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lauf! Paul, sei nicht böse!" Sie sah, daß er auffahren wollte und legte beschwichtigend die Hand auf seinen Arm. „Wenn du mich lieb hast, laß ihn! Ach, Paul, glaube mir, glaube mir doch: er kann ja nicht dafür, er muß sich ausrennen, austoben, draußen sein - er muß!"

Du hast immer Entschuldigungen! Denke doch nur an die Geschichte mit dem Tornister, aus seiner ersten Schulzeit oben in die Kiefer hatte der Bengel den ge= worfen. Hätte nicht zufällig ein Arbeiter den Ranzen entdeckt und zu uns gebracht, weil er den Namen auf der Fibel las, hätten wir lange suchen können. Du hast es entschuldigt - nun, das war auch weiter nichts Schlimmes - ein Übermut jekt entschuldigst du aber ganz anderes! Und alles!" Der seiner Frau sonst so nachgiebige Mann erzürnte sich in seiner ernstlichen Besorgnis. „Ich bitte dich, Käte, sei nicht so unglaublich schwach mit dem Jungen! Wo soll das hin mit ihm ?"

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Dahin!" Ernst zeigte sie auf ihn und sich. Und dann, mit einem Ausdruck tief-innerster Empfindung legte sie die Hand auf ihr Herz.

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Wieso? Ich verstehe dich nicht! Bitte, habe die Güte, dich etwas deutlicher auszudrücken, zum Rätselraten bin ich nicht gelaunt!"

„Wenn du's nicht errätst, wirst du's auch nicht verstehen, wenn ich dir es deutlicher sage!" Sie senkte den Kopf, und dann nahm sie wieder ihren früheren Plah ein; aber sie sann nicht mehr vor sich hin, sondern es schien ihm, als lausche sie mit geneigtem Ohr dem gellenden Triumphgeschrei, das hinterm Haus von dem wüsten Feld her bis übers Dach stieg.

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Du wirst nie mit dem Jungen fertig werden!"

„D, ich werde schon!"

„Natürlich, wenn du ihm allen Willen läßt!" Mit eiligem Schritt ging Schlieben aus dem Zimmer; der Unwille wollte ihn übermannen.

Vielleicht zum ersten Mal in seiner Ehe war Schlieben ernstlich böse auf seine Frau. Wie konnte Käte so unvernünftig sein?! Seinen Befehl so wenig beachten, als wäre der gar nicht gegeben — ja, sich in direkten Gegensaz zu ihm stellen?! O, der Bengel war schlau genug, der zog schon seine Schlüsse daraus! Und tat er's noch nicht, so fühlte er doch instinktiv, welchen Rückhalt er an der Mutter hatte. Es war geradezu unglaublich, wie schwach Käte war!

Die weiche, sensitive Art, die den Mann zuerst an seiner Frau entzückt hatte, die den gleichen Zauber für ihn behalten hatte alle die Jahre hindurch, dünkte ihn jezt auf einmal übertrieben - kindisch. Ja, kindisch war diese Ängstlichtuerei, diese ewige Angst vor dem, was vorbei und vergessen war! Von der Mutter hatten sie doch nie mehr etwas gehört, warum deren Schatten denn bei jeder Gelegenheit wieder herausbeschwören? Geburtsschein und Taufattest des Jungen hatte man doch sicher in Händen, und das Venn war weit er würde es nie sehen warum denn nur immer dies zitternde Bangen? Es lag gar kein Grund dazu vor. Sie lebten in so angenehmer Umgebung, Wolf wuchs in so geordneten Verhältnissen auf, besaß alles, was ein Kindergemüt ausfüllt und beglückt, daß es eine wahre Manie von Käte war, bei ihm eine Art von Heimatsehnsucht vorauszusehen. Wie sollte er überhaupt dazu kommen? Er hatte ja gar keine Ahnung,

daß hier eigentlich nicht seine Heimat war. Es war traurig mit Kätes Übersensibilität wahrhaftig, die Frau

fonnte einen mit nervös machen!

Und Schlieben fuhr sich über die Stirn, wie um_unliebsame Gedanken mit einer Handbewegung fortzuscheuchen. Er zündete sich eine Zigarre an; heute eine extra feine, die er sonst seinen Gästen überließ, er hatte das Gefühl, sich über eine unangenehme Stunde forthelfen zu sollen. Denn unangenehm, wirklich unangenehm und schwierig blieb die Sache doch, wenn er auch hoffte, schon auf die richtige Lösung der Frage zu kommen: wie erzieht man solch ein Kind? Jedenfalls nicht so, wie Käte es tat! Das war ihm schon jetzt flar.

Blaue Rauchkringel in die Luft blafend, faß Schlieben in der Sofaecke seines Arbeitszimmers. Seine Stirn blieb gerunzelt. Da war er heute recht abgespannt aus dem Kontor gekommen, hatte allerlei Verwicklungen gehabt Ärger genug hatte eilige Briefe diftieren müssen, sich keine Pause gegönnt, und hatte nun zu Hause ein angenehmes Ausruhen erhofft vergebens! Merkwürdig, wie ein einziges Kind den ganzen Haushalt, das ganze Leben verändert! Wenn der Junge nun nicht da wäre?! Ja, dann hätte er jetzt eine friedliche kleine Mittagsruhe ausgestreckt auf dem Diwan, die Zeitung vorm Gesicht

hinter sich und ginge nun zu Käte hinüber, um bei ihr in höchst gemütlichem Tête-à-tête den Kaffee zu trinken, den sie mit so viel Anmut in der summenden Wiener Maschine selber bereitete. Er hatte immer so gern still zugesehen, wie ihre schlanken, gepflegten Hände sich geräuschlos dabei bewegten. Schade!

Er seufzte. Aber dann bezwang er sich: nein, einer augenblicklichen Verdrießlichkeit wegen durfte man ihn nicht wegwünschen! Wie viel frohe Stunden hatte ihnen das kleine Wölfchen doch bereitet! Es war reizend gewejen, seine ersten Schritte zu beobachten, seine ersten zusammenhängenden Worte zu belauschen. Und war nicht Käte in seinem Besit so glücklich oho, wer sagte da: glücklich gewesen?! sie war es ja noch! Es ging ihr nichts über den Jungen. Und daß der Stunden des ungetrübten Beglücktseins durch ihn jezt nicht mehr ganz so viele waren als vormals, das war ja nur natürlich. Er war eben nicht mehr das Bübchen, das dort, dort drüben aus jener Ecke, bis hierher zum Sofa den ersten kühnen Lauf gewagt und, jauchzend über den eignen Wagemut, des Vaters Bein umflammert hatte. Er fing jezt an, ein selbständiger Mensch zu werden, einer mit eignen Wünschen, nicht mehr mit solchen, die in ihn hineingetragen worden waren; ureigne Willensäußerungen gaben sich kund. Jegt wollte er dies und wollte jenes und nicht nur mehr das, was die Erzieher wollten. War das aber nicht natürlich? ÜberHaupt, wenn ein Kind erst in die Schule geht, was stellt sich da nicht alles ein?! Man mußte Nachsicht haben, wenn man sich nicht auch gleich die ganze Lebensführung beeinflussen lassen wollte erst die Eltern, dann das Kind!

Schlieben fühlte, wie er sich nach und nach beruhigte. Ein Junge welche Unsumme von Wildheit, Rüpligkeit, Ungebundenheit, ja Ungebärdigkeit ist nicht in dem Wort mit einbegriffen! Und alle, alle, die jezt Männer waren, waren einst doch auch Jungen!

Die Zigarre ging ihm aus; er hatte vergessen, daran zu ziehen. Mit einem eigentümlich milden Gefühl, das nicht frei von einer leisen Sehnsucht war, gedachte Schlieben der eignen Knabenzeit. Nur ehrlich: hatte er nicht auch getobt und gelärmt, sich beschmußt, erhißt und Hosen zerrissen und dumme Streiche gemacht, mehr als genug?!

Wunderbar, wie genau er sich jezt auf einmal einzelner Strafpredigten erinnerte und der Tränen, die er der Mutter ausgepreßt hatte; auch noch sehr deutlich der Tracht Prügel, die er einmal für eine Lüge erhalten hatte. Sein Vater hatte dazumal gesagt plöglich war's ihm, als hörte er die Stimme, die sonst gar nicht sonderlich feierlich, sondern recht alltäglich geklungen hatte, jezt aber durch den Ernst geadelt wurde, hier in der Stube widerhallen :,Junge, alles kann ich dir verzeihen, nur das Lügen nicht!' Ah, es war damals recht unerquicklich gewesen in dem engen Kontor, wo der Vater am hölzernen Stehpult lehnte und den Stock auf dem Rücken hielt. Das Käppchen, das er seiner Glaze wegen trug, hatte er in der Erregung schief geschoben, seine blauen freundlichen Augen blickten scharfspähend und zugleich betrübt.

Alles kann man verzeihen, nur das Lügen nicht ei, hatte der Junge, der Wolfgang, denn gelogen?! Bewahre! Einfach ungezogen war er gewesen, wie es auch die besten Kinder einmal sind!

Schlieben fühlte eine Beschämung: und er, er wollte dem Jungen diese einfache Ungezogenheit so übel nehmen ? ! Er stand vom Sofa auf, stieß den Rest seiner Zigarre in den Aschenbecher und ging hinaus, um sich nach Wolfgang umzusehen.

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