ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Die Landschaft muß um ihrer selbst willen betrachtet und geliebt werden, ehe die Landschaftsmalerei erstehen kann. Sonst bleibt sie auf Hintergründe eingeschränkt. Wohl hat es die Kunst im Altertum und im Mittelalter verstanden, die Naturumgebung mit dem dargestellten Vorgange gleichsam auf einen Ton zu stimmen; aber die Natur um ihrer selbst willen ist erst in den Niederlanden gemalt worden. In dem daseinsfrohen, behaglichen und beschaulichen Volksgeist ward die Landschaftsmalerei geboren. So sagt Carriere sehr hübsch von den niederländischen Malern: Sie haben nicht nur in der liebevollen Betonung des Individuellen zugleich die Seele des Volkes veranschaulicht, sondern sie haben auch das Wesen und Walten der Naturseele belauscht, die Stimmung der Landschaft empfunden, das Gefühl des eigenen Herzens in ihr wiedererscheinen lassen. Und hierin besteht der Zauber des Metaphorischen in der Landschaftsmalerei; unter diesem Zauberstabe des seelischen Leihens wird die Natur bei dem einen Maler eine leidenschaftliche Macht, welche im stürmischen Kampfe ihr Lebenselement findet, so daß die Wogen wütend gegen die Granitfelsen anprallen, den Strand peitschen, die Dünen bedrohen, gierig an ihnen nagend, so daß die aufgeregte See immer gewaltiger anschwillt und sich aufbäumt, Schiffe verschlingend, so daß mit dem Aufruhr der Elemente der Zorn des Himmels sich verbindet, Wolken sich zusammenballen, der Regen herabstürzt, so daß die Gletscherfirnen in starrer Wildnis emporragen, dräuend und doch wieder majestätisch erhaben inmitten der grandiosen Natureinsamkeit. Bei den anderen ist alles in das Licht der Anmut und Lieblichkeit getaucht, so daß nicht nur Italiens sonnenbeglänzte Gefilde von Heiterkeit strahlen, sondern daß selbst auf unscheinbare Gegenden, schilfbewachsene Sümpfe, flache, von wenigen Bäumen belebte Ebenen ein Lichtblick des Geistigen fällt, daß heimliche Stimmung webt und waltet über dem sonnigen Walde, über der Mondlandschaft, über der Haide, über dem Meer.

Immer und immer wieder können wir den Eindruck der Landschaftsmalerei nur durch Analogie mit unserem Inneren, nur durch metaphorisches Leihen unserer Seele erkennen und schildern, und immer nur wirkt der Künstler, wenn er den Widerschein seiner eigenen Stimmung auf das Landschaftsbild hat fallen lassen, das dann neugeboren, durchgeistigt, beseelt ersteht aus dem heim

lichen Schatze seines Herzens. Und worin liegt der Zauber der Musik? Auch diese Frage löst uns das Prinzip des Anthropocentrischen und des Metaphorischen.

Was wir an uns und in uns erleben, giebt uns den Maßstab für alles von außen auf uns Eindringende. Wie wir also an uns selbst, an unserem gesamten Körper- und Gliederbau harmonische, symmetrische Verhältnisse wahrnehmen, wie Muskeln und Nerven in einander greifen, wie das Klopfen des Pulses, das regelmäßige Atmen rhythmisch bewegt ist, so ist es immanente Nötigung, ein Gleiches, wo es uns entgegentritt, als harmonisch, als angenehm zu empfinden. So erzeugt also die regelmäßige Folge, das Zusammenklingen verwandter Töne ein Wohlgefühl, während uns das Ungleichmäßige teils in Unbehagen, teils in Unruhe versetzt. Aber weiter! Nach der Analogie unserer übrigen Wahrnehmungen können wir auch die Aufeinanderfolge der Töne nur metaphorisch bezeichnen als ein Fallen und Steigen und Sinken.

Wie das Blut zum Herzen strömt, auf und nieder wallt, wie die Gedanken und Empfindungen in unserer Seele hinundherwogen, so wird das Steigen und Sinken der Töne ein Spiegelbild äußeren und inneren Lebens. Die Musik wird die Verkörperung des bewegten physischen und psychischen Seins, der Einheit in der Mannigfaltigkeit des Wechsels, sie verkündet, wie Carriere ausführt (S. 332 f.), den Rhythmus der Bewegung, das innere Wogen, Treiben und Drängen der bildenden Lebenskräfte in ihrer Entfaltung, in ihrem Ringen nach Gestaltung. Sie erfreut durch die Versöhnung der Gegensätze. Der Schall ist ein Ausdruck von der Bewegung der Dinge; er verhallt sogleich und ändert sich mit ihr; das innere Erzittern der Gegenstände pflanzt sich durch die Luft, durch unser Ohr und unsere Nerven in uns selbst fort und versetzt uns in ähnliche Bebungen, die in uns zur Empfindung werden.

Was thut also der Musiker? Er macht das Reich schwingender Töne zum Träger der inneren Bewegung seines Gemütes und zum Spiegelbild der Bewegung der Außenwelt. Es ist ein ewiges Entstehen und Vergehen, ein Sichentzweien und Sichversöhnen, welches das Klingen und Verklingen der Töne malt; es ist ein Werdeprozeß von Schallgebilden, in die der Künstler sein inneres Leben versenkt hat und die wir Hörer nun nach unseren

-

eigenen Erfahrungen und Empfindungen mannigfachster Art umdeuten. Die kurzen, faßlichen Sätze rascher Tanzmusik sagt Schopenhauer (I 344 Gr.), scheinen nur von leicht zu erreichendem gemeinen Glück zu reden; dagegen das Allegro maestoso, in großen Sätzen, langen Gängen, weiten Abirrungen, ein größeres edleres Streben nach einem fernen Ziel und dessen endliche Erreichung bezeichnet. Das Adagio spricht von Leiden eines großen und edlen Strebens, welches alles kleinliche Glück verschmäht. Aber wie wundervoll ist die Wirkung von Dur und Moll! Wie erstaunlich, daß der Wechsel eines halben Tones, der Eintritt der kleinen Terz statt der großen uns sogleich und unausbleiblich ein banges Gefühl aufdrängt! Und so wird die Musik uns durch und durch symbolisch; wir deuten ihr Auf und Ab durchaus metaphorisch, die rein musikalische Stimmung, also den Wechsel des Tempos, des Taktes, des Rhythmus, als seelische Stimmung des Heiteren, Ernsten, Traurigen, Leidenschaftlichen u. s. f.

[ocr errors]

Unsere ganze Organisation, nach Stimme und Bewegung, zwingt uns die Musik analog aufzufassen. Der von außen an Ohr und Herz schlagende Rhythmus wird zu einem inneren, beseelten. So findet man in der Musik das Bild der von einem Mittelpunkte aus sich entfaltenden, im Kampfe sich versöhnenden, zum Ganzen sich formenden Kräfte der Natur und des Geistes, ein Bild der Vielheit, des Widerstandes und des Streites der einzelnen Lebensmächte, des Friedens, der aus dem Kampfe hervorgeht. So nennt Wagner die Musik,,die zweite Offenbarung der Welt, das unaussprechlich tönende Geheimnis des Daseins", sie stellt uns die Freude, die Betrübnis, den Schmerz, das Entsetzen, den Jubel, die Gemütsruhe, kurz alles Menschliche in Tönen dar. Und so legt denn der Musiker seine Seele hinein in den Schwall der Töne und formt sie zu belebten, in der Luft dahinschwebenden und verwehenden Gestalten; er weiß mit wenigen Akkorden einem Gedanken, einer Empfindung Ausdruck zu verleihen; freilich vernehmlich nur für den Empfänglichen und mannigfach deutbar, je nach der wechselnden Stimmung des Hörers; er stellt das Thema hin, das sich aus der unruhig wogenden Fülle der Motive und mannigfach sich verschlingenden Klänge heraushebt; er läßt es wieder versinken und dann reicher und voller stets wiederkehren, wie die gewaltige Welle des Meeres schon in

[ocr errors]

der Ferne sichtbar wird, dann verschwindet, um in neuem breiterem Schwalle immer wieder aufzutauchen. So klingt das Werden innerer Gedanken- und Gefühlsbewegungen in Tönen aus. Und wie der Ruf, der Schrei, kurz der Ton im allgemeinen, wie er sich der Menschenbrust entringt oder wie wir ihn in der belebten Natur wahrnehmen, uns als Verkörperung, als Träger einer Empfindung gilt, gemäß der natürlichen Anlage unserer Nerven und der harmonischen Übereinstimmung zwischen Innenund Außenwelt, so bekleiden wir die lebhaft bewegte Außenwelt der Töne mit Fleisch und Bein und verkörpern sie mit Hülfe der Analogie, so deuten wir auch in der Kunst der Musik die Töne beseelend um, nnd so wird alles Schaffen und Verstehen des Musikschönen metaphorisch. Da legt der Musiker hinein - oder er enträtselt, objektiv gedacht, das Geheimnis der Tonbeziehungen und wir hören es ihm nach: ein Jubeln und Frohlocken, ein Ächzen und Stöhnen und Klagen, ein Locken und Sehnen, ein Kosen und Weinen, ein Drohen und Mahnen. Mag der Kreis des individuell Möglichen hinsichtlich des Schaffens und des Genießens auch noch so groß sein, der Grund character muß ein bestimmter sein und wird auch Wiederhall finden. „Die Tonformen", sagt Lazarus (Carriere S. 348), „erhalten demnach einen bestimmten sinnlichen und seelischen Charakter, der ihnen aus anderen sinnlichen und seelischen Formen, die in unserem Inneren bereits vorhanden sind, nach dem Maße der Analogie auf dem naturgesetzlichen Wege des Apperzeptionsprozesses zuwächst.“ Das ist eben das Metaphorische! Es beruht auf der Analogie, welche die Brücke baut zwischen Außen- und Innenwelt und so die Folge der Töne uns empfinden läßt als ein Wallen und Wogen, Eilen und Zögern, Anwachsen und Hinschwinden, Rinnen und Zerrinnen, Emporstreben und Hinabstürzen u. s. f.

Die Erschütterung der Nerven durch die Töne wird zu einer seelischen Bewegung in uns, und so fließen Inneres und Äußeres zusammen, und metaphorisch leihen wir, schaffend oder genießend, alles, was in unserer Brust nur bebt und lebt, was der Seele höheren Flug verleiht oder sie in die Abgründe des Menschenseins hinabstößt, diesen leichthin hallenden oder schwer und mächtig dröhnenden Tonmassen.

Die Tonarten, führt Lotze (Gesch. der Ästh. S. 490) aus,

repräsentieren jene unendliche Beziehbarkeit, Vergleichbarkeit, Verwandtschaft und abgestufte Verschiedenheit des Weltinhalts überhaupt; die Erinnerung an diese Verhältnisse des Weltinhaltes macht die Rhythmen, Figuren, Beziehungen der Musik für uns wertvoll.

Nur aus diesem anthropozentrischen, geistig-leiblichen, metaphorischen Leihen unseres eigenen Lebens, nur aus dieser Analogie, die uns die Außenwelt erschließt, können wir uns die Macht der Musik begreiflich machen.

In der Kunst gilt vor allem das Wort: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst", und SO wird auch der Musiker uns am meisten zu sagen wissen, uns am tiefsten erschüttern, die Saiten unseres Inneren am gewaltigsten in Schwingungen versetzen, der in uns verwandte Empfindungen rege macht, der Klänge anschlägt, mit denen wir Vorstellungen und Bilder aus Außen- und Innenleben verbinden können, so daß sie schier greifbar vor unserem Geiste stehen, so daß wir das Rauschen des Windes, sein Raunen und Säuseln, das Brausen des Meeres, das Rollen des Donners, das Singen der Vögelund was es für Töne in der Außenwelt giebt, zu vernehmen meinen. Aber der innerste und tiefste Zauber der Musik ist mit diesen Anklängen noch nicht enthüllt und noch nicht gewonnen, sondern die Stimmung unserer eigenen Seele bleibt immer die wichtigste Resonanz für die Welt der Töne, die ein Abbild wird für die Natur in ihrer Farben- und Formenpracht, in ihrer lieblichheiteren und düster-erhabenen Schönheit, und für das Geistige mit seinem Mühen und Sorgen und Streben. Und je tiefer unser Nervensystem und unser seelisches Leben kraft des Metaphorischen in Bann gezogen wird durch das Aufundabwiegen und -wogen der Töne, durch den angstvollen Schrei oder den jauchzenden Jubel, desto mehr erkennen wir das Wort in seiner Wahrheit: ,,Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil." Es überrieselt Leib und Seele mit magischer Gewalt. Und wie wechselnd ist die Fähigkeit des metaphorischen Leihens! Bald sind es nur wohlklingende Tonreihen, die an unserem Ohre vorüberrauschen, bald entdecken wir in ihnen wonnige Melodien, die ineinanderfließen und die uns mahnen an Kindheit oder Alter, an Jugend und Liebe oder an Hoffnung, an Sehnen, an Streben, an Meeresstille

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »