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An

Herrn

Prediger Stubenrau ch

zu Landsberg an der Warthe.

Sie Die empfangen hier, mein innigst verehrter väterlicher Freund, ein kleines Geschenk; lassen Sie mich nicht vergebens hoffen, daß es eine gütige Aufnahme bei Ihnen finden werde. Mein Recht es Ihnen eigenthümlich darzubringen, werden Sie mir wohl nicht bestreiten; ich würde mich auf Ihre Anleitung, unter welcher ich zuerst den öffentlichen Lehrstuhl der Religion bestieg, ich würde mich auf Ihre früheren Verdienste um mich als Sie noch akademischer Lehrer waren, ich würde mich statt alles dessen auf die väterlichen Gesinnungen berufen, die Sie von meiner Kindheit an gegen mich gehegt haben, und die mich zu Allem berechtigen, was die liebevolle Ehrerbietung eines Sohnes eingeben kann.

Sie haben den Vorsaz, einige meiner Vorträge dem größeren Publikum zu übergeben, schon sonst nicht gemißbilligt; wåren Sie nun nur mit der Ausführung zufrieden, über welche ich mir leider Ihren Rath vor dem Drukk

nicht erbitten konnte. Bei der Auswahl håtte ich mich gern ganz auf besondere Gegenstände beschränkt, und am liebsten das ganze Bändchen der Bestreitung solcher religiösen und besonders moralischen Vorurtheile gewidmet, über welche man sich selten, oder meiner Meinung nach nicht auf die rechte Art von der Kanzel verbreitet: allein Gründe, welche Sie leicht errathen können, hielten mich hievon ab, und so habe ich einige andere hinzugefügt, die ich nur um der Behandlung willen andern vorzog. Christliche Festpredigten habe ich absichtlich ganz ausgeschlossen, weil mir diese unzwekkmäßig scheinen, wenn man nicht den ganzen Cyclus unserer Feste vielseitig abhandeln kann, was mir unmöglich war, ohne über die Grenzen, welche ich mir vorgeschrieben hatte, hinauszugehen; so daß auch die Predigt am Charfreitage nur hier steht, weil sie sich auf den Gegenstand des Festes dogmatisch gar nicht bezieht. Dagegen hätte ich gern, wenn es der Raum erlaubt hätte, die bürgerlichen Festtage, den Bettag und das Erndtefest von mehreren Seiten dargestellt.

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Daß keine einzige von diesen Predigten meiner jezi= gen Gemeine *) vorgetragen worden ist, betheure ich Ihnen nicht erst. Wie Sie diese kennen, wären schon die hier behandelten Gegenstände und der ganze Zuschnitt, wenn auch der Styl ursprünglich noch so populär gewesen wäre, eine unverzeihliche Sünde, deren ich mich bei meiner Liebe zu diesem Amte nicht schuldig machen konnte; vielmehr sind alle diese Predigten theits gelegentlich in andern hiesigen Kirchen gehalten worden, theils Früchte meines interimistischen Dienstes bei Ihrer Gemeine und in Potsdam.

*) Der Verfasser war damals Prediger ain Charité-Hause zu Berlin.

Aber keine einzige erscheint auch ganz so wie ich sie gesprochen habe. Sie wissen, daß ich schon seit mehreren Jahren das wörtliche Aufschreiben meiner Reden unterlasse, und daß ich also größtentheils was ich gesprochen, für den Drukk nur nach ausführlichen Entwürfen wieder herstellen konnte: aber selbst einige, die ich unmittelbar nach dem Vortrage zu Papier bringen konnte, haben bes deutende Veränderungen erfahren. Was Lichtenberg in seinen nachgelassenen Schriften sagt, daß eine gedrukkte Rede anders sein müsse, als eine geschriebene, das scheint mir in einem weit größeren Umfange wahr zu sein, als er es gemeint hat. Es muß nicht nur aus Mangel an rhetorischen Zeichen Manches mit Worten angedeutet werden, was beim Vortrage schon der richtige Gebrauch der Stimme und des Zeitmaaßes ausrichtet; sondern es giebt noch andere Gründe zu größeren Veränderungen. Obgleich auch eine gedrukkte Predigt, wenn sie dem Charakter ihrer Gattung treu bleiben will, den Leser zwingen muß, ihr einen feierlichen langsamen Ernst und eine lautere Stimme zu vergönnen; so kann doch Niemand im Zimmer so langsam lesen, als auf der Kanzel gesprochen werden soll, und eine gedrukkte Predigt darf daher gar wohl etwas långer sein, als wir beide den gesprochenen erlauben. Sie darf auch meiner Meinung nach eine angestrengtere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, da wir Alle leider mit dem sichtbaren Buchstaben mehr Verkehr haben als mit dem hörbaren, da schon durch das Voraneilen des Auges das Auffassen des Zusammenhanges erleichtert wird und das Gelesene auch hernach noch gegenwårtig bleibt, wenn hingegen der Strom der Rede vorüberfließt. Endlich glaube ich, daß eine gedrukkte Predigt

nicht auf eine so sehr gemischte Versammlung rechnen darf, wie wir sie leider in unsern Kirchen haben. Wenigstens mußten doch Predigten, welche zusammen erscheinen sollen, in eine gewisse Gleichförmigkeit gebracht werden, und ich habe dabei diejenigen zum Maaßstabe ge= nommen, bei denen ich die gebildetsten Zuhörer vor mir hatte, weil ich glaube, daß die Andern sich bei ihrer häuslichen Andacht lieber vollständiger Jahrgänge bedies nen mögen.

Finden Sie, daß ich Schriftstellen hie und da nicht nach dem Sinne des Originals angewendet habe: so glauben Sie nur nicht, ich sei etwa seit kurzem zu der sogenannten moralischen Interpretation übergegangen, die mir vielmehr noch immer sehr unmoralisch vorkommt. Allein da es mir um einen Beweis aus einzelnen Stellen der Schrift mit Berufung auf ihr kanonisches Ansehen in einer Predigt fast niemals zu thun ist, sondern nur darum, daß der Zuhörer an einer biblischen Sentenz einen Theil des Vorgetragenen fest halte und sich dessen wieder erinnere: so ist mir zur Anführung sowohl, als um den ganzen Vortrag daran zu knüpfen, ein Spruch, der, wie er in unserer kirchlichen Uebersezung steht, allgemein auf den behandelten Gegenstand gedeutet wird, weit lieber als ein Anderer, der vielleicht wirklich davon handelt, aber dessen Uebersezung diesen Sinn nicht ausdrükkt.

Was Ihnen im Einzelnen an meinem Geschenk mißfallen wird weiß ich recht gut; aber ich weiß auch wie Sie den Geist desselben im Ganzen beurtheilen werden. Andern wird freilich manches wunderlich vorkommen; zum Beispiel, daß ich immer so rede als gåbe es noch Gemeinen der Gläubigen und eine christliche Kirche; als

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