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sodann nachweisen, dass ein solches von unserem Innern aufgegeben sei, und sich stets aufs Neue demselben als Bedürfniss aufdränge.

Jede dieser Betrachtungen wird uns anziehend und möge uns wichtig genug sein, um aus ihr für unser eigenes Thun und unser christliches Bewusstsein fruchtbare Folgerungen zu ziehen.

I.

Dass die Erneuerung des Lebens der Christen kein nichtiger Traumwunsch, sondern eine unabweisliche Mahnung sei, solches behaupten wir zuerst aus der geschichtlichen Wahrheit, dass dieses Leben in der Wirklichkeit vorhanden gewesen. Welches Zeitalter aber meinen wir, meine Zuhörer? Ist es nicht jenes erste, welches dem Erscheinen des Herrn noch nahe stand und die Herrlichkeit des Eingebornen vom Vater schauete? Glaubet nicht meine Zuhörer, dass wir zu den unbedingten Lobpreisern desselben gehören, dass wir uns gegen ausdrückliche Zeugnisse verblenden wollen, die uns überliefern, dass auch dort das Unkraut unter den Waizen gestreuet gewesen. Sind doch die Briefe der Apostel voll von Klagen über Laster und Unbilden, die von Alters her, namentlich in den grösseren Gemeinden, wie in der zu Corinth, im Schwunge gingen, sprechen sie doch vielfach, stark und heftig gegen das Unheil, von gleissnerischen Irrlehrern angerichtet, welche unter dem Scheine der Gelehrsamkeit und des Wohlwollens mit den Hoffnungen der Christen spielten, ehrsüchtige und eigennützige Pläne verfolgten und den Frieden der jungen Kirche muthwillig störten. Selbst Zerwürfnisse innerhalb des Schooses der Familien fehlten nicht ganz; ein trauriges Beispiel hierüber giebt uns die Stelle eines Corintherbriefes, welche ' von dem Laster der Blutschande warnend und eifernd redet, das sich unter den Verführungen und Ueppigkeiten einer grossen, volkreichen und tiefverderbten Stadt selbst in den Kreis der kleinen Christengemeinde einschleichen und sein Gift verbreiten konnte. Ja die Schilderungen gewisser Schriftsteller aus der guten alten Zeit sind leider nicht ge

gründet, welche uns das Leben der ersten Christen als ein Leben von eben so viel Heiligen darstellen und empfehlen wollen 6). Hier, wie überall, stehet eine Schattenseite neben der Lichtseite, und die Frage ist nur, welche von beiden die stärkere gewesen. Und hier müssen wir nun, meine Freunde, zur Ehre der Menschheit den guten Zug derselben anerkennen, und das loben, was Lob verdienet. Oft genug ist ja dieses Geschlecht von der unerfreulichen und betrübenden Seite dargestellet worden, und wir müssen wenn auch mit Schmerz doch unverholen es bekennen, dass hierzu Thatsachen von jeher genug und im Ueberflusse vorhanden gewesen. Aber können wir es läugnen, dass es auch eine heitere Seite der Betrachtung giebt, die man nicht allzu sehr und allzu oft vernachlässigen sollte? Was giebt uns das Recht nur immer das Finstere und Betrübende in dem Gange der Geschichte unseres Geschlechtes hervorzuheben, was zuletzt wohl gar zur Verzweifelung an aller Menschheit führen kann? Das Bessere, meine Freunde tritt eben, weil es das Bessere ist, oft in den Hintergrund zurück, und zeigt sich nicht der gaffenden Menge. Wahr ist es, selbst die Apostel des Herrn hatten im Anfange noch nicht den Sinn des christlichen Lebens erfasst, es offenbarte sich ihnen erst nach seinem Hingange. ́ Zwei der ausgezeichnetsten baten mit Selbstgefälligkeit um die ersten weltlichen Stellen im Himmelreiche, und noch nach der Auferstehung des Herrn erwarteten sie, dass er sichtbar kommen werde, sein Reich aufzurichten. Im irdischen und weltlichen Messiasglauben befangen, konnten sie den Träumen und Hoffnungen ihrer Jugend und ihres Volks nicht so schnell entsagen, als es der hohe Meister wünschte und forderte. Wie oft entflammte daher sein gerechter und sein gesunder Zorn gegen die Schwachen und Kurzsichtigen! Wohl eine grosse Qual musste es für den Hohen und Einzigen sein, sich so oft verkannt zu sehen, und die tiefen Worte seiner Rede auch von den Nächsten und Vertrautesten missverstanden! Erst nachdem der neue Geist von

6) Arnold u. A.

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Oben die verlassenen Jünger angehaucht und durchdrungen hatte; erst nachdem der Sohn Gottes zur Herrlichkeit erhoben war und zur Rechten Gottes die Kirche regierend und leitend gedacht wurde, erst dann verstanden sie das Wort von Kreuz und Schmach, und achteten es für Gewinn und Ehre, um Gottes und Christi willen, zu leiden. Nun erst hielten sie das Evangelium von Christo für eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben; nun erst hatten sie jenen höchsten Standpunkt errungen und festgehalten, von welchem aus alle übrige Verhältnisse des Lebens sich leichter gestalten und ordnen; nun erst gingen sie mit göttlichem Freimuthe hinaus, zu predigen von Jesu dem Auferstandenen. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges; weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Jetzt erst ging ihnen das auf, was man christliches Leben nennt; in der festen Ueberzeugung, dass, was sie hienieden mit aller Kraft ihres Wesens zu begründen und zu befestigen suchten in seinen Anfängen, jenseits dieses Daseins eine glücklichere und vollkommnere Vollendung finden werde, da wo Gott Alles in Allem ist und Christus zu dem Höchsten erhoben. Und es ist ihnen nicht misslungen, meine Theuren, was sie muthvoll, treu und unerschütterlich mit allen, ich darf es sagen, geistigen Fühlhörnern ihrer Seele vor Augen hatten, wofür sie Hohn, Spott, Leiden und Martern willig auf sich nahmen, wofür sie Stadt und Land durchzogen, wofür sie Tag und Nacht arbeiteten, wofür sie Heiden und Juden bald mit mahnender und strafender, bald mit lieblicher und gewinnender Rede ansprachen. Ihr Reich war nicht von dieser Welt, aber das Reich der Herzen ward ihnen geöffnet und hier machten sie eine gute und grosse Beute. Wenn verstockte, engherzige und selbstsüchtige Landsleute sich ihnen verschlossen, so öffnete sich ihnen der Sinn der Heiden, welche längst fühlten, was ihnen fehlte, und mit bereitwilligen Armen den Segen des Evan

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gelii in die verlassenen Wüsten ihres Gemüthslebens aufnahmen. Ja, meine Freunde, der Mensch mit seinen tiefsten und heiligsten Bedürfnissen zeigt sich zuletzt unter allen Zonen, die Freude an der Erlösung konnte durch das leere Opferwesen nicht hervorgebracht werden, wohl aber durch den unerschütterlichen Glauben an die versöhnende Kraft des Todes desjenigen, der Gott am nächsten gestanden hatte, und von ihm ausgesandt war. Und alle jene sanftere Regungen, meine Freunde, der Liebe, der Barmherzigkeit, der Versöhnlichkeit, der Langmuth, des geistlichen Friedens, den die Welt nicht geben kann, der geistlichen Freude, welche die Welt nicht hat; sie strömten wie ein sanfter Regen nach dürrem Wetter, wie ein erquickender Frühthau nach schwüler Sommernacht in die Gemüther Vieler ein, welche vorher nur in einer Welt des Unfriedens und harten Streites, in den Verwickelungen der Eifersucht, der Bitterkeit und des Neides sich beweget hatten. Man erkannte von nun an erst das Geheimniss der Menschheit; das Geheimniss der Freundschaft und christlichen Bruderliebe, welche vorher so Vielen ein leerer Schall, ein todter Name, eine belachenswerthe Einbildung gewesen waren. Freilich blieb dieser Kreis noch immer eng, ach sehr eng, den christliche Liebe und christliche Eintracht gezogen hatten, es war ein Kirchlein, keine Kirche; Neid, Hass und böswillige Verkennung tobten und stürmten von Aussen um sie herum, und suchten ihre Grundvesten zu erschüttern. Wer konnte auch die Weltkinder anders machen, die sich verhärteten, wer mit mächtiger Hand und gleichsam mit einem Zauberschlage das Unkraut ausjäten, das sich unter den Waizen eingeschlichen hatte. Aber die innere Glaubenskraft wuchs, je mehr der äussere Drang zunahm, und hier bewahrheitete sich der Spruch unseres grossen Dichters:

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Denn gross, meine Freunde, war die Wissenschaft auch vor Christo gewesen, wir danken ihr Hohes und Schönes,

was unseren Geist nähret, was unsere Kindheit anlockt, was unsere Jugend begeistert, was unser männliches Alter erquickt und stärkt, was den Abend unseres Lebens erheitert, und uns den Ueberschritt in jenes unbekannte Land erleichtern kann. Auch sind wir nicht undankbar und gefühllos gegen das, was von sittlicher Grösse das vielgepriesene heidnische Alterthum aufzuweisen hat. Die Vaterlandsliebe dieser Zeit war zu grossen Opfern begeisternd, mancher, dessen Name unsterblich fortlebt, scheuete nicht den Tod für den Ruhm und die Rettung des Vaterlandes. Hat auch ein gefeierter Kirchenlehrer der alten Zeit die Tugenden der Völker vor Christo glänzende Laster genannt, so ist doch ihr Wille oft rein und ehrwürdig, ihre Thatkraft ausserordentlich gewesen. Auch fehlt es nicht an Handlungen der Gerechtigkeit, der Billigkeit, der Selbstaufopferung, welche eines Christen würdig sind; sollten auch die feineren Tugenden der Sanftmuth, der Verträglichkeit, der Friedensliebe, der Demuth gänzlich vermisst werden. Aber wenn wir hier einzelne frische und lebendige Blätter, grünende Zweige und gesunde Früchte sehen auf einem übrigens verdorrenden, kümmerlichen Lebenssaft an sich ziehenden Stamme; so erblicken wir in der Welt des Christenthumes den reichen, vollen, von innerster Lebenskraft überströmenden Baum mit goldnen Früchten und belasteten Zweigen, die er immer aufs Neue hervortreibt, denn da wo der Grund und Boden gut ist, da ist auch des Hervorkeimens und Darbietens guter und vollkommener Gaben kein Ende. Sehet da, meine Freunde, in einem deutlichen Bilde den mächtigen Unterschied des gleichsam zersplitterten sittlichen Lebens der Heiden von dem einigen, vollen, in sich abgerundeten Leben, welches der Christ in sich tragen und entwickeln soll. Vieles kann wohl geordnet, kann recht, kann wohlthätig, kann erfolgreich sein in dem Leben eines Menschen, aber es stehet neben vielem Ungeordneten, Unklaren, sich selbst Widersprechenden, so dass die Erscheinung einer also veräusserten Lebensthätigkeit nicht ein Ganzes ist, gleichsam aus Einem Stücke gewebt, sondern ein buntes Bruchstück aus einander wider

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