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spekulativen Ideen in Mystik, Theosophie, Mythologie, kurz in eine durchaus unphilosophische Darstellung um.

Origenes (185 geb.) gab das erste philosophische System der christlichen Lehre. Es ist eine Synthese platonischer und christlicher Ideen, getragen von der reinsten Gotteserkenntnis, die den Begriff des höchsten Wesens über alles Menschliche und Weltliche, über alle aus ihm erwachsenden Begriffe hinausheben möchte; aber auch hier strömen mit den Vorstellungen aus der griechischen Philosophie und aus der jüdisch-christlichen Dogmatik die mythisch-allegorischen Deutungen des Unwißbaren in Hülle und Fülle zu.

Der wirklich große und originelle Philosoph auf dem eigenen Boden des Christentums und zugleich eine glutvolle Persönlichkeit voll elementarster Leidenschaft ist Augustin (354-430). 1) Auch hier begegnet uns eine Fülle sich bekämpfender Widersprüche, das Ringen einer titanenhaften Subjektivität, ein verzehrender Glücksdurst, ein Drang, das ganze Sein in Eins zu fassen, ein Leben und Weben im Gefühl, kurz eine gewaltige, von Affekten beherrschte religiöse Spekulation, wie bei Plotin. Raffinierte Sinnlichkeit und übermächtige Phantasie streiten mit einer außerordentlichen Energie des Denkens und des religiösen Empfindens. Neuplatonische Elemente in der Denkarbeit Augustins lassen sich leicht aufweisen; Gott ist ihm das reine Sein, die schlechthin einfache Natur; das Verhältnis zu Gott ist mystisch ein sittlich religiöser Wechselverkehr, die Lebensarbeit ein Suchen Gottes, donec requiescat cor in domino; aber die Entfaltung des innerlichsten Gemütslebens, vor allem die Durchdringung mit der christlichen Erlösungslehre, die Aufstellung der Frömmigkeit als Gipfel der Weisheit u. v. a. führen zu einer Auflösung des antiken Intellektualismus und legen den Grund zu einer neuen Welt; dort herrschte ein unpersönliches, hier tagt ein persönliches Geistesleben.

Eine lange Ebbe folgt auf die gewaltige Flut des dritten und vierten Jahrhunderts.

Im Mittelalter wird die Kirche ganz und gar das Gewissen der Menschheit.

Die Metaphysik war nicht das Endziel, sondern der Ausgangspunkt der Philosophie; sie hatte den Zweck ihres Daseins

1) Vgl. Eucken a. a. O. S. 258 ff,

in der Theologie; sie war eine apologetische Hilfswissenschaft der kirchlichen Dogmatik. Doch hatte auch sie ihre Entwickelung, welche, mehr oder weniger vom Dogma abweichend, mehr dem Platon oder dem Aristoteles sich zuneigend, entweder mehr transcendent oder pantheistisch immanent das Verhältnis von Gott und Welt auffaßte. Auch die Natur galt als getrübt durch die Sünde oder als das große Bilderbuch zu den Heilswahrheiten der göttlichen Offenbarung; die göttliche Zweckbestimmung des Menschen war das schöpferische Prinzip der Weltordnung; die Erde stellte die Schaubühne dar, auf welcher sich das Zusammenspiel von Gott, Teufel und Menschheit vollzog.

So ward das ganze Sein, das irdische, wie das himmlische, von einem dichten Netz metaphorischer Vorstellungen umsponnen. Erst der Individualismus und die moderne Spekulation zerrissen es und lösten es auf.

Das Altertum setzte das Geistesleben in die Beziehung des Menschen zum All; das Christentum fand das Hauptproblem des Daseins in dem Verhältnis des Menschen zur absoluten Persönlichkeit; in der vollen Wiederaufnahme jenes weltumfassenden Innenlebens besteht zunächst das Charakteristische der Neuzeit.1) Der Geist wird selbst Problem, ja das Problem aller Probleme; die Unendlichkeit des Geisteslebens führt bis zur Immanenz des Göttlichen in dem ganzen Menschenwesen.

Die Renaissance sucht die Antike in neubelebter Gestalt heraufzuzaubern, die Reformation das verfälschte Christentum in alter Reinheit heraufzuführen; aber das Neue, das Moderne, mit dem das Alte durchdrungen wird, ist der Individualismus; das schrankenlose Begehren nach Befriedigung des eigenen Innenlebens in dem Drange nach Wahrheit und Glück.

Der erste moderne Mensch wird in Italien geboren. Und mit ihm erwacht auch das von den Fesseln des Dogmas sich befreiende philosophische Bewußtsein.

1) Vgl. Eucken, „Die Lebensanschauungen der großen Denker", dritter Teil: Das Kulturideal der Menschheit. Kuno Fischer,,,Geschichte der neueren Philosophie." W. Windelband,,,Geschichte der neueren Philosophie," 2 Bände, Leipzig 1878-80. Rich. Falckenberg, Geschichte der neueren Philosophie von Nikolaus von Kues bis zur Gegenwart, im Grundriß dargestellt“, 2. Aufl. Leipzig 1892.

Auch die Geschichte der neueren Philosophie zeigt uns das Metaphorische in allen seinen Gestalten; ja, es erweist sich auch in ihr, wie alles menschliche Wissen im Grunde genommen trotz alles Scharfsinns und Tiefsinns auf enge Schranken angewiesen bleibt, wie das Anthropocentrische all unser Denken durchdringt, und wie wir nicht darüber hinausgelangen können, in die Hülle des Metaphorischen das Tiefste, das der Menschengeist ergründet, zu kleiden und somit auch im Metaphorischen selbst die Grenze, aber auch das Wesen aller menschlichen Weisheit zu finden. So hoch erhaben über dem mehr ästhetischen, antiken, der moderne, mehr spekulative Menschengeist sich auch dünkt, die ewigen Probleme bleiben doch nur metaphorisch lösbar. Es handelt sich immer mehr um die neue, vielseitige Beleuchtung des Alten, als um wirkliche Sicherung neuer bleibender Überzeugungssätze. In jedem Philosophen philosophiert ferner nicht bloß der Verstand, sondern die ganze Psyche im Zusammenhange mit der Zeit und ihrer Stimmung, ihrer geistigen Strömung; in das Denken mischt sich leise das Dichten, das Ahnen und Träumen von unerreichbaren Zielen; und es bewahrheitet sich das Wort des großen Romantikers: „Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt."

Aber ein freundliches Geschick hat es nun einmal so gefügt, daß im menschlichen Wissen unmerklich Träumen und Denken, ahnungsvolle Anschauung und verstandesmäßiges Zerlegen und Schließen, Phantasie und logische Vernunft zusammenrinnen; und so bietet uns auch die neuere Philosophie nicht bloß Gedanken, sondern auch Erlebnisse und Träume, nicht bloß kritische Systeme, sondern auch ahnungsreiche, mit Hülfe des Willens, des Temperaments und vor allem der Phantasie entworfene, künstlerische Gedankengebilde. So sehr auch ein System das andere abzulösen und als „metaphorisch" zu widerlegen scheint: das Große und Echte, das einmal gedacht und entdeckt wurde, bleibt doch unverloren, bleibt ewig, auch in metaphorischer Hülle; und so wenig je das Bild der Wahrheit enthüllt wird, so fügt sich doch Glied an Glied unablässig in der Kette der überhaupt möglichen menschlichen Ideen von den tiefsten und höchsten Dingen, und wie ein einziges gewaltiges Sehnen und Ringen geht es durch alle Denker hindurch trotz aller Verschiedenheiten und Widersprüche:

Eins ist die Menschheit,

Ein Herz,

Über Meere hin

Den Riesenpulsschlag schleudernd.
Ein Geist,

In Millionen Geistern

Ringend zur Kraft,

In Millionen Nervenfasern

Fühlend

Unrecht und Gerechtigkeit

Ein Mensch ist die Menschheit.

So enthüllt auch die Geschichte der neueren Philosophie die Geschichte des modernen Menschengeistes; sie spiegelt nicht bloß die Denkarbeit der Individuen wieder, sondern die Weltanschauung der modernen Zeit überhaupt in ihren charakteristischen Wandlungen; Philosophie ist immer die große metaphorische Synthese des Einzelnen und Allgemeinen in Geist und Welt.

Man rühmt an der neueren Philosophie im Gegensatze zu der antiken, daß sie ,,ängstlich bedacht" sei,,,nicht Menschliches in die Natur hineinzutragen." Wohlan, prüfen wir, wie weit ihr dies auch gelungen ist bezw. gelingen konnte!

Bei der Wiedergeburt der Philosophie nach dem langen mittelalterlichen, scholastisch-dogmatischen Traumleben wird die Weltflucht durch Weltfreudigkeit, und in der Gottesverehrung das transcendente Urwesen durch das beseelte Universum abgelöst. Die Philosophie wird zu einer großen Metapher, zu einer Übertragung religiöser Ideen auf die Natur; das höchste Geistige, das man denken kann, wird in sie gesenkt. Der Satz, daß der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, wird dahin umgedeutet, daß der menschliche Mikrokosmos ein Spiegel des Alls und dieses beseelt ist von der Weltseele, von Gott, für den kein menschlicher Begriff ausreicht.

Theosophische Mystik mit pantheistischen Momenten bildet den Grundcharakter jener an fruchtbaren Keimen, die später zu Systemen auswuchsen, so überreichen Übergangszeit, in der das Neue mit dem Alten noch bunt sich mischt. Nikolaus v. Kues (um 1450) erkennt, daß nur in unzureichenden, die Erkenntnis trübenden Bildern das Höchste sich ausprägen läßt, und postuliert

somit die mystische überbegriffliche Anschauung (visio sine comprehensione, intuitio), die schauende Erkenntnis Gottes als die Einsicht in den Unfaßbaren, Unendlichen. Neben transcendenten Gottesanschauungen begegnen uns immanente: Gott ist „Seele und Geist der ganzen Welt," "Gott ist durch alles, und alles in Gott", der menschliche Geist ein menschlicher Gott, ein endliches Unendliches, „ein göttliches Samenkorn, das aller Dinge Urbilder in sich trägt," das Leben nichts anderes als ein Streben zur göttlichen Unendlichkeit, als ein Weltwerden von innen her.

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Auf Nikolaus Cusanus fußt Giordano Bruno (1600 verbrannt) mit seiner schwärmerischen Naturvergötterung: Gott ist die wirkende Naturkraft, die Ursache aller Dinge, die in ihnen schaffende künstlerische Vernunft in gradweisen, individuellen Abstufungen bis in die Monaden (Atome, Minima) hinab; die göttliche Substanz ist Weltgrund und Weltzweck zugleich. Die künstlerische Harmonie bildet für Bruno die Analogie für sein Weltbild, in dem die kühne Phantasie universalistische und individualistische Ideen vermählt zu einem naturphilosophischen Monismus voll poetischen Schwunges einer begeisterten Auschauungsweise. Auch Campanella (gest. 1639) ist durchdrungen von dem Gedanken der All-einheit alles Seienden, und dieser führt ihn zu den Sätzen: wenn die Substanz in allen Dingen dieselbe ist, so braucht der Mensch nur sein eigenes Wesen zu durchschauen, um das Welträtsel zu lösen; was wir in uns finden, bildet die allgemeinsten Prinzipien, die Proprinzipien. - In dieser Ahnung des Anthropocentrisch-Metaphorischen konstruiert er die Welt nach der Analogie unseres eigenen Wesens: sie ist allbeseelt; selbst die Gestirne kreisen beseelt um die Sonne als das Zentrum der Sympathie. Alles ist von Liebe, Hass, Begehren erfüllt. Religion ist Vereinigung mit Gott durch Erkenntnis, Willensreinheit und Liebe.

Zu dieser Erkenntnis gelangt auch die deutsche Mystik, besonders in Jakob Böhme (gest. 1624). Er ist der phantastische Metaphoriker xat' oy, wie es nicht anders möglich ist, wenn Herz und Gemüt vor allem sich auf die Wanderschaft begeben, um die Wahrheit zu suchen. Sie finden sie schließlich immer nur in sich selbst als dem gottbewußten Teile des Universums, als dem „Samenkorn" der Gottheit, oder dem „Götterlein", wie Böhme sagt.

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