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ästhetischer Schein? Ist nicht in der Hülle ein Kern ewiger Wahrheit? Und ist nicht auch das Verstandesmäßige nur ein Gleichnis? Sind die Metaphern nicht vielleicht ebenso wahr wie die Begriffe? Denn was heißt wahr im Menschenmunde? Es ist doch immer nur Stückwerk, immer nur ein Abbild des Ewigen, ein Gleichnis für das Unvergängliche, Unwißbare. Wo hört der fromme Trug, wo hört der ästhetische Schein auf, und wo beginnt das Wissen, das engumgränzte menschliche Wissen? Und was ist Wahrheit?

Alle diese Fragen führen uns zunächst zu der Betrachtung des Metaphorischen in der Religion.

Viertes Kapitel.

Das Metaphorische in der Religion.

Das Gemeinsame in Mythologie und Religion bildet jene Sphäre des Metaphorischen, in welcher der Mensch das Walten von Mächten außer sich ahnt und die Naturerscheinungen menschlich belebt. Aber wie es Mythologie ohne jede religiöse Empfindung geben kann, wie der Naturmensch weitab von Religion sich befindet, wenn er in der Frübe Eos aus den Armen des Tithonos sich entwinden läßt, wenn er im Sturm einen gewaltigen Aar sein rauschendes Flügelpaar heben oder wenn er im Gewitter eine Jagd auf ein Untier sich abspielen sah, so natürlich auch Religion ohne Mythologie; denn was ist die tiefste Form der Religion? Ist es nicht jenes unsagbare, tief im Herzen wühlende Schaudern in der Sehnsucht, in dem Ahnen des Ewigen?

Doch wie entstand Religion? Und was ist, allgemein genommen, Religion?

Bei solchen Fragen spürt man erst so recht eigentlich, wie wir das Tiefste und Höchste nicht deuten, sondern nur metaphorisch umschreiben können. Und doch ist nur abstrakt etwas damit gewonnen, wenn Max Mueller als Ursprung der Religion den „Druck des Unendlichen" bezeichnet und den Satz aufstellt: „Ein Begriff des Unendlichen hebt sich weit früher ab als der des Endlichen" (Urspr. der Rel. S. 42). Dieser „Begriff des Unendlichen" kann doch füglich auf einer niederen Kulturstufe nur ein sehr dunkler, verschwommener sein, und die Abstraktion pflegt immer erst das Resultat langer weitschichtiger Anschauung des Konkreten zu sein. Aber sicherlich ist das Abhängigkeitsgefühl, das Bewußtsein der Gebundenheit an etwas Fremdes, Unsichtbares, Mächtigeres eine wichtige Quelle der Religion. Um aber dies Gedankenhafte in Fluß zu bringen und in Anschauung zu verwandeln, wird jene innere, dem Menschen eingeborene Nötigung, sich zur Richtschnur der umgebenden Welt zu machen, die Bewegung als Bethätigung eines wirkenden Lebens zu fassen, und mit ihr im Bunde die Scheu und Angst vor den Seelen der Verstorbenen zur Weiterentwickelung der Keime des

Religiösen in der Seele der Menschen gedient haben. Alles Unverständliche in der Natur wird Gespensterspuk." Der Mensch fühlt sein Schicksal weit weniger abhängig von seinem eigenen Thun als von den wechselnden Launen geheimnisvoll-tückischer Mächte um ihn her.1) Religion d. i. der Glaube an aussermenschliche Wesen, welche den Menschen in irgend einer Weise beeinflussen, wird in erster Linie das Bewustsein der eigenen Seele voraussetzen, auf daß eine dieser ähnliche auch ausserhalb des Menschenleibes, in Baum und Fluss, in Stein und Berg, in Sonne und Mond und den Sternen u. s. f. gedacht werden könne. Und was am lebendigsten die Anschauung fesselt, was am drohendsten und furchtbarsten erschien man denke an das Gewitter, an das Feuer, an Vulkane, an Wasserhosen, an Dürre und Hitze das wird zu Gewalten, die man besänftigen, beschwichtigen mußte. So wird die Welt von einem Netze von Gespenstern umsponnen, die je nach der Landschaft, dem Klima und nach der Eigenart, dem Temperament des Volkes, ja des Einzelnen - denn von einer Einheit der Anschauungen kann bei den Naturmenschen keine Rede sein einen freundlich milden oder feindlich wilden Charakter tragen. Was er gerade am meisten fürchtet oder wovon er die kräftigste Hülfe erwartet, das verehrt der Naturmensch. Es ist daher vor allem das Außergewöhnliche, nicht täglich Wiederkehrende, das die Aufmerksamkeit fesselt, die Furcht und Angst weckt. Erst in zweiter Linie wird, was unabänderlich wiederkehrt, sei es nun Segen spendend, sei es in Schrecken versetzend, zu einem freundlichen oder feindlichen Wesen umgewandelt, menschenähnlich, aber übermenschlich an Kraft, an Macht, an Dauer. Welche Fülle metaphorischer Anschauung verrät es, wenn z. B. die Polynesier das Wort für ,Mark des Baumes," dann auch „Stärke“, endlich das Beste eines Dinges, ihrem Gott als dem Starken, dem Herrn beilegen! Und dieser Mächtige waltet zumeist in der Höhe, auf den Bergen, im Luftkreise, in den Wolken.

Welche Wichtigkeit die Naturbelebung, die Personifikation der wichtigsten Naturerscheinungen in allen Religionen gespielt hat, wie bei den Indogermanen der Vater Himmel der höchste der Götter wurde, wie bei den Griechen diese ursprünglich auf 1) Vgl. Waitz, Anthropol. I 460 f.

Naturanschauung beruhende Vorstellung der Götter sich immer mehr versittlichte, wie der Himmelsgott der Gott der Ordnung, der heiteren Majestät und Weisheit, die Himmesgöttin zur Göttin der Ehe und der Familie, wie der Sonnengott Apollo der Gott des Lichtes, der Erleuchtung auf geistigem Gebiete wurde u. s. f., das bedarf nur der Andeutung.

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Nicht weniger wichtig aber als diese Naturbeseelung, welche allmählich immer mehr das physische Element abstreift und immer durchgeistigter wird, ist die Belebung der Naturerscheinungen aller Art, welche in dem Glauben an das Fortleben der Seelen Verstorbener ihre Stütze fand. Für das rätselvolle Ding, das bald ist, bald nicht ist (in der Ohnmacht, im Traum) und doch wiederkehrt und dann plötzlich verschwindet, haben die meisten Naturvölker kein anderes Wort als für Schatten, Bild, Echo oder für Atem, Leben, Herz. Wie dem Körper des Lebenden der Schatten folgt, so glauben sie auch, daß die Seele in einer schattenähnlichen Form weiter existiere nach dem Tode.

Welche Metapher aber für diesen selbst, für das Scheiden aus der bisherigen Gemeinschaft, lag näher als die der Reise, der Wanderung? War der Tote im Leben fort, so wanderte er; nun, wenn er verstorben ist, so wandert er auch, nur mit dem Unterschiede, daß er den Weg wandert, von dem es keine leibliche Wiederkehr giebt. Und so giebt man dem Toten Keule und Axt und Kahn und Waffen u. s. f. mit; man fürchtet den Geist des Toten weit mehr als den Lebenden; sein Geist, der nach dem Tode umherirrt, kann in irgend einer Gestalt wieder erscheinen, sei es im Traume, sei es im Wachen, und er kann schaden. Man will ihn besänftigen, alles vermeiden, was seinen Zorn erregen könnte, und man betet zu ihm.

Der Gedanke, daß der noch eben lebend und thätig war, nun plötzlich nichts mehr wie früher verrichten kann, leuchtet dem schlichten Menschen zu schwer ein, als daß er nicht der Illusion, er lebe noch, fröhnen und so ihn wie einen Lebenden behandeln und pflegen sollte. Ja, selbst die Waffen und Gewänder, die er ihm mitgiebt, hält der Wilde für belebt, gespensterhaft beseelt ,,der Geist der Keule ist mit ihm gezogen" und so verbrennt er jene auch und giebt dem Toten nur Idolę mit.

Der schlichte Naturmensch ahnt in allem, was ihn umgiebt, geheimnisvolle Einflüsse; kein wildes Tier jagt in den Bergen des Indianers, kein Vogel singt, kein Blatt rauscht, das nicht sein Schicksal lenken und ihn warnen könnte; er beobachtet die Natur um sich her wie ein Astrolog die Sterne;1) der schlichte Naturmensch kann garnicht umhin, seine Seele an alles Gegenständliche zu verzetteln, alles seinem Wesen ähnlich sich vorzustellen. Seine Seele, sein Wesen wird der Typus für alle jene dämonischen Gestalten, die von den Berggeistern und Elfen und Kobolden emporführen zu dem großen Geiste, dem Lenker des Himmels, dem Schöpfer der Welt. Und ferner haften die Seelen der Verstorbenen bald an einem Stein oder an einem Baum oder Berg u. s. f., sind bald schädliche, bald schützende Geister. Man kann der Hoffnung nicht wehren, daß der Vorfahr auch noch nach dem Tode ein Hort seines Volkes ist, daß der Häuptling nach wie vor die Feinde schädigt und die Tapferen seines Volkes belohnt und die Feigen und Bösen straft. So wird er unter die Götter versetzt, so wird zu ihm gebetet um gutes Wetter, um Glück auf der Jagd, um Austreibung der Teufel aus dem Leibe der Kranken u. s. f.

Man hat den Fetischismus die niedrigste Form der Religion genannt. Doch die neuere vergleichende Religionsgeschichte hat ergeben, daß keine Religion bloß aus Fetischismus d. h. Anbetung eines beliebigen Gegenstandes besteht denn der Fetisch ist bald das Vehikel geistiger Wesen, bald ihr Symbol und daß keine Religion des Fetischismus entbehrt. So sagt Waitz (Anthrop. II. p. 174) von den Negern: Nach der Ansicht des Negers sitzt in jedem sinnlichen Dinge ein Geist oder kann doch darin sitzen, und zwar in ganz unscheinbaren Gegenständen oft ein sehr großer und mächtiger. Diesen Geist denkt er sich nicht als fest und unabänderlich gebunden an das körperliche Ding, in dem er wohnt, sondern er hat nur seinen gewöhnlichen oder hauptsächlichsten Sitz in ihm. Der Neger trennt wohl in seiner Vorstellung nicht selten den Geist von dem sinnlichen Gegenstande, den er inne hat, setzt beide sogar bisweilen einander entgegen; das Gewöhnliche aber ist, daß er beide zusammenfaßt als ein Ganzes bildend, und dieses Ganze ist (wie der Europäer es nennt) „der 1) Vgl. Waitz a. a. O. III 191.

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