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ie auf der Flucht, so waren sie mit dem Kinde enteilt. Sie hatten es in den Wagen gepackt - schnell, schnell! —, der Kutscher hatte auf die Pferde gepeitscht, die Räder hatten sich knirschend gedreht. Wie ein böser Traum, den man gern vergißt, so blieb das Venndorf, versunfen, in ihrem Rücken. Sie sahen nicht mehr nach ihm zurück.

Ein ödes Grau lag überm Venn. Die Sonne, die noch am Morgen geschienen hatte, war so ganz verschwunden, als hätte sich hier nie ein Strählchen von ihr gezeigt. Der plözliche Vennnebel war da und bezog alles. Wo vordem noch eine Aussicht gewesen war, ein Auslug ins Weite, war jetzt eine versperrende Mauer. Eine Mauer, nicht von Stein und nicht von Lehm, und doch um vieles fester. Sie riß nicht, sie barst nicht, sie wankte nicht, sie wich nicht dem Hammerschlag der kraftvollsten Faust. Mächtig und undurchdringlich baute sie sich aus den Sümpfen und ragte vom Moorland bis hinauf zu den Wolken oder hatten sich die Wolken hinab zur Erde gesenkt ?

Himmel und Venn, beides eins. Nichts als Grau, ein zähes, feuchtes, kaltes, fließendes und doch festes, unergründbares, geheimnisvolles, schauriges Grau. Ein Grau, aus dem der, der sich im Moor verirrt, nimmermehr herausfindet. Der Nebel ist zu zähe; er hat Arme, die packen, die so dicht umfangen, daß man nicht mehr vorwärts sehen kann, nicht rückwärts, nicht nach links, nicht nach rechts, daß der Ruf erstickt, der sich aus angstgepreßter Kehle entringen will, und das Auge blind wird für jeden Weg, jede Fußspur.

Der Kutscher fluchte und hieb auf die Pferde ein. Von der Straße war nichts mehr zu sehen, aber auch gar nichts mehr, kein Graben zur Seite, keine Telegraphenstange, kein Ebereschenbäumchen. Wie zerflossen war die breite, mühselig angelegte Chaussee im Venngrau. Ein Glüf, daß die Gäule noch nicht verwirrt waren. Die folgten ihrer Nase, warfen ihre langen Schweife, wieherten hell und trabten mutig drauflos ins Nebelmeer.

Schaudernd hüllte Käte sich und das Kindchen fester ein; nun brauchten sie alle vorsorglich mitgenommenen wärmenden Hüllen. Ihr Mann packte sie noch fester ein, und dann legte er, wie schüßend, den Arm um sie. Eine böse Fahrt!

Sie hatten den Wagen schließen lassen, aber das kalte Grau drang doch zu ihnen herein; es zwängte sich durch alle Rizen, durchs Glas der Fenster, füllte den Innenraum, daß ihre Gesichter wie bleiche Flecke schwammen im dunstigen Dämmer, und legte sich schwer, hemmend auf ihren Atem.

Käte hüstelte und dann zitterte sie. In ihrer Seele war jest nichts von Freude, sie fühlte nur Angst, Angst um den errungenen Besit. Wenn die Mutter jezt hinter ihnen drein käme o, dieses schreckliche Weib mit der blizenden Art! In einem Grauen sondergleichen preßte sie die Augen zu — nur das nicht mehr sehen! Und doch riß sie die Augen wieder auf, fühlte Angstschweiß auf ihrer Stirn und das Beben ihres Herzens - weh, bis in ihre Träume würde sie dieses verfolgen! Bis zu ihrer lehten Stunde würde sie das nicht mehr loswerden — nie, nimmermehr das Weib mit der blihenden Art !

Dicht an ihrem Kopf war das Beil vorübergesaust

der Luftzug des Schwunges hatte ihr Schläfenhaar wehen gemacht, es hatte ihr nichts getan, in den Pfosten der Tür nur war es gefahren und hatte den krachend gespalten. Und doch war ihr Leides geschehen. Wie in Entseßen faßte sich Käte mit beiden Händen an die Schläfen: nie, nie wurde sie diese Angst wieder los!

In ihrer Seele war eine fast abergläubische Furcht, eine Furcht wie vor einem Gespenst, das da umgeht. Nur fort von hier! Nur nie mehr wieder hierher zurück! Nur jede Spur hinter sich verlöscht! Nie durfte jene erfahren, wohin sie sich gewendet hatten! Berlin leider! die Adresse hatten sie dem Gemeindevorsteher gegeben, aber Berlin war ja so weit, dorthin würde das Vennweib niemals tommen!

Und das Venn selber -?! Huh! Sich schüttelnd vor Grausen sah Käte hinaus ins graue Nebelgewoge. Goit sei Dank, das blieb ja hier, das würde bald ganz vergessen sein! Wie hatte sie nur dieses öde Venn einmal schön finden können?! Sie begriff sich nicht. Was war denn Reizvolles an diesen unwirtlichen Flächen, auf denen nichts gedieh als hartes Gras und zähes Heidekraut? Auf denen kein Korn seine Ähren wiegte, kein Singvogel sein kleines Lied pfiff, keine fröhlichen Menschen gesellig lebten, überhaupt keine Heiterkeit war, kein lauter Ton; nur Todesschweigen und Kreuze am Weg. Hier war's schrecklich!

Angstvoll, während ihr Auge vergebens nach einem Lichtblick suchte, stieß sie hervor: „Paul, laß uns heute noch abreisen! So schnell als möglich abreisen!"

Ihm war's recht. Auch ihm war nicht wohl zumute. Wenn dieses Weib, diese Bestie, in ihrem plöglichen Wut

T. Vlebig, Einer Mutter Sohn.

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ausbruch seine Frau getroffen hätte?! Über er konnte sich selber einen Vorwurf nicht ersparen: wer hatte es ihn geheißen, sich mit solchem Volke einzulassen? Solcher Unkultur ist man nicht gewachsen !

Und ein Unwille gegen das Kind ergriff ihn, das da so friedlich im Arm seiner Frau schlummerte. Finster sah er in das kleine Gesicht: würde er das je, je lieben können? Würde nicht die Erinnerung an des Kindes Herkunft seiner Neigung stets hindernd sein? Ja, er hatte sich übereilt. Wieviel besser hätte er daran getan, seiner Frau vernünftig ihren Wunsch auszureden, ihrer romantischen Idee, dieses Kind, gerade dieses Kind anzunehmen, energisch entgegen zu treten !

Die Brauen zusammengezogen, die Stirn in Falten, schaute auch er hinaus zum Fenster, an dessen Glas sich das Grau klebte und in großen Tropfen niederrann.

Draußen heulte jezt ein Wind; er hatte sich plöhlich aufgemacht. Und er heulte stärker, je mehr sie sich dem Scheitel des hohen Venn näherten, fauchte um den Wagen wie ein böser Hund und sprang den Pferden gegen die Brust. Die Gäule mußten sich wehren, ihren Trab verlangsamen; nur mühsam schwankte der Wagen voran.

Nie, niemals durfte dieses Kind erfahren, woher es stammte, denn sonst -in tiefen Gedanken starrte der neue Vater ins Venn, dessen Nebelwand jezt für Augenblicke durch einen wütenden Windstoß auseinandergerissen ward denn sonst - was,denn sonst'?! Er fuhr sich über die Stirn und atmete beklommen. Es beschlich ihn etwas wie eine Furcht, aber er machte sich selber nicht klar: wovor. Den Blick zu seiner Frau wendend, sah er, daß sie

ganz in Betrachtung des schlafenden Kindes versunken war, und seine Mißstimmung wurde dadurch nicht kleiner. Er zog ihre Rechte, die sie stüßend unter des Kindes schwer hingesunkenen Kopf hielt, fort: „Laß doch, ermüde dich doch nicht so! Es wird auch schon so weiterschlafen!" Und als sie besorgt „St" machte, erschrocken, ob der kleine Schläfer auch nicht gestört sei, sagte er nachdrücklich: „Eins muß ich dir sagen, mein Kind, und dich dabei auch warnen: gib nicht gleich dein ganzes Herz warte erst ab!"

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Wiejo ?" Verwundert sah sie ihn an, sie hörte einen Unterton aus seiner Stimme heraus. „Warum sagst du das so — jo nun so ärgerlich?!" Leise lachte sie auf in einem glücklichen Vergessen. Weißt du ja, es war abscheulich, unendlich peinvoll in dieser Umgebung aber, Gott sei Dank, jezt ist's ja überstanden! Eine Mutter vergißt ja so schnell all die Schmerzen, die sie bei der Geburt ihres Kindes gelitten hat wie sollte ich das Widrige heut nicht auch vergessen?! Sieh nur," und sie streichelte, vorsichtig liebkosend, mit der Spize ihres Fingers die warmrot geschlafene Wange des kleinen JeanPierre -wie unschuldig, wie lieblich! Ich freue mich so! Freu dich doch auch, Paul, du bist ja sonst so herzensgut! Komm, und nun laß uns mal überlegen, wie wir den Jungen eigentlich nennen wollen!" Es war eine große Weichheit in ihrem Ton: „Unsern Jungen !"

Sie hörten nicht mehr den Wind, der zum Sturm geworden war. Sie hatten jezt so vieles zu überlegen. Jean-Pierre, nein, das blieb auf keinen Fall! Und heute abend noch würde man von Spaa bis Köln fahren, denn dort erst konnte man es wagen, eine Wärterin zu enga

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