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Personen zu übertragen: so könnte die Sache auch hier liegen. Aber die Geschichte, so neutral sie scheint, ist dies keineswegs; sie vermittelt zwar äußerlich in der Streitfrage, praktisch aber bejaht sie die Sukzessionsberechtigung des Demaratos, um die es sich doch schließlich handelt. Demaratos hat sie nicht ersonnen, sein Argument ist andersartig und rein menschlich; seine Gegner erst recht nicht: wo ist ihre Quelle, falls sie nicht rein novellistisch ist? Ich vermute sie in einem delphischen Orakel. Nach der Umwälzung in Delphi, welche die medische Partei ans Ruder brachte, sind voraussichtlich die Orakel gründlich revidiert worden, mancher Verurteilte und Geschädigte wird seine Sache aufs neue anhängig gemacht haben. Vor allem darf man das vom Haupte der medischen Partei in Griechenland annehmen, von Demaratos. Nachdem die medische Partei in Delphi, mit der Demaratos gewiß ebenso im Einvernehmen war wie Kleomenes mit der antimedischen, dort zur Herrschaft gekommen war, vielleicht mit des Demaratos Nachhilfe bezw. durch persischen Druck, war eine Revision in Sachen desselben selbstverständlich. Es läßt sich denken, daß der Gott seine Entscheidung nicht einfach widerrief, hatte er doch auf Reputation zu achten, sondern sie nur ergänzte, aus- und umdeutete. Hatte der Gott einmal erklärt μὴ Αρίστωνος εἶναι Δημάρητον παῖδα (VI, 66), so mußte es um der Gläubiger willen dabei sein Bewenden haben, aber eine erläuternde Ergänzung Aorgaßázor de poos wurde allen Wünschen des Demaratos und seiner Anhängerschaft gerecht. Durch diesen Zusatz wurde das Thronrecht des exilierten Königs sakralrechtlich wiederhergestellt. Es ist möglich, daß sich der revidierte Spruch) nicht scheute, sich auf die Aussage der Mutter zu berufen; so würde es sich bequem erklären, wie Herodot zu der von ihm beliebten Einkleidung der Astrabakosgeschichte gelangte.

Die Schrift des Dikaios war, wie wir gesehen haben, kein aktenmäßiges Werk, dessen Angaben beanspruchen könnten als feststehende Tatsachen zu gelten. Wir haben es vielmehr mit einer politischen Tendenzschrift zu tun, die man sich ihrer ganzen Anlage nach am ersten einer gerichtlichen Apologie ähnlich wird denken müssen. Trotz ihrer hierdurch bedingten Einseitigkeit ist sie aber doch ein Aktenstück zur Zeitgeschichte von unverächtlichem Wert.

Ganz besonderes Interesse erweckt die Schrift dadurch, daß sie die Dinge aus einem uns ganz fremden Gesichtswinkel sieht. Es fehlt das Poetische, die hergebrachten großen Gesichtspunkte": die Vorstellung

1) Daß solche Orakelspruchrevisionen häufig genug vorkamen, liegt in der Natur der Sache. Insoweit kann auch das zweite Salamisorakel echt sein (Herodot VII, 141); es revidiert das erste (VII, 143) post eventum und ex eventu. Herodot macht auch daraus eine kombinierende, auf Ausgleich gerichtete Erzählung. Die unzähligen Umdeutungen bei Homer zeigen nämliche Technik.

von einem Kampfe zwischen Europa und Asien, zwischen Kultur und Barbarei, zwischen Freiheit und Despotismus, zwischen Recht und Unrecht. Es fehlt der antimedische Fanatismus, welcher der gesamten Überlieferung so fest anhaftet wie die Haut dem Körper, und was das Wichtigste ist, es fehlt jede Beziehung zu Athen. Ist doch die Tradition der Perserkriege mehr eine tendenziöse Lobrede auf Athen als irgendetwas anderes. Überall sieht diese Tradition, wie sie durch Herodot gestaltet worden ist, Athen: Athen als Ursache, als Mittelpunkt, als Ziel der Ereignisse. Die Unterstützung der abtrünnigen Ionier durch Athen ist es, die den Rachekrieg entzündet (Herodot V, 97, cf. VI, 94); dazu kommt das Hetzen der exilierten athenischen Tyrannen (VII, 6 und VI, 94). Der Athener Hippias aber ist in seiner Rolle als Schürer des Krieges, als Agent und Führer der Perser nicht viel mehr als eine Dublette des Spartaners Demaratos (VI. 1071). Die engen Beziehungen der Peisistratiden zu den notorisch im Fahrwasser der medischen Politik sich bewegenden Aleuaden mochte eine derartige Kombination nahelegen (VII, 6).

Die Schrift des Dikaios läßt ferner einen tiefen Blick tun in die Rücksichtslosigkeit des politischen Strebens des Kleomenes. Soweit ich sehe, ist die Bedeutung dieses Mannes nirgends genügend gewürdigt, die Frage nach den Zielen seiner Politik nicht einmal aufgeworfen worden2). Wer fragt nach den Zielen des Kleomenes. Pausanias und Demarat, da Kleisthenes, Themistokles, Aristeides alles Interesse beanspruchen? Die nur athenisch orientierte Historie notiert. daß es König Kleomenes war, welcher der Peisistratidenherrschaft in Athen ein Ende machte. aber sie notiert es nur als einen für die athenische Geschichte wichtigen Vorgang. Bekannt ist, wie Herodot das Lakonische auch bei diesem Vorgange gründlich zu eliminieren sucht. Aber es waren in Wirklichkeit nicht Harmodios und Aristogeiton, welche die Tyrannis stürzten, noch die Alkmaioniden, noch gar der Befehl des delphischen Gottes an den spartanischen Staat, überhaupt steht das Interesse des athenischen Staates dabei in zweiter Linie3). Kleomenes kann es einzig und allein darum zu tun gewesen sein, seine Hand auf Athen zu legen: daß Athen seine „Befreiung" mit der Unterordnung unter Sparta, bestehend im Anschluß an die Symmachie der Lakonier, bezahlen mußte, ist selbstverständlich. Die Unterstützung der Aristokratien gegen die demokratische" Tyrannis ist nicht das Ergebnis doktrinärer Erwägungen, sondern ein praktisches Mittel zur Mehrung seiner eigenen politischen und militärischen Macht. König Kleomenes erstrebt nichts Geringeres als Zusammenfassung der Kräfte Griechenlands unter

1) Die Anwesenheit des Hippias in Marathon verwirft schon v. Wilamowitz, Aristoteles und Athen I, 112.

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seiner Führung, die Gründung eines einheitlichen griechischen Staatenbundes. Mit welcher Vehemenz er diesem seinem Ziele nachstrebte, das beweist die Rücksichtslosigkeit seines Vorgehens gegen Demaratos, sein energisches Auftreten gegen widerstrebende Kantone wie Ägina und Argos. Daß in all diesen Dingen mehr die Politik eines selbstherrlich schaltenden Königs sich zeigt als der Faktoren, in deren Händen man sich gemeiniglich den Inbegriff der politischen Macht in Sparta liegend denkt, dessen, was man den spartanischen Staat oder die „Spartaner" zu nennen beliebt, erscheint mir selbstverständlich. Ja, daran ist diese Einheitspolitik hauptsächlich gescheitert, daß sie schließlich eben diesen Faktoren als eine Gefahr erschien, größer als der aus ihr auch für sie entspringende Nutzen. Als Bundesfeldherr verfügte der spartanische König über Machtmittel, die es ihm ermöglichten, auch seinem eigenen Staate seinen Willen aufzuzwingen. Natürlich sind in einem Staatenbunde persönliche Beziehungen inniger als offizielle, beispielsweise dürften die maßgebenden Persönlichkeiten in dem durch Kleomenes befreiten Athen sich mehr als Vasallen dieses Mannes, denn als solche des spartanischen Staates gefühlt haben. Wenn man diesen Gesichtspunkt hinreichend würdigt, so versteht man auch, warum Kleomenes die äginetischen Geiseln in Athen verwahren ließ und nicht in Sparta. Waren sie doch hier seine Geiseln und nicht die seines Staates, verbürgten sie ihm doch die Gefolgschaft der Ägineten für seine eigene Person! Ja König Kleomenes hat es sogar wagen dürfen, mit den ihm als Bundesfeldherrn zugänglichen Machtmitteln seinen eigenen Heimatsstaat zu bekriegen und nicht ohne Erfolg. Die Geschichte ist völlig dunkel für die, welche in dem Spartanerkönige nur das willenlose Organ des im Ephorat verkörperten lakonischen Staatsgedankens sehen 1).

An Widerstreben gegen die umgreifende Politik des Kleomenes hat es in Sparta nicht gefehlt; natürlich pflegen alle Gegenbestrebungen in solchen Fällen auszulaufen in den Einspruch des Mitkönigs. Dadurch aber, daß Kleomenes das Haupt der gegnerischen Clanschaft, den Demaratos, beseitigt und an dessen Stelle seine Kreatur, den Leotychides, setzt, erlangt er eine überragende Stellung gleich der eines wirklichen Königs von Griechenland. zumal da er auch die Beziehungen zu dem Gotte in Delphi bestens pflegt. Abwehrbestrebungen der in ihrer Selbständigkeit schwer bedrohten Kantone bilden die natürliche Reaktion gegen das selbstherrliche Schalten des spartanischen Königs; schließlich mußte das zur Anlehnung der Bedrohten an Persien führen. Es wäre ungerecht zu behaupten, daß es diesen Staaten erheblich mehr an hellenischem Nationalgefühl gemangelt hätte als denen, die sich wohl oder übel in die lakonische

1) Wir pflegen heute das Gewicht der Institutionen zu überschätzen, das Persönliche dagegen zu unterschätzen. Wir interessieren uns z. B. mehr für das Ephorat als für Kleomenes oder Pausanias.

Oberhoheit fügten. Zweifellos wäre der von Persien im Falle des Sieges ausübbare Druck weniger fühlbar geworden als der lakonische. Unter dem suggestiven Eindruck der herodoteischen Zahlen pflegt man auch die Stärke der dem König Kleomenes zu Gebote stehenden Militärmacht zu Land und zu Wasser gegenüber der persischen ungeheuer zu unterschätzen. Er durfte in der Tat dem Gedanken der Offensive gegen das Perserreich behufs Eingliederung der asiatischen Griechen in seine Machtsphäre nahe treten. Die Sache zerschlug sich; wie wenig aber Herodot dem bedeutenden Manne gerecht werden kann oder will, beweist die kindische Geschichte V, 49 ff. Übrigens dürfte auch die athenische Hilfssendung nach Ionien (Herodot V, 97 ff.) schwerlich ohne des Kleomenes Befürwortung oder Genehmigung erfolgt sein. Man kann kombinieren, daß gerade er es war. der seinen maßgebenden Einfluß in Athen für die ja auch zu allererst notwendige und mögliche Hilfssendung zur See einsetzte, in der Hoffnung, seinen vielleicht widerstrebenden Staat durch Schaffung einer vollendeten Tatsache mit fortzureißen. Ein solcher Zusammenhang ist mindestens wahrscheinlicher als das von Herodot erzählte Histörchen (a. a. O.), wie Aristagoras von Milet die dummen Athener durch seine Schwatzfertigkeit zu dem folgenschweren Entschlusse verleitet.

Kurz: es ist kein größenwahnartiges Expansionsbestreben, keine Weltherrschaftsidee') seitens der Perser, die den Krieg herbeigeführt hat, sondern die Konkurrenz zweier nicht unebenbürtiger Militärmächte um die reichsten Gebiete der damaligen Welt. Wo Recht oder Unrecht, wo Verteidigung oder Angriff ist, ist kaum zu unterscheiden, jedenfalls sind die Machtgelüste der Agiaden ebenso schuldig an der Verwicklung wie etwa der Despotismus der Perserkönige.

Somit muß man auch notwendig in der Niederwerfung der lakedämonischen Militärmacht, nicht in der Bestrafung Athens das Ziel der persischen Angriffe sehen. Darum ist auch die Einäscherung Athens kein entscheidender persischer Erfolg, wie moderne Kritik in konsequenter Ausdeutung der herodoteischen Darstellung hat behaupten wollen. Denn in der Tat, wäre Rachsucht oder der Wunsch, ein Exempel zu statuieren, die Triebfeder, Athen das Ziel der Perserzüge, so hätte das persische Heer im Triumphe heimziehen mögen. Aber der Schluß ist irrtümlich, weil die Prämisse falsch ist. Die Einnahme Athens bedeutet nicht mehr als die Besetzung eines immerhin bedeutenden, aber vom Feinde freiwillig geräumten Vorwerks. Noch war die Hauptfeste, der Peloponnes, unbezwungen, und gegen ihn richtet sich der konzentrische Angriff zu Land und zur See. Zweifellos lag der schwächste Punkt der Verteidigungslinie auf der Seeseite; der Rat des Demaratos bezeichnet das ganz richtig. Die Verteidigungsstellung

1) Herodot VII, 54 nach Choirilos, vgl. Klio VII, S. 29 ff.

der griechischen Flotte bei Salamis galt der Deckung des Peloponnes (Thuk. I, 73, 4); das Zusammenhalten der Flottenkontingente des Bundes war für Sparta geradezu Lebensfrage. Damit erweist sich auch der Bericht des Herodot über das Verhalten des Themistokles, Eurybiades, Adeimantos1) bei Salamis als nachträgliche, tendenziöse Erfindung der Athener. Es war zweifellos eine Leistung der Bundesführer, daß sie gerade Athen trotz der persischen Werbungen beim Bunde festhielten. Auch der Gedanke, sich nach Verlust ihrer Vaterstadt eine neue Heimat im Westen zu suchen, wird für die Athener gewiß mehr gewesen sein als eine diplomatische Drohung an die Spartaner. Wenn diese Möglichkeit aber doch verworfen wurde, wenn die Athener bei Salamis mitkämpften, so stellten sie sich damit ganz in den Dienst Spartas; es versteht sich von selbst, daß Sparta dies Eintreten Athens im kritischesten Augenblicke seiner Geschichte durch feierliche Versprechungen erkaufte (natürlich ist dies bei Thuk. 1, 73ff. nicht zu lesen). Allerdings wird es Themistokles gewesen sein, der bei seinen Landsleuten das Ausharren durchsetzte, wofür ihn das dankbare Sparta als seinen Retter feierte (Thuk. I, 74, 1): es mag auch zu dem ruhmvollen Ausgang des Kampfes athenische Seetüchtigkeit das Beste beigetragen haben: darüber aber sollte kein Zweifel sein, daß bei Salamis wie überhaupt vorher und noch lange nachher die politische und militärische Direktive bei den Spartanern lag2).

Die Dikaiosschrift lehrt uns, mehr als bisher Sparta in den Mittelpunkt unserer Rekonstruktionsversuche der Geschichte der Perserzeit zu stellen; da ist nun vor allem ein Punkt, der gemeiniglich übersehen wird. Man pflegt als Subjekt aller Aktionen gleichermaßen die Spartaner zu bezeichnen und versteht darunter einen politischen Organismus, dessen Glieder im Verhältnis zueinander untadelich gleichmäßig funktionieren, gelenkt von dem im Ephorat verkörperten Willen der Gesamtheit. Diesen Gesamtwillen denkt man sich höchst konservativ, junkerlich, womit sich dann der Begriff der Beschränktheit und geistigen Trägheit von selbst verbindet3). Das Sparta der Perserzeit ist jedenfalls noch weit davon entfernt, ein derartiges politisches Gebilde zu sein. Seine historische Struktur ist an und für sich sehr kompliziert; die aristokratische Eunomie

1) Betreffs des Adeimantos steht das obendrein unanfechtbar fest. Plutarch as the Hoodorov zazon9ɛias c. 39. Simonides fragm. 84, 98, 99 101. Der Kern der Erzählung Herodots (VIII, 74ff.) steht Aeschylos, Perser 353 ff. 2) Anders E. Meyer 3, 267 (S. 476): „die politische Direktive für die Feldzüge von 480 und 479 hatte Athen gehabt." Und doch wagt das nicht einmal Thukydides in der mehrfach zitierten, keineswegs bescheidenen Lobrede auf Athens preiswürdiges Verhalten im Perserkriege zu behaupten (I, 73 ff.).

3) Man überträgt das an und für sich durch die geistreichen Antithesen des Verfassers stark gefärbte Bild der Gegenwart (Thuk. I, 78) unbedenklich auf die Vergangenheit.

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