur durch Salamis abgewehrt wurde, dürfte sicher sein, ebenso, daß die Lakedämonier diese Gefahr durchaus erkannten und aus diesem Grunde so fest an der Verbindung mit Athen. dessen Flotte ihnen gegen die Strategie des Großkönigs vor allem Deckung bot, festhielten. Diese Schwäche ihrer Position sollte Demaratos dem Großkönig verraten haben.

Wie verteidigt nun Dikaios den Angeschuldigten? Er stellt die Tatsache selbst nicht in Abrede (VII, 234); dafür aber leugnet er ihre Bedeutung. Demaratos soll diesen Kriegsplan in perserfeindlicher1) Absicht gegeben haben, um die Perserflotte zu teilen und ihre Besiegung den Verbündeten zu erleichtern! Demzufolge dürfte schließlich Demaratos der eigentliche Sieger von Salamis sein. Der persische Admiral, des Xerxes Bruder Achämenes, durchschaut nach Dikaios die List des patriotischen Demaratos, er beschuldigt ihn direkt und mit Recht, wie Dikaios zu verstehen gibt, des Verrates, προδιδοί πράγματα τὰ σὰ· καὶ γὰρ δὴ τρόποισι τοιούτοισι χρεόμενοι οἱ Ἕλληνες χαίρουσι κ. τ. λ. Xerxes gibt dem Achämenes sachlich recht, schützt aber den Demaratos gegen die Beschuldigung des Verrates, er sieht in dessen Rate mehr Torheit als Bosheit. (Δημάρητος δὲ λέγει μὲν τὰ ἄριστα ἔλπεται εἶναί ἐμοι, γνώμη μέντοι ἑσσονται ὑπὸ σοῦ.) Dieser beschränkte Perserkönig gehört zum Gemälde des Dikaios: wie sollte sich auch der verschlagene, heimliche Spartanerschwärmer Demaratos sonst in seiner Freundschaft behaupten?

6. Zur endgültigen Rechtfertigung des Demaratos nahm Dikaios. noch ein ganz besonderes, jeden drouós ausschließendes Verdienst für ihn in Anspruch. Er behauptet, daß der exilierte König seinem Vaterlande die Möglichkeit zu einer planmäßigen Abwehr des persischen Angriffs durch frühzeitige Warnung verschafft habe! Als Demaratos noch in Susa war am Hofe des Xerxes und dieser den Zug gegen Griechenland erst noch plante, informierte jener nach Dikaios schon seine Landsleute über die Absichten des Königs (VII, 239), in dessen Gunst er durch jene neutrale Wohltat gelangt war. Wieder nimmt Herodot zu dieser tendenziösen Fälschung seines Gewährsmannes Stellung; war für jenen das thema probandum die loyale, ja hochpatriotische Gesinnung seines Mandanten trotz des ihm seitens seiner Landsleute zugefügten Unrechts, so lehnt Herodot gerade diesen Punkt, um den sich doch bei Dikaios alles dreht, mit dem alle von jenem berichteten Tatsachen stehen und fallen, glatt ab (VII, 239 ὡς γὰρ ἐγὼ δοκέω, καὶ τὸ εἰκὸς ἐμοὶ συμμά zeta, oiz ir strove (Demarat.) Aazεdauorio11). Aber er verfährt hier, wie überall, vermittelnd und stofferhaltend. Die von Demaratos gesandte Botschaft hat für ihn als Motiv stoffliches Interesse2); er richtet seinen kritischen Zweifel deshalb nicht gegen die Tatsache" selbst, sondern nur gegen den von Dikaios berichteten Zweck der Tatsache". Er kombiniert also einen neuen Zweck für die als tatsächlich akzeptierte Botschaft:

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1) Wie nahe derlei Lügen der griechischen Apologetik liegen, zeigt die Themistokles fabel. Das Korrelat ist immer der „dumme" Perserkönig.

2) cf. Thuk. I, 21 ὡς λογόγραφοι ξυνέθεσαν ἐπὶ τὸ προςαγωγότερον τῇ ἀκροάσει ἢ ἀληθέστερον.

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höhnische Schadenfreude (πάρεστι δὲ εἰκάζειν, εἴτε εὐνοίῃ ταῦτα ἐποιήσε εἴτε καὶ καταχαίρων.

Man sieht, es ordnet sich alles zu einheitlichem Bilde, zu einer vollständigen Verteidigung des Demaratos gegen undiouós. In dieser Absicht erklärt der Verteidiger

1. seines Mandanten verdächtige und unleugbare Vertrauensstellung beim Großkönige aus internen (neutralen) Verdiensten;

2. behauptet er, daß jener diese Vertrauensstellung benutzt habe: a) zur Protektion seiner Landsleute, b) zum Nutzen seines Vaterlandes, indem er

3. a) den Perserkönig vor dem Zuge gegen Griechenland warnte und b) die Behörden seines Vaterlandes von dessen feindlichen Plänen benachrichtigte.

4. Als Freund des Königs mußte er zwar an dem Heereszuge notwendig teilnehmen, aber er ist a) unschuldig an der Katastrophe in den Thermopylen, b) zwar Urheber des Rates zur Besetzung von Kythera, jedoch aus perserfeindlichen Motiven, c) hat er während des ganzeu Feldzuges nie aufgehört, seinem Vaterlande den Sieg zu wünschen und darum zu den Göttern zu flehen, die ihn auch erhörten.

Diese raffinierte Verteidigung hat selbstverständlich einen praktischen Zweck: die Restitution des Demaratos selbst oder seiner Nachkommen. Aber die Exilierung des Königs beruhte ja nicht auf seinem nachträglichen undiouós, sondern war das Resultat von Parteikämpfen in Sparta, die erst das Vorspiel zu dem Zuge des Xerxes bildeten. Unzweifelhaft hat Dikaios auch diese Vorgänge mit in den Kreis seiner Darstellung gezogen, wenn er anders ein Ziel wie das bezeichnete verfolgte. Nun liegt uns bei Herodot wirklich ein diese Vorgänge behandelnder Abschnitt vor, der allein auf Dikaios zurückgehen kann (VI, 61-70), wie die unverhüllte Tendenz auch dieses Stückes zeigt. Dazu kommt, daß es zeitlich in engster Verbindung mit jenem anderen steht, denn an VI, 70 schließt VII, 2, 3 direkt an. VI, 70 schloß mit der Flucht des exilierten Königs nach Asien an den Hof des Dareios, und VII, 3 fixiert als den Zeitpunkt seiner Ankunft den Moment der Bestellung des Xerxes als Thronfolger (ἐτύγχανε κατὰ ταὐτὸ τούτοισι καὶ Δημάρητος ὁ ̓Αρίστωνος ἀναβεβηκὼς

Zovoa). Überdies geben die weiteren Worte, in denen Demaratos eingeführt wird, das zum Verständnis des Lesers nötige Tatsächliche genau in der Färbung, in welcher es VI, 61 ff. dargestellt wird. Die Lage des nach Susa flüchtenden Demaratos wird nämlich so charakterisiert: ἐστερημένος τε τῆς ἐν Σπάρτη βασιληίης καὶ φυγὴν ἐπιβαλών

ἑαυτῷ ἐκ Δακεδαίμονος. Gewiß kommt für die Darstellung der Einmischung des Demaratos in den Thronstreit nur die Tatsache in Betracht, daß jener als entsetzter König und exiliert in Susa lebt, und die Erklärer haben auch, soweit ich sehe, in den ausgehobenen Textesworten nichts anderes gesehen als eine derartige bloß tatsächliche Notiz, während doch durch ἐστερημένος die Entsetzung als Beraubung und durch φυγὴν ἐπιBalor avto seine Verbannung als eine selbstauferlegte Entfernung dargestellt wird.

In der Tat hat Dikaios, wie eine kurze Analyse des Abschnittes VI, 61-70 nebst zugehörigen Notizen zeigen soll, in dem ersten Teile seiner Schrift folgende Punkte zu erweisen gesucht: 1. Demaratos ist zu Unrecht abgesetzt (ist „beraubt") worden, 2. er hat später Sparta aus gerechtem Ärger verlassen, 3. die infolge seiner Entfernung ausgesprochene Verbannung ist im Grunde nur Folge eines Mißverständnisses. Das ist eine advokatorische Darstellung des wirklichen Vorganges, der Verbannung des entsetzten Königs wegen Konspiration; die fundamentale Differenz liegt auf der Hand.

Die inneren Parteiungen in Sparta, welche für Demaratos jenes tragische Geschick zur Folge hatten, beruhen, wie auch die Darstellung bei Herodot noch erkennen läßt, auf einem grundsätzlichen Gegensatze in der Stellungnahme der beiden Spartanerkönige zu der für die griechische Politik im ausgehenden sechsten Jahrhundert weitaus wichtigsten, ja geradezu einzig wichtigen Frage, in der Stellungnahme zu Persien. Während die eine Partei zielbewußt die militärischen Kräfte von Hellas gegen Persien zusammenzufassen sucht, verhält sich die andere, welche das Maß des von Persien ausübbaren Druckes nicht allzu hoch anschlagen mochte, weniger intransigent. Die erstere Partei führt Kleomenes, die andere Demaratos. Unverkennbar ist die Politik des Kleomenes eine eminent aggressive, galt es doch zunächst alle kantonalen Rivalitäten zum Zweck einer allgemeinen Einigung mit Gewalt zu beseitigen.

Druck aber erzeugt Gegendruck, und es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Bedrohung der kantonalen Selbständigkeit durch die nationale Politik des Kleomenes und der Spartaner die medische Gesinnung bei manchen Staaten, beispielsweise bei Argos und Ägina, überhaupt erst hervorrief. Wenn also Demaratos dieser chauvinistischen Politik, die unter nationaler Flagge vielleicht sehr egoistische Konterbande deckte, offen entgegentrat, wer kann es wagen, ihn deshalb zu verurteilen? Damals hielt sich Athen- als Mitglied der spartanischen Symmachie ganz im Fahrwasser der antimedischen Freiheitspolitik Spartas in wohlverstandenem Interesse. Wenn König Kleomenes Aigina zu Falle brachte, so wird er das gewiß als einen die Widerstandskraft Griechenlands gegen Persien stärkenden Erfolg betrachtet haben; unzweifelhaft aber fielen die besten Früchte seines Handelns schließlich Athen in den Schoß. Wenn

Demaratos einer solchen Politik seines Amtsgenossen sich leidenschaftlich widersetzte, so braucht er nicht einmal ein schlechter Politiker, geschweige ein Verräter gewesen zu sein. Wie dieser jenem in den Arm fiel, berichtet Herodot VI, 50, 51, ob nach Dikaios, mag dahingestellt sein; was dieser aber auch von diesem Vorgange zu berichten für gut gefunden haben mag, er betonte seines Klienten selbstloses Interesse an dem Schicksale der Aigineten, bestritt dagegen die Legitimation des Kleomenes bei seinem Einschreiten in Aigina: ja er unterließ es gewiß nicht, Bestechung des Kleomenes durch die Athener zu behaupten (VI, 50). Nun verficht Herodot die nämliche antimedische Politik, für die Kleomenes mit Unterstützung Athens so energisch eintrat, nur daß er als ihre verdientesten Träger nicht die Spartaner, sondern die Athener hinzustellen sucht; obendrein war das Auftreten des Kleomenes in Aigina so athenerfreundlich wie nur möglich wie soll er sich also in diesem Punkte zu der Tendenz des den Kleomenes verurteilenden Dikaiosberichtes stellen? Natürlich lehnt er sie ab und nimmt im Eingange jenes dem Dikaios entnommenen Berichtes, seiner Gesamttendenz entsprechend. für Kleomenes Partei. (Kouevéa lórta ἐν Αἰγίνη καὶ κοινὰ τῇ Ἑλλάδι ἀγαθὰ προεργαζόμενον ὁ Δημάρητος διέβαλε, οὐκ Αιγινητέων οὕτω κηδόμενος (wie Dikaios behauptete) ὡς φθόνῳ καὶ ἄγω χρεόμενος.

Wie man sich auch zu jener politischen Frage selbst stellen mag, soviel ist selbstverständlich, daß der lakonische Staat eine derartige leidenschaftliche Gegnerschaft der beiden maßgebenden Personen in der allerwichtigsten politischen Frage einfach nicht tragen konnte. So mußte es zwischen den beiden Gegnern und ihren Clanschaften zum Kampfe auf Leben und Tod kommen. In diesem siegte König Kleomenes. Mag man seine Sache politisch für die bessere halten, über die Qualität der angewandten Mittel kann kein Zweifel sein. Durch ein Zerrbild eines Prozesses, durch welchen dem Demaratos die Echtbürtigkeit abgestritten wurde, gelangte die politische Streitfrage zum Austrag. Vielleicht war es die Partei des politischen Rechts, welche den Sieg davontrug, aber sie siegte nur durch Vergewaltigung des objektiven juristischen Rechtes. Der Prozeß gegen Demaratos ist ein politischer Tendenzprozeß schlimmster Art. In seiner Rechtfertigungsschrift nun ließ es sich Dikaios angelegen sein, die Behauptungen der Gegner des Demaratos zu widerlegen. Die rechtliche Begründung des Klägers - es war der durch die behauptete Usurpation des Demaratos geschädigte, zum Thron nächstberechtigte Verwandte desselben, Leotychides kennen wir nur durch die Widerlegung des Dikaios; der Hauptpunkt ist der in Gegenwart von Ephoren gleich nach der Geburt des Kindes geäußerte Zweifel des Vaters an seiner Vaterschaft. Aber jedenfalls hat dieser Zweifel nicht angehalten: unzweifelhaft hat Ariston seinen Sohn in aller Form anerkannt παῖδα γὰρ τὸν Δημάρητον ἐς τὰ

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