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Sie gingen zusammen zum Dom hinaus, aus dem die Orgel hinter ihnen hertönte bis auf den Markt. Käte war ganz begeistert von der genossenen Fernsicht und merkte darüber nicht den heimlichen Glanz, der in Wolfgangs Augen war. Er war still und schien mit allem einverstanden.

Seine Art fing die Mutter fast an zu beängstigen.

Das, was sie früher beglückt haben würde

ach, wie hatte sie sich in früheren Jahren nach einem gefügigeren Kinde gesehnt! stimmte sie jest wehmütig. War er

am Ende doch kränker, als sie alle ahnten ?

Sie waren jezt an der Küste angelangt, in Sestri. Das waren noch dieselben Pinien, unter denen sie vor achtzehn Jahren als jüngere Frau gesessen und gemalt hatte. Aber ein andres Hotel war seitdem entstanden, ein ganz deutsches: deutscher Wirt, deutsche Bedienung, deutsche Küche, deutsche Gesellschaft, aller Komfort, so, wie Deutsche ihn lieben. Käte hatte sich ganz zurückhalten wollen, nur für Wolfgang leben; nun war es ihr aber doch Bedürfnis, dann und wann mit diesem oder jenem zu plaudern, denn wenn sie auch mit Wolfgang zusammen war, allein fühlte sie sich doch. Was dachte er? Daß er etwas dachte, zeigten ihr seine Stirn und seine Augen; aber er sprach seine Gedanken nicht aus. War er verstimmt Heiter? Fröhlich traurig? Reute ihn manches und grübelte er darüber nach

oder langweilte er sich hier?! Das alles wußte sie nicht.

Mit einem gewissen Eigensinn zog er sich von allen übrigen zurück. Vergebens ermunterte Käte ihn, mit jungen Mädchen, die einen Partner suchten, Tennis zu spielen; wenn er's nicht übertrieb, durfte er das immerhin schon

wagen. Auch zu Segelfahrten wurde er aufgefordert, aber der Sport schien ihm gleichgiltig geworden zu sein.

Meist lag Wolfgang vorn auf der Mole, an deren felsiger Spize sich das blaue Meer rastlos zu weißem Schaum zerpeitscht, sah hinüber nach der Küste der Ponente, die in rotviolettem Dufte schwimmt, oder blickte zurück nach den nachten Gipfeln der Apenninen, in deren Halbkreis sich die weißen und roten Häuser von Sestri schmiegen.

Wenn die Fischerboote mit schlaffen Segeln wie müde Vögel in den Hafen glitten, stand er auf und schlenderte langsam zum Anlegeplaß ihnen entgegen. Die Hände in den Hosentaschen stand er dann dabei und sah zu, was sie an Fischen ausluden. Viel Beute war es nicht. Dann zog er die Hände aus den Hosentaschen und gab den Fischern, was er an Geld bei sich hatte.

Wenn die Mutter gewußt hätte, was der Sohn dachte! Wenn sie geahnt hätte, daß seine Seele dahinflog mit műden Flügeln wie eine treibende Möwe über uferlosem Meer!

Wolfgang hatte Heimweh. Hier gefiel es ihm nicht. Hier war es viel zu weich, viel zu schön; das langweilte ihn. Nur die Pinien, die streng duftenden, gefielen ihm; die waren doch besser als die Kiefern im Grunewald. Aber Heimweh nach dem Grunewald hatte er eigentlich auch nicht. Es war eben immer dasselbe, ob hier, ob da, ihn quälte immer die Sehnsucht. Wonach wohin?! Darüber grübelte er. Aber der Mutter hätte er es nicht sagen mögen, denn jezt sah er's, daß sie sich um ihn mühte. Und öfters, als er es sonst je in seinem Leben getan hatte, fand er jezt ein herzliches Wort.

Also endlich, endlich doch! Käte sah ihn oft ver

stohlen von der Seite an: war das noch derselbe, der sich als Knabe trozig gegen sie gestemmt, ihre Liebe abgewehrt hatte, all ihre große Liebe?! Dieser hier, dessen Anblick im Mailänder Dom sie so seltsam gerührt hatte, war das noch derselbe, der auf der Schwelle gelegen hatte, betrunten pfui, so betrunken! Derselbe noch, der so gesunken war, so tief, daß er ach, gar nicht mehr daran denken!

Käte wollte vergessen; ehrlich mühte sie sich darum. Neulich, als sie ihn im Dom gefunden hatte, an einer Säule sizend, die Hände gefaltet, die Lider träumerisch geschlossen, da war er ihr so jung vorgekommen, noch rührend jung; seine Stirn war glatt gewesen, alles darauf wie weggewischt. Und sie mußte denken: ob man nicht doch zuviel von ihm verlangt hatte? War man ihm auch immer ganz gerecht geworden? Hatte man ihn so verstanden, wie man ihn hätte verstehen müssen?! In ihrer Seele stiegen Zweifel auf. Sie hatte sich immer für eine gute Mutter gehalten; seit jenem Tag im Dom war es ihr, als hätte sie etwas verfehlt. Was, konnte sie selber nicht sagen. Aber in die Genugtuung, daß der Sohn nun doch zu ihr kam, mischte sich Wehmut und ein reichlich Teil selbstquälerischen Schmerzes. Ah, nun war er ja gut, nun war er wenigstens annähernd so, wie sie sich ihn gewünscht hatte weicher, lenksamer aber nun ach, was hatte sie nun ?!

,Wolfgang macht mir doch Sorge,' schrieb sie an ihren Mann. Es ist so schön hier, aber er sieht es nicht. Mir ist oft bange!"

Als Schlieben ihr angeboten hatte, auch mitzureisen - er hatte das getan, weil er wünschte, seiner Frau manches

abzunehmen Hatte Käte fast ängstlich abgewehrt: nein, nein, es war durchaus nicht nötig! Sie wollte viel lieber mit Wolfgang allein sein, sie hielt es für ihn und für sich so viel ersprießlicher. Nun dachte sie doch viel an ihren Mann und schrieb ihm fast alle Tage. Und wenn es auch nur ein paar Zeilen auf einer Postkarte waren, sie fühlte das Bedürfnis, ein Wort mit ihm zu tauschen. Er, ja er würde es hier so schön finden, wie sie es schön fand! Wie sie es einst vereint schön gefunden hatten! Hier diesen Pfad über die Klippen waren sie einst zusammen geklettert, er hatte ihr die Hand gereicht, sie geführt, damit ihr nicht schwindelte, und mit einem Gefühl wonnigen Grausens hatte sie tief unter sich das blaue gläserne Meer gesehen und hoch über sich den grauen Felsenfirst mit den tiefgrünen Pinien, die das Blau des Himmels füßten. War sie denn in diesen achtzehn Jahren so alt geworden, daß sie sich diesen Pfad nicht mehr getraute zu gehen? Sie hatte es versucht, aber vergeblich, ein jäher Schwindel hatte sie erfaßt. Die Hand war eben nicht da, die sie so fest, so sicher ge= stüßt hatte. Ach ja, damals waren es bessere Zeiten gewesen, glücklichere!

Käte vergaß ganz, daß sie damals etwas so heiß begehrt hatte, daß sie dadurch sich und ihm manche Stunde getrübt, jeden Genuß vergällt hatte. Jeht sah sie über den Sohn weg, der neben ihr schlenderte, sah mit weichem Blick, in dem noch ein Strahl verlorener Jugend aufglänzte, in die Ferne ihr guter Mann, er war so allein! Ob er an sie dachte, wie sie an ihn ?!

Am Abend, als Wolfgang sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte was er da trieb, ob er noch aufsaß, las,

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schrieb oder sich schon niedergelegt hatte, wußte sie nicht schrieb sie ihrem Mann.

Es war nicht die Länge und Ausführlichkeit des Briefes, die Schlieben so erfreuten — damals aus Franzensbad hatte sie ihm auch lange und ausführliche Briefe geschriebener las etwas zwischen den Zeilen. Das war ein unausgesprochener Wunsch, ein Verlangen, eine Sehnsucht nach ihm. Und er beschloß, nun doch noch nach dem Süden zu reisen man hatte am Ende so lange Jahre miteinander gelebt, daß es wohl zu verstehen war, fühlte der eine Teil ohne den andern sich vereinsamt!

Mit tatkräftigem Eifer wickelte Schlieben seine laufenden Geschäfte ab. In acht Tagen spätestens hoffte er reisefertig zu sein. Aber nichts schreiben, ja nichts vorher schreiben, das sollte einnial eine Überraschung werden!

Die Mittagssonne in Sestri brannte heiß, aber die Zeit gegen Sonnenuntergang war noch, troy aller leuchtenden Kraft, angenehm und erquickend. Da strömte jedes Kräutchen Wohlgeruch aus. So viel Balsam, so viel Köstlichkeit in dieser strömenden Duftfülle! Käte fühlte ihr Herz überfließen: Gott sei Dank, noch war sie nicht ganz zermürbt, noch nicht ganz verbraucht, noch besaß sie die Fähigkeit, Schönes zu empfinden! Wenn Paul jezt hier wäre!

Ganz vorn, hoch oben am äußersten Vorsprung der Küste, umbrandet vom weißen Schaum des sehnsüchtigen Meeres, das gern hinauf möchte zu den Zypressen und Pinien, zu den Steineichen und Erdbeerbäumen, zu den vielen duftenden Rosen liegt der Garten eines reichen Marchese. Hier saßen Mutter und Sohn. Stumm sahen sie nach der Riefensonne,

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